Man sagt Rapid das berühmte, kitschig angehauchte „Das gibt’s nur bei…“ nach. Und tatsächlich war die Abfolge der Ereignisse in den letzten Tagen reif... Tage, an denen alles Gute zusammenspielt: Das erlebten Rapids Fans beim 3:0 gegen PAOK!

Man sagt Rapid das berühmte, kitschig angehauchte „Das gibt’s nur bei…“ nach. Und tatsächlich war die Abfolge der Ereignisse in den letzten Tagen reif für einen teils hinkenden Hollywoodschinken mit Gänsehautfaktor, Happy-End und Fortsetzungsambitionen. Schwere Ausschreitungen in Saloniki, Anti-Gewalt-Appelle an die Fans, eine unfassbare Stimmung im Hanappi-Stadion und eine Mannschaft, für die es von Minute 1 an nicht in Frage kam, an PAOK Thessaloniki zu scheitern.

Über die Ereignisse der letzten Woche wurde ausgiebig berichtet. Nach den schweren Ausschreitungen in Griechenland verhängte die UEFA eine hohe Geldstrafe und ein Geisterspiel gegen den SK Rapid Wien. Die Konsequenz waren Veränderungen in der Geschäftsstelle, in der sich etwa Andy Marek in Zukunft aus der Fanarbeit zurückziehen wird. Facebook-Kampagnen der offiziellen und inoffiziellen Rapid-Page, sowie zahlreicher Fanklubs und einzelner Fans, in denen zu lautstarkem Support und gegen Gewalt aufgerufen wurde, waren die Folge.

Niemand wusste, was ihn erwartet

Vor dem Spiel wusste der gemeine Fan in Wien-Hütteldorf nicht, was heute auf ihn zukommen würde. Einige wenige verzichteten gar aus Sicherheitsgründen auf den Stadionbesuch. Die Wortfetzen, die man etwa vor dem Rapid-Dorf oder auf der Keisslergasse aufschnappen konnte, waren zumeist dieselben: „Was glaubst was das heut‘ wird? Passiert wieder was? Werden sich die Fans zusammenreissen? Wie werden die PAOK-Fans reagieren?“ Die Ruhe eine Stunde vor Anpfiff war gespenstisch und jeder, der sich noch nicht in der sicheren Obhut seines Sitzplatzes befand, schien wachsam zu sein, ob der unbekannten Ereignisse, die da noch kommen mögen. Selbst die für gewöhnlich bestens informierten Rapid-Fans übten sich sicherheitshalber nicht in Optimismus. Mitgliederreferent Stefan Singer bemerkte etwa 90 Minuten vor dem Spiel: „Momentan ist alles ruhig. Momentan.“ Der letzte Zusatz ließ vermuten, dass man noch nicht hundertprozentig davon ausgehen durfte, dass der Rapid-PAOK-Zwist ausgestanden ist.

Keine aggressive Stimmung

Der Weg ins Stadion verlief reibungslos, die Kontrollen waren (zumindest auf der Nordtribüne) nicht strenger als sonst, die PAOK-Fans präsentierten sich anfangs lautstark und präsent. Provokationen blieben jedoch bis auf übliche Mätzchen, die niemandem weh tun, beiderseits aus. Die Frage der Sicherheit schien beantwortet, denn auch Märchen über zahlreiche Partizan-Belgrad-Fans (Partizans Anhänger haben eine Fanfreundschaft mit denen von PAOK, Anm.) auf der Nordtribüne erwiesen sich als haltlos. Einem Fußballspiel, das diesen Namen verdienen würde, stand nichts mehr im Wege.

Hofmann und Burgstaller kämpferisch überragend

Auf dem Platz sah man dann eine Mannschaft, die bereit war alles zu geben. Die Körpersprache beim hohen Pressing in der Anfangsphase ließ dies bereits vermuten. Vor allem bei den zuletzt etwas laschen Offensivspielern war sofort zu sehen, dass keiner aufhören würde zu kämpfen, bevor der Schiedsrichter abpfiff. Als Erster ging der energische Terrence Boyd voran, etwas defensiver setzte Muhammed Ildiz kämpferische Ausrufezeichen. Die beiden Akteure, die jedoch durchgehend vorne weg gingen und an ihre körperlichen Grenzen gingen, waren Kapitän Steffen Hofmann und Guido Burgstaller.

Matheus Vivian als wichtiger Faktor pro Rapid

PAOK war durch die Ausfälle von Salpingidis und Lazar ersatzgeschwächt, ließ dennoch überraschenderweise Lawrence und Fotakis auf der Bank. Trainer Donis ließ stattdessen den giftigen, aber ineffizienten Giannou und den limitierten Robert spielen. Auch Innenverteidiger Katsikas rutschte aus der Mannschaft und wurde – durchaus erwartungsgemäß – durch den Brasilianer Matheus Vivian ersetzt, der seine erste Partie für PAOK in der Innenverteidigung neben Bongani Khumalo absolvierte. Er war eine Schlüsselpersonalie in diesem Spiel, denn der ehemalige Nantes-Legionär verschätzte sich nicht nur einmal, wirkte noch nicht in die Mannschaft integriert und hatte Probleme mit energischen Zweikämpfen, wie sie etwa Terrence Boyd suchte. Das Resultat waren Fehler im Balance- und Koordinationsspiel des Innenverteidigers, der am vorentscheidenden Treffer zum 2:0 aufgrund eines Stellungsfehlers die Hauptschuld trägt.

Ballsicher und mit einigen Überraschungsmomenten

Rapid spielte nicht außergewöhnlich kreativ, doch die Besinnung auf alte Tugenden genügte, um PAOK mit 3:0 zu besiegen. Gruppentaktisches Offensivpressing und hohe Laufbereitschaft im Mittelfeld machten den Griechen das Leben im Hanappi-Stadion sehr schwer. Hinzu kam ein wichtiger Aspekt, den man letzte Saison immer wieder vermisste, der jedoch langsam aber sicher Einzug in Wien-Hütteldorf finden dürfte: Das Mittelfeld Rapids präsentierte sich stets sehr ballsicher. Eine Schlüsselrolle nimmt hierbei weiterhin Muhammed Ildiz ein, der seine schwache Leistung gegen Wolfsberg gut wegsteckte und für Ballkontrolle und Überraschungsmomente im Mittelfeld sorgte. Für Steffen Hofmann spielt es sich mit einem sicheren Nebenmann natürlich auch leichter und die energischen Flügel taten ihr Übriges, um PAOK auch mental ins Hintertreffen zu drängen.

Rapids Fehler ohne Folgen – PAOKs Mittelfeldchef zu unbeweglich

Auch ein wenig Hilfe vom Fußballgott war notwendig, um den Einzug in die Europa-League-Gruppenphase zu bewerkstelligen. So patzten etwa die sonst grundsoliden und schnellen Innenverteidiger Gerson und Sonnleitner je einmal – doch die Schwarz-Weißen aus Thessaloniki konnten die Fehler nicht ausnutzen. Der fehlerlose Lukas Königshofer musste nur bei Flanken und Weitschüssen eingreifen – aus dem Spiel heraus ließ Rapid praktisch keine Chancen zu. Das robuste defensive Grundgerüst war ein physischer Vorteil für Rapid, das gegen eine sich verausgabende PAOK-Elf mit Dynamik im Mittelfeld punkten konnte, nachdem die Angriffe der Griechen allesamt nichts Zählbares einbrachten. Dynamik war im PAOK-Mittelfeld kaum gegeben – was am alternden Pablo Garcia lag, der eine Standpartie spielte, wie abseits.at bereits vor dem Hinspiel prophezeite…

Fantastische Fanleistung sorgte für ein Fußballfest

Ein wichtiger Faktor auf dem Weg zu einem denkwürdigen Europacuperfolg waren jedoch auch die Fans. Eben jene Fans, die man im Vorfeld des Spiels von Vereinsseite aus schulmeistern „musste“. Die Angst, dass sich der Eine oder Andere nicht im Zaum halten könnte, entpuppte sich jedoch als übertrieben. Die Westtribüne gab den Ton an und spätestens in der zweiten Halbzeit war auch der Rest des Stadions angesteckt. Nord- und Südtribüne zelebrierten einen gewaltigen Wechselgesang mit dem „Block West“, der den Längstribünen dafür Applaus spendete und sie damit noch mehr zum Mitmachen anstachelte. Es fühlte sich an wie Einigung, was die „Oberfans“ Rapids gerade in dieser schwierigen und unklaren Situation suchten. Einerseits mit allen Fanschichten Rapids, andererseits auch mit sich selbst. Man besann sich auf Support, verlor kein Wort über das möglicherweise überzogene Vorgehen der UEFA und häkerlte die gegnerischen Fans eher „charmant“ als aggressiv.

Trotzdem einige ungeklärte Fragen

Die Rapid-Anhänger gingen zufrieden nach Hause, aber die Probleme sind noch nicht ausgestanden. Noch ist ein Berufungsverfahren aufgrund eines Geisterspiels anhängig, welches am 20.September gegen Rosenborg Trondheim steigen würde. Auch die Veränderungen im Bereich der Fanarbeit durch den Verein werfen noch einige Fragen auf, die jedoch in den nächsten Wochen und Monaten beantwortet werden. Geisterspiel hin oder her: Selbst wenn die UEFA sich entscheidet trotz der vorbildlichen „Stadionleistung“ vom Donnerstag das Geisterspiel unbedingt zu belassen, sind die beiden bevorstehenden Heimspiele gegen Bayer Leverkusen und Metalist Kharkiv Balsam auf die traditionellen grün-weißen Finanzschrammen.

Ist Rapids Kader zu dünn für die Europa League?

Für Peter Schöttel und sein Team bedeutet die erfolgreiche Europa-League-Qualifikation Arbeit im Akkord. Sechs weitere Spiele stehen an – und die Rapid-Ersatzbank war schon gegen PAOK nicht unbedingt ein Beispiel für hohe Flexibilität. Gerade auf der Stürmerposition hat Schöttel wenige Möglichkeiten, ein Typ wie Atdhe Nuhiu, den man als Turm in die Schlacht schicken könnte, gibt es bei Rapid derzeit nicht. Die Transferzeit ist seit Mitternacht vorüber, geeignete vereinslose Spieler wird man kaum finden. Wenn das dem Rekordmeister nicht im Laufe des Herbsts noch auf den Kopf fällt…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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