Jede:r bekommt vermutlich von älteren Familienmitgliedern gelegentlich den ein oder anderen Sprachlapsus aus der eigenen Kindheit erzählt. Witzige Antworten von Schüler:innen werden sogar in... Anekdote zum Sonntag (205) – Stilblüte auf Italienisch

Jede:r bekommt vermutlich von älteren Familienmitgliedern gelegentlich den ein oder anderen Sprachlapsus aus der eigenen Kindheit erzählt. Witzige Antworten von Schüler:innen werden sogar in Buchform verkauft und garantieren Lachanfälle. Auch die Autorin dieser Geschichte wird im privaten Kreis gerne daran erinnert, sie habe beim Betrachten der Hochzeitsfotos eines mit ihren Eltern befreundeten Paares einst von der „Braut und dem Brauterer“ gesprochen. Selbst wenn man der Kinderkrippe längst entwachsen ist, passiert es, dass so mancher „Gehirnschluckauf“ für Gelächter und/oder Ratlosigkeit beim Gegenüber sorgt. Missgeschicke sind schließlich nicht altersgebunden.

Toni Polster ist ein Botschafter des Wiener Schmähs – wie jenes Interview, bei dem er einen deutschen Reporter vor laufender Kamera pflanzte, beweist. Als solcher kann der langjährige Viktoria-Trainer auch über sich selbst lachen. Folgende Anekdote aus seiner Zeit bei Torino Calcio, als Tonis Schlussfolgerung zu einem witzigen Wortfehler führte, hat der ÖFB-Rekordtorschütze schon öfters zum Besten gegeben:

1987 war für den damaligen Austria-Mittelstürmer ein erfolgreiches Jahr, bei dem er allerdings um einen großen Triumph betrogen wurde: Mit 39 erzielten Toren in der österreichischen Bundesliga war Polster damals auf direktem Wege in Hans Krankls Fußstapfen zu treten und den Goldenen Schuh als bester Torschütze Europas zu gewinnen. Das faschistische Ceaușescu-Regime in Rumänien hatte jedoch etwas dagegen und hievte einen gewissen Rodion Cămătaru mit 44 – teils manipulierten – Treffern ganz nach oben auf das Siegertreppchen. Polster war enttäuscht – eine nachträgliche Verleihung erfolgte erst 2007 -, trotzdem konnte er am Ende der Saison einen weiteren Meilenstein seiner noch jungen Karriere feiern: Für 20 Millionen Schilling Ablöse wechselte der damals 23-jährige von den Veilchen zu Torino Calcio.

Der Schritt ins Ausland war zwar geschafft, doch Toni hatte die Anforderungen zunächst unterschätzt: Der „Catenaccio“ regierte und als Strafraumkobra blieb er in diesem System meist unterfüttert. Außerdem konnte er sich anfangs weder mit seinen Kollegen, noch mit Fans oder Journalisten unterhalten: Italienisch als Fremdsprache war an der Favoritner Hauptschule, die Polster einst besucht hatte, nicht gelehrt worden. Als er seine horrende erste Telefonabrechnung von Ferngesprächen nachhause sah, fasste sich der Legionär deshalb ein Herz und schrieb sich an der nahen Volkshochschule in einen Italienisch-Kurs ein.

In diesem Abendkurs musste Toni einmal einen Aufsatz über Italien schreiben, obwohl sein Vokabelschatz in der Sprache Dantes – Obacht: der Dichter und nicht der Fußballer ist gemeint – noch recht gering war. Doch Polster wusste sich nicht nur auf dem Feld, sondern auch in der Sprachschule zu helfen. An seinem Stift nuckelnd überlegte er, was er über sein Gastgeberland Positives sagen konnte. Als Liebhaber von Pasta, Pizza und Co. wollte er schließlich den aussagekräftigen Satz „Das Essen ist gut.“ zu Papier bringen. Zu blöd, dass ihm die Übersetzung von „Essen“ im Sinne von „Mahlzeit, Speise“ noch nicht bekannt war. Immerhin kannte er das dazugehörige Verb, also fackelte der emsige Schüler nicht lange und jonglierte mit „mangiare“ wie sonst mit der Kugel und spekulierte, dass „la mangia“ „das Essen“ heißen würde: Toni brachte also „La mangia è molta bona“ zu Papier um die Küche am Stiefel gebührend zu loben.

Als er den Aufsatz jedoch nach der Korrektur seiner Sprachlehrerin zurückbekam, hatte diese die Stelle mit mehreren Fragezeichen versehen. „Ich dachte damals, ich bräuchte nicht im Wörterbuch nachzusehen, weil das so klar sei.“, lachte Toni später als er sich an diese „Stilblüte“ erinnerte. Immerhin muss man Polster zugestehen, dass sein Gedankengang gar nicht so verkehrt war, schließlich steht „il mangiare“ tatsächlich für „das Essen“.

Jedenfalls beherrschte der ehrgeizige Angreifer nach einigen Wochen Sprachschule die wichtigsten Italienisch-Vokabel und konnte endlich mit seinen Mannschaftskameraden kommunizieren. Der gebürtige Favoritner signalisierte außerdem den tifosi, dass er sich zu integrieren wusste – im Gegensatz zu einem gewissen Ian Rush, der damals bei Torinos großem Rivalen Juventus die Schuhe schnürte und sich mit Polster angefreundet hatte. Der Rekordtorschütze des FC Liverpool sprach kaum Italienisch, was sich im stolzen Land an der Adria als wenig nützlich erwies: Rush „rushte“ deswegen bald zurück zu seinen geliebten Reds, Toni Polster dagegen startete nach einer Saison ein neues Abenteuer und machte sich nach Sevilla auf, um u.a. zu lernen, dass „la comida“ „das Essen“ auf Spanisch heißt.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag