Nach dem 2:8-Debakel gegen den FC Bayern München zieht der FC Barcelona die Reißleine und trennt sich von Trainer Quique Setién. Mit Ronald Koeman... Reicht die „Barça-DNA“? Was man sich von Koeman in Barcelona erwarten darf

Nach dem 2:8-Debakel gegen den FC Bayern München zieht der FC Barcelona die Reißleine und trennt sich von Trainer Quique Setién. Mit Ronald Koeman steht der neue Trainer bereits vor der Tür und wir wollen uns ansehen, ob der Niederländer die richtige Wahl für den aktuell vielleicht schwierigsten Trainerjob auf der Welt ist.

Große Erfolge als Barcelona-Legionär

Im Jahr 1989 holte Spieler- und Trainerlegende Johan Cruyff seinen Landsmann Ronald Koeman zum FC Barcelona, wo der Niederländer mit seiner Mannschaft die folgenden Jahre dominieren sollte. Zwischen 1990 und 1994 gewannen die Katalanen viermal die spanische Meisterschaft und triumphierten zudem 1992 im Europapokal der Landesmeister. Es ist kein großer Zufall, dass Koeman im Finalspiel gegen Sampdoria Genua den entscheidenden Treffer per Freistoß beisteuerte, denn der Niederländer gilt bis heute als einer der torgefährlichsten Abwehrspieler aller Zeiten. Alleine beim FC Barcelona traf er in 192 Meisterschaftsspielen stolze 67 Mal. Koemans Freistöße sind bis heute legendär, aber er schaltete sich auch immer wieder in die Angriffe seiner Mannschaft mit ein, brachte sich in aussichtsreiche Schusspositionen und feuerte seine unnachahmlichen Distanzschüssen auf das gegnerische Tor ab.

Zweite Wahl für den Traumjob

Zwischen 1998 und 2000 war er bei den Katalanen als Co-Trainer tätig, ehe er in seinem Heimatland mehrere Stationen als Cheftrainer durchlief. Er machte aber nie einen Hehl daraus, dass sein großes Ziel der Trainerposten beim FC Barcelona ist. Rund 20 Jahre nach seinem Abgang beim FC Barcelona scheint sein Plan aufzugehen, obwohl er beim umstrittenen Präsidenten laut Medienberichten nicht erste Wahl war. Josep Maria Bartomeus Wunschkandidat war nämlich Xavi, der aktuell den al-Sadd Sport Club trainiert. Xavi hatte allerdings bereits in der Vergangenheit große Bedenken, dass seine Visionen unter der aktuellen Führungsriege nicht umzusetzen sind.

Koemans Rekord

Koeman gewann als Trainer in seinem Heimatland drei Meisterschaften. 2001/02 und 2003/04 holte er den Meistertitel mit Ajax nach Amsterdam, 2006/07 stand er in der Endabrechnung mit PSV Eindhoven ganz oben. Da er zwischen 2011 und 2014 auch bei Feyenoord an der Trainerlinie stand ist er bis heute der einzige Fußballer, der sowohl als Spieler als auch als Trainer bei den drei großen niederländischen Klubs unter Vertrag stand.

Kurzes Gastspiel in Portugal

Zwischen seinen Meistertiteln bei Ajax und PSV war er zum ersten Mal als Trainer im Ausland engagiert, wo er als Nachfolger von Giovanni Trapattoni zu Benfica wechselte. Sein Gastspiel in Portugal dauerte nur ein Jahr, da er bis auf den Super Cup nichts gewinnen konnte und in der Liga hinter dem FC Porto und Sporting nur den dritten Platz belegte. Immerhin gewann er aber in der Champions League unter anderem gegen Manchester United und den Liverpool FC.

Kopflose valencianische Hühner

Ende Oktober 2007 übernahm Koeman den Trainerposten beim FC Valencia, wo er Quique Sánchez Flores nachfolgte. Der Sieg der Copa del Rey ist der einige positive Aspekt, den er von seinem ersten Spanien-Engagement mitnehmen konnte, ansonsten verlief seine Zeit beim FC Valencia äußerst enttäuschend. In der Champions-League-Gruppenphase belegten die Spanier den letzten Platz und die Liga wurde auf Platz 15 abgeschlossen. Nach einer 1:5-Niederlage gegen Athletic Bilbao verlor er im April 2008 seinen Posten.

Koeman übernahm damals eine funktionstüchtige Mannschaft, die um die vorderen Plätze mitspielte. Der Niederländer konnte auf Top-Fußballer wie David Silva, Juan Mata und David Villa zurückgreifen, schaffte es aber nicht annähernd das in der Mannschaft schlummernde Potential zu entfachen. Der rechte Flügelspieler Joaquin bemängelte, dass die Spieler wie „kopflose Hühner“ über den Platz laufen würden. Zudem lag die Stimmung in der Spielerkabine unter dem Gefrierpunkt. Koeman sprach Kapitän David Albelda bereits nach drei Wochen seine Führungsqualitäten ab und brachte damit Teile der Mannschaft gegen sich auf. Sein erstes Engagement als Cheftrainer in Spanien verlief insgesamt trotz des Cup-Siegs katastrophal.

Erfolg und Misserfolg in der Premier League

Nach weiteren Trainerstationen bei AZ Alkmaar und Feyenoord wurde Koeman vom Southampton FC als Nachfolger von Mauricio Pochettino verpflichtet. Der Niederländer wurde nach vier Siegen, einem Unentschieden und einer Niederlage gleich zum Trainer des Monats der Premier League gewählt und seine Mannschaft zeigte auch danach starke Leistungen. So konnte beispielsweise zum ersten Mal nach 1988 Manchester United besiegt werden. Diese starken Leistungen waren auch ein Verdienst der hervorragenden Transferpolitik in diesem Jahr, denn die Neuzugänge Sadio Mané, Dusan Tadic und Graziano Pelle schlugen voll ein. Ersterer wurde von Red Bull Salzburg verpflichtet, die anderen beiden Kicker kannte Koeman aus der Eredivisie. Graziano Pelle nahm er von Feyenoord mit, Dusan Tadic wurde von Twente verpflichtet. In der ersten Saison belegte Koeman mit seinem Klub Platz 7 in der Premier League, ein Jahr darauf erreichten die Saints sogar Platz 6. Koeman war beim Klub äußerst beliebt und wurde insbesondere für den Einbau der jungen Spieler gelobt. Der aktuelle Gladbach-Co.-Trainer René Maric analysierte für uns in diesem lesenswerten Artikel ganz genau, wieso Koeman mit Southampton so erfolgreich war.

Koeman heuerte zum Leidwesen der Southampton-Fans beim Everton FC an, wo man große Pläne schmiedete. Er bekam 140 Millionen Pfund für neue Spieler und verpflichtete unter anderem Davy Klaassen und Gylfi Sigurdsson. Der Abgang von Romelu Lukaku zu Manchester United hinterließ aber eine große Lücke, die auch mit viel Geld nicht zu stopfen war. Nicht einmal eineinhalb Jahre nach seinem Antritt wurde der Niederländer entlassen nachdem seine Mannschaft nur auf dem 18. Tabellenplatz stand. Koeman gewann nur rund 40 Prozent seiner Spiele beim Everton FC, was angesichts der hohen Transferausgaben eine ganz schwache Ausbeute darstellte.

Koeman wurde rund vier Monate danach zum neuen Bondscoach der niederländischen Nationalmannschaft ernannt und ließ in der Gruppenphase der Nations League Frankreich und Deutschland hinter sich. Das Finalspiel gegen Portugal wurde knapp mit 0:1 verloren. Koemans Vertrag wäre bis zur Weltmeisterschaft 2022 gelaufen, doch er entschied sich für seinen lang ersehnten Traumjob beim FC Barcelona.

Warum Setién auf allen Ebenen scheiterte

Zum Amtsantritt verkündete Quique Setién vollmundig, dass er mit dem FC Barcelona nicht nur alles gewinnen will, sondern auch „stylisch“ spielen will, in einer Art und Weise, die der Historie der Katalanen gerecht wird. In den ersten Spielen konnte man auch Veränderungen gegenüber seinem puristischen Vorgänger Ernesto Valverde erkennen – alleine in seinem ersten Spiel gab es über 1000 Pässe seiner neuen Mannschaft zu bestaunen. Schon nach wenigen Partien stellte er aber wieder das System um und legte unter anderem die Dreierkette ad acta. Die Mannschaft erinnerte schon recht bald vom Auftreten her an seinen Vorgänger und es waren kaum Verbesserungen sichtbar – eher im Gegenteil.

Setién versprach bei seinem Antritt auf die jungen La-Masia-Talente zu setzen, aber selbst der hochtalentierte Riqui Puig bekam trotz starker Talentproben insgesamt viel zu wenig Vertrauen ausgesprochen. Dazu kam, dass sich Setién von vereinzelt guten Auftritten, wie etwa dem starken 4:1-Sieg gegen Villarreal blenden ließ und feststellte, dass seine Mannschaft mit diesen Leistungen auch die Champions League gewinnen können. Selbst Superstar Lionel Messi widersprach ihm und forderte einen anderen Spielstil ein.

Ein weiteres Problem, neben der konfus wirkenden Transferpolitik, ist die Altersstruktur im Kader. Setién setzte nicht nur nicht auf junge Spieler, sondern forcierte teilweise mit Absicht die Routiniers. In einem Interview verlautbarte er, dass man mit höherem Alter am Platz einfach die besseren Entscheidungen treffen kann. Seine Spieler sollen nicht mehr rennen, sondern besser denken. Der FC Bayern zeigte schlussendlich mit dem historischen Kantersieg die gruppentaktischen Probleme des FC Barcelona schonungslos auf und Setién wusste wohl schon beim Pausenpfiff, dass er nur noch 45 Minuten lang an der Seitenlinie des FC Barcelona stehen wird.

Setién scheiterte auf allen Ebenen. Er verpasste nicht nur alle sportlichen Saisonziele, sondern verriet auch die eigenen Ideen, die er bei Amtsantritt euphorisch präsentierte. Das klägliche Scheitern Setiéns erklärt auch weshalb der FC Barcelona unbedingt einen Trainer finden will, der die viel beschworene Barça-DNA im Blut hat. Koeman gab für seinen Traumjob die Weltmeisterschaft 2022 auf und nimmt damit viel Risiko, da es nicht unwahrscheinlich ist, dass auch er angesichts der hohen Erwartungen, der schwachen Kaderstruktur und dem vergifteten Umfeld rund um Präsident Bartomeu scheitern wird. Es muss schließlich schwerwiegende Gründe haben, wenn eine Barcelona-Legende wie Xavi seit Monaten nicht bereit ist, unter den aktuellen Gegebenheiten den Trainerposten bei seinem geliebten Stammverein anzunehmen.

Mit Koeman zurück zur Barça-DNA?

Ronald Koeman wurde sowohl von Johan Cruyff als auch von Van Gaal geprägt. Unter Cruyff erlebte er als Spieler beim FC Barcelona eine hervorragende Zeit und lernte die Konzepte des Totaalvoetbal aus erster Hand kennen. Es kam ihm enorm entgegen, dass die Spieler nicht fest an Positionen gebunden waren, sondern in der Vertikale die Positionen tauschen konnten, sodass er sich immer wieder mit in den Angriff einschalten durfte. Anfällig waren die Cruyff-Mannschaften am ehesten bei gegnerischen Konteraktionen, wenn die Spieler nicht rechtzeitig in ihre Positionen zurückfanden. Van Gaal forderte von seinen Schützlingen weitaus höhere Positionstreue ein und achtete darauf, dass die Struktur in der Defensive nicht verlorenging.

Von Cruyff und Van Gaal geprägt

Ronald Koemans bevorzugtes System als Trainer war in der Vergangenheit meist ein 4-3-3. Dabei wählte er im Mittelfeld eine Mischung aus der Cruyff – und Van-Gaal-Philosophie. Cruyff setzte im Mittelfeldzentrum auf einen defensiven und zwei offensive Akteure, während Van Gaal meist einen rein defensiven Sechser und zwei Box-to-Box-Spieler aufstellte. Gegen am Papier schwächere Gegner besetzte Koeman in der Vergangenheit sein Mittelfeld oftmals wie Cruyff, ersetzte aber gegen stärkere Kontrahenten einen offensiven Mittelfeldspieler mit einem Box-to-Box-Spieler. Cruyff gab seinen Stürmern zudem mehr positionelle Freiheiten als Koeman, der es nicht allzu gerne sieht, wenn sich seine Stürmer weit zurückfallen lassen. Ein weiterer Unterschied zu seinen beiden Lehrmeistern ist, dass die Flügelstürmer nicht so breit agieren, sondern eher ins Zentrum rücken sollen.

Systemwechsel

Der niederländische Coach ist aber keinesfalls auf sein 4-3-3-System fixiert, sondern passt die Spielphilosophie seiner Mannschaft an die zur Verfügung stehenden Spieler an. Als Trainer der niederländischen Nationalmannschaft verzichtete er auf die gewohnte Viererkette, da er mit Virgil van Dijk, Stefan de Vrij und Matthijs de Ligt über drei qualitativ hervorragende Innenverteidiger verfügte, die er allesamt in die Startaufstellung packen wollte. Koeman betonte, dass er zwar keine Experimente machen wolle, aber dass er seine Spieler auf den stärksten Positionen aufstellen will und deshalb Kompromisse eingehen muss.

Entwicklung von jungen Talenten

Was für Koeman spricht ist die Tatsache, dass er ein extrem gutes Auge für junge Talente hat und sich nicht scheut diese in die Mannschaften zu integrieren. In dieser Hinsicht sollte er in jedem Fall ein Upgrade zu Setién sein, denn es können nicht viele Trainer behaupten, dass sie spätere Superstars wie Zlatan Ibrahimovic, Wesley Sneijder und Nigel de Jong maßgeblich entwickelten. Ibrahimovic bekam beispielsweise nach seinem Wechsel von Malmö zu Ajax unter Coach Co Adriaanse kaum Einsätze und blühte erst unter Koeman auf. Sneijder, de Jong und Heitinga verdanken ihr Debüt bei Ajax überhaupt dem neuen Barcelona-Coach.

Mission Impossible?

Ob Koeman beim FC Barcelona funktionieren wird ist aber alles andere als gewiss. In der Trainerlaufbahn des Niederländers wechselten sich Erfolg und Scheitern regelmäßig ab und auch bei weit kleineren und unkomplizierteren Vereinen hatte Koeman nicht immer Erfolg. Nun trifft Koeman auf einen Klub, den er gut kennt und versteht, der allerdings in der näheren Zukunft große Probleme aus dem Weg räumen muss. Lionel Messi ist unzufrieden und droht mit seinem Abgang, die Alters- und Kaderstruktur ist problematisch und die Vereinsführung ist bei den Fans längst angezählt.

Koeman wird nicht viel Zeit haben diese Probleme zu lösen, denn die Erwartungshaltung beim FC Barcelona ist trotz der schwierigen Umstände immer hoch und es müssen auch in den Zeiträumen, in denen sich der Verein neu erfinden muss, Trophäen gewonnen werden. Daher bleibt es für den sympathischen Niederländer zu hoffen, dass aus seinem Traumjob kein Alptraum wird.

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Stefan Karger