Zwei Shirts, ein Sweater, den dicksten und hässlichsten Pulli in meinem Kleiderschrank, Ski-Unterwäsche, Jeans, zwei Paar dicke Socken, feste Winterschuhe, eine dicke Winterjacke, ein... Nanga Parbat Expedition oder Weststadion?

Zwei Shirts, ein Sweater, den dicksten und hässlichsten Pulli in meinem Kleiderschrank, Ski-Unterwäsche, Jeans, zwei Paar dicke Socken, feste Winterschuhe, eine dicke Winterjacke, ein Schal, Handschuhe und zwei Hauben. Gemma Cup-Schauen!

Minus 15 Grad hatte es im Weststadion. Rapid gegen Ried war angesichts der Begleitumstände kein Einserkandidat für das technisch beste Spiel des Jahres. Trotzdem fanden über 7.000 Fans den Weg ins Weststadion zu Wien-Hütteldorf. Dass Frost und Ärger unausweichlich sein werden, war wohl jeder und jedem klar – aber auch für solche Partien lebt man als Fan. Es soll nicht immer gemütlich sein. Einerseits soll man Präsenz als Commitment und Signal an die Mannschaft verstehen, andererseits will man ja auch nicht, dass es sich ebendiese zu gemütlich macht, sondern den widrigen Bedingungen trotzt.

Vermummtes Treffen mit den Stadion-Spezis beim Bahnhof Hütteldorf. Eine Viertelstunde vor Spielbeginn, denn diesmal konnte man sich einfach nicht für einen Aufwärmdrink beim wenig glamourösen Parkplatzwürstler verdingen (ja, der Parkplatzwürstler ist es, wo wir mittlerweile socializen müssen, nachdem auf vernünftige vereinsseitige Alternativen weiterhin gewartet wird – die ordnungsgemäße Bewirtung der VIPs ist beim Arbeiterverein Rapid 2018 deutlich wichtiger).

Aber hey – mit der Eintrittskarte bekam man immerhin einen Gratis-Tee. Einen. Den konnte man sich original über die Zehen schütten, weil diese trotz guter Ausrüstung nach 15 Minuten erste Anzeichen von Nekrosen aufwiesen. Stadion-Spezi #1 hatte sich heuer noch dazu nicht rechtzeitig um gute Winterschuhe gekümmert, drei Paar Socken an. Noch in der ersten Halbzeit ging das Fluchen los. Er wisse jetzt wirklich, nämlich WIRKLICH, wie sich Reinhold Messner am Nanga Parbat gefühlt haben muss, als die Fortsätze an seinen Füßen im Begriff waren, Abschied zu nehmen.

Also vergessen wir mal die Sache mit dem Tee. Wir sind Rapid-Fans, wir sollen auch irgendwie leiden! Ein Bier tut’s auch. Nun ist es aber so, dass man Bier bei -15°C nicht aus der Hand geben sollte. Wenn man sich nämlich alle fünf Minuten für ein Schluckerl nach unten beugen muss, um den Becher aufzuheben, ist das anstrengender als jede 8000er-Bergtour. Demnach war der Becher – und die neuen, zusammensteckbaren Becher sind echt cool – nach ca. fünf Minuten geleert.

Gegeneinladung. Widerwillig, aber ok, wieso nicht? Die Anfangsphase war eh schon wieder zum Schönsaufen prädestiniert. Aber diesmal nicht so schnell, lassen wir uns Zeit, „genießen“ wir’s. Innerhalb von 20 Minuten avancierte das zweite, zu gemütlich genossene Bier zu einem Sorbet. Zuerst fror der Schaum an den Rändern, dann war der gesamte Becherinhalt bernsteinfarbenes Crash-Eis. Es war aber zu kalt um hinunterzugehen und sich Schirmchen und Löffel zu holen. Das zweite Bier ging demnach einfach nimmer rein. Macht auch nix, dann leiden wir eben noch mehr. Für die (weitgehend hilflose) Rapid!

Aber echt jetzt: Bei derartigen Temperaturen Fußball zu spielen, ist nicht leiwand. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass es schädlich für die Lunge ist und ein Gesundheitsrisiko darstellt. Nur um einen Rahmenterminplan durchzuboxen sollte man Spielern so etwas nicht antun. Dass der Rasen zwar so hart wie Osmium, an sich aber bespielbar ist, kann nicht das einzige Kriterium sein, eine solche Partie anzupfeifen.

Finger und Zehen waren am Ende des Tages die größten Schwachstellen, trotz konsequenter Verwahrung hinter allerlei Stoff. Zwischendurch dachte ich drüber nach, ob das die kälteste Partie meiner Fan-Karriere war. Irgendwann Ende der 90er gab’s ein Heimmatch gegen den GAK, das sich ähnlich anfühlte und ein paar Jahre später, beim Schneesturm in der Südstadt, zogen wir uns alle das jeweils zweite Paar Handschuhe über die Zehen, um einen „Messner“ zu verhindern. Aber insgesamt dürfte das gestrige Spiel schon das kalte Highlight gewesen sein. Die Diskussion ist eröffnet: Wart ihr schon mal auf einem kälteren Match?

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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