Am 18.4.1996 konnte der SK Rapid den zweiten Finaleinzug der Vereinsgeschichte im Europacup der Cupsieger dank eines furiosen 3:0-Heimsieges gegen das damals hochfavorisierte Feyenoord... Retro-Analyse: Rapid schießt sich gegen Feyenoord ins Europacupfinale

Am 18.4.1996 konnte der SK Rapid den zweiten Finaleinzug der Vereinsgeschichte im Europacup der Cupsieger dank eines furiosen 3:0-Heimsieges gegen das damals hochfavorisierte Feyenoord Rotterdam feiern. 24 Jahre später hat der SK Rapid in Kooperation mit dem ORF das Spiel in voller Länge auf der vereinseigenen TV-Plattform RAPID TV zur Verfügung gestellt. Grund genug, um sich das Spiel aus verschiedenen taktischen Blickwinkeln anzusehen.

Die Ausgangslage

Das Hinspiel fand am 4.4.1996 im legendären Rotterdamer De Kuip statt, in dem Rapid bereits im Rahmen des ersten erreichten Finals in diesem Wettbewerb 1985 gastierte und mit 1:3 gegen den FC Everton verlor. Vor 46.000 Zuschauern ereignete sich ein Spiel wie auf einer schiefen Ebene, man stellte sich während des Spiels eigentlich nur mehr die Frage wie hoch der Sieg für die Heimmannschaft ausfallen würde. Dank der mangelnden Chancenverwertung der Niederländer stand es bis zur 53. Minute 0:0, ehe niemand geringerer als Ronald Koeman einen fragwürdigen Elfmeter zum 1:0 versenkte. Entgegen aller Erwartungen aller konnte der junge Carsten Jancker 13 Minuten später zum 1:1-Ausgleich einnicken, was gleichzeitig den Endstand bedeutete. Aufgrund der Auswärtstorregel verschafften sich die Hütteldorfer somit eine sehr gute Ausgangsposition für das Rückspiel im mit 47.000 Zuschauern nicht ganz ausverkaufte Ernst Happel-Stadion.

Die Aufstellungen

Rapid Wien:

Trainer Ernst Dokupil schickte seine Mannschaft in einer 4-4-2-Grundformation mit Libero Trifon Ivanov auf das Feld. Vor ihm agierten Schöttel, Hatz und Guggi als Manndecker. Die Viererreihe im Mittelfeld bildeten Heraf und Marasek an den Flanken, sowie Stöger und Kühbauer im Zentrum. Letzterer übernahm den etwas defensiveren Part im Mittelfeldzentrum. In der Mittelfeldreihe kam es situativ immer wieder zu Rotationen, sodass Stöger und Kühbauer ab und an am Flügel bzw. Marasek und Heraf in Zentrum auftauchten. Im Angriff lief das bewährte Sturmduo Christian Stumpf – Carsten Jancker auf, welches eine zentrale Rolle in diesem Spiel einnehmen sollte.

Feyenoord Rotterdam:

Feyenoord-Trainer Arie Haan schickte sein Team in einer 3-4-3-Formation auf das Feld. Star der Mannschaft zu diesem Zeitpunkt war zweifelsohne Ronald Koeman, der vier Jahre zuvor dem FC Barcelona (unter Trainer Johan Cruyff) mit einem seiner gefürchteten Freistöße den Europapokal der Landesmeister bescherte. Im Mittelfeld stellten die Niederländer ebenfalls eine Viererreihe, allerdings agierte van Gastel im Zentrum etwas defensiver als der junge Giovanni van Bronckhorst. Betrachtet man die Namen einiger Spieler 24 Jahre später so erkennt man schnell, dass es sich hierbei um eine äußerst talentierte Mannschaft handelte. Die eine oder andere Weltkarriere sollte sich im Laufe der Jahre noch entwickeln.

Die Spielideen im Vergleich

Feyenoord war zu dieser Zeit ein Team typisch niederländischer Prägung. Johan Cruyff und seine Elftal prägten mit dem Total Voetbal der 70er Jahre ein ganzes Fußballland mit ansehnlichen Ballbesitzfußball. Die Bewegungen der Spieler waren allerdings willkürlich und keinen dezidierten Vorgaben untergeben. Nachdem Cruyff seine Karriere als Trainer begann, entwickelte er die Blaupause zu der damaligen freien, spontanen Spielanlage: das Positionsspiel. Viele Teams aus den Niederlanden übernahmen diese Spielidee, so auch Feyenoord. Im Spiel gegen Rapid waren daher ebenfalls einige Positionsspiel-Elemente zu erkennen. Die Rotterdamer hatten mehr Ballbesitz und drückten die Hütteldorfer in deren eigene Hälfte.

Bei Rapid kann man es durchaus als Teil des Matchplans sehen, dem auf Ballbesitz und Dominanz ausgelegten Spiel des Gegners einen tiefen Block entgegenzusetzen, der sich in der eigenen Hälfte positionierte. Die Verteidigung, rund um Libero Trifon Ivanov wartete meist 16-20 Meter vor dem eigenen Tor, die beiden Angreifer Stumpf und Jancker ließen sich bis zur Mittellinie fallen und begannen erst dort die generische Dreierkette zu attackieren. Die Mittelfeldreihe sowie die Abwehrkette, mit Ausnahme von Libero Ivanov, empfingen die Gäste mit der damals gängigen Defensiv-Taktik der Manndeckung. Ziel war es, Ballverluste beim Gegner zu provozieren, um dann mit schnellem Umschaltspiel den Durchbruch auf den Flügeln zu erzielen, wo Heraf bzw. Marasek die beiden kopfballstarken Stürmer Jancker und Stumpf mit Flanken versorgen sollten.

Im eigenen Spielaufbau legten die Wiener keinen Wert auf einen kontinuierlichen Aufbau der eigenen Angriffe. So ergab sich über die kompletten 90 Minuten jenes Muster, wonach Torhüter Michael Konsel den langen Ball auf Jancker, Stumpf oder den ebenfalls kopfballstarken Andreas Heraf schlug. Diese sollten dann die dahinter lauernden Mitspieler mit Kopfballverlängerungen versorgen. Eine Aktion dieses Schemas sollte eine entscheidende Rolle in diesem Spiel einnehmen, doch dazu später mehr.

Rapid mit Blitzstart – Feyenoord mit Problemen im Ballbesitz

Das Spiel sollte mit einer Schrecksekunde für alle beginnen, die es an diesem Abend mit den Grün-Weißen hielten: Henk Vos nahm in einem Luftzweikampf gegen Carsten Jancker das Bein viel zu hoch und traf den baumlangen deutschen Stürmer am Hinterkopf. Sofort wurden Erinnerungen an das in der gleichen Europacupsaison stattgefundene Heimspiel gegen Dynamo Moskau wach, als Jancker aufgrund eines tiefen Cuts an der Stirn einen Turban verpasst bekam und mit diesem das Spiel quasi im Alleingang zugunsten seiner Elf entscheiden konnte.

Jancker war allerdings glimpflich davongekommen und konnte nach einer kurzen Behandlung weiterspielen. Ein Glücksfall für Rapid, wie sich nur Sekunden später herausstellen sollte. Die Anschlussaktion des fälligen Freistoßes hatte den ersten Eckball für Rapid zur Folge. Kühbauer schlug den Ball an die erste Stange, wo Stephan Marasek den Ball zentral vor das Tor verlängerte. Der wuchtig einlaufende Jancker war von seinem direkten Gegenspieler nicht zu bändigen und drückte den Ball zum 1:0 über die Linie. Eine einstudierte Variante, denn bei der einzigen weiteren Ecke für Rapid in diesem Spiel versuchten es die Hütteldorfer auf ähnliche Art und Weise. Ein Traumstart also für den Underdog, der wohl als Grundstein für diesen unvergesslichen Europacupabend betrachtet werden kann.

Wie bereits zuvor beschrieben, waren es die Gäste, die nun das Spiel bestimmten. Der zentrale Innenverteidiger Ronald Koeman baute einen Angriff nach dem anderen auf. Seine beiden Verteidigerkollegen, George Boateng und der spätere Rapid-Chefscout Bernard Schuiteman positionierten sich im Vergleich zu Koeman leicht versetzt nach vorne, um diagonale Passlinien herzustellen und dadurch das Anlaufen der beiden Stürmer Rapids zu erschweren. Die beiden hätten sich des Öfteren höher positionieren können, um Koeman noch diagonalere Passlinien anzubieten bzw. mit dem ersten Kontakt nach vorne die erste Pressinglinie des Gegners (Stumpf und Jancker) zu überwinden. Durch die Mannorientierung Rapids im Mittelfeld waren die Schnittstellen zwischen den Flügelspielern Heraf und Marasek und den zentralen Mittelfeldspielern Kühbauer und Stöger sehr groß. Speziell der nominelle linke Flügelstürmer Henrik Larsson rückte permanent in den Halbraum ein und bot so nahezu jedes Mal die Passlinie auf Höhe der gegnerischen Verteidigung an.

Koeman war es somit oft möglich, den Ball aus der eigenen ersten Aufbaulinie direkt an die letzte Linie des Gegners zu spielen und somit die Mittelfeldreihe zu überspringen. Allerdings entstand dabei die Problematik, dass sich oft drei oder sogar Spieler (Larsson, Vos und Taument) mit dem Rücken zum gegnerischen Tor auf einer horizontalen Linie positionierten. Zusätzlich rückten die Mittelfeldspieler Feyenoords nicht konsequent genug nach, sodass der Ball nicht abgelegt und so keine Spielfortsetzung via des dritten Mannes möglich war. Stattdessen mussten die Spieler an der letzten Linie den Ball halten und wurden durch Rapids Manndecker Schöttel, Hatz und Guggi im Rücken enorm unter Druck gesetzt, was in vielen Fällen den von Rapid gewollten Ballverlust zur Folge hatte.


Vier Spieler positionieren sich an der letzten Linie, mit dem Rücken zum Tor. Die konsequente Manndeckung und das mangelhafte Nachrücken in den rot markierten Raum machten eine Spielfortsetzung nahezu unmöglich

Koeman suchte auch das eine oder andere Mal Jean-Paul van Gastel, der sich als defensiverer der beiden zentralen Mittelfeldspieler oft direkt hinter die beiden Spitzen Rapids fallen ließ, um so mit den drei Innenverteidigern eine 4-gegen-2-Überzahl in Form einer Aufbauraute herzustellen.


Mit dem Zuspiel auf van Gastel konnten Jancker und Stumpf überwunden werden. Die im Zentrum herrschende Gleichzahl erschwerte van Gastel allerdings die Spielfortsetzung nach vorne, da er permanent Druck eines rausrückenden Mittelfeldspieler Rapids bekam.

Die Gleichzahl im Mittelfeld ermöglichte es einen der beiden zentralen Mittelfeldspieler Rapids Druck auf van Gastel auszuüben, was die Spielfortsetzung erschwerte. Eine Lösung für dieses Problem wäre wohl gewesen, wenn van Gastel den Ball auf einen der beiden Halbverteidiger klatschen gelassen hätte. Dieser hätte dann die Möglichkeit gehabt, die gegnerische Hälfte anzudribbeln und für eine Überzahl im Halbraum zu sorgen. In weiterer Folge hätte man so einen Rapidler aus der Manndeckung herauslocken können, um einen weiteren freien Mann zu lukrieren und die Abwehr der Rapidler zu knacken. Allerdings fehlte hier meist das Offerieren der Verteidiger Schuiteman und Boateng als 3. Mann.


Dieser Screenshot zeigt die einzige Aktion in der Feyenoord über den sich als 3. Mann offerierenden Halbverteidiger in die gegnerische Hälfte kombinierte. Die dadurch erreichte numerische Überlegenheit auf der ballstarken Seite bzw. im Halbraum hätte Räume öffnen können.

Um eine Überzahl im Zentrum zu herstellen zu können, positionierte sich Koeman mit Fortdauer der ersten Halbzeit hinter den beiden Angreifern Rapids, Jancker und Stumpf, um dort den Ball von einem seiner Kollegen aus der nominellen Dreierkette zu erhalten. Dies hatte zur Folge, dass sich die beiden zentralen Mittelfeldspieler van Gastel und van Bronckhorst etwas höher positionieren und die beiden gegnerischen Mittelfeldspieler, Kühbauer und Stöger, binden konnten. Es ergab sich also eine 3-gegen-2-Überzahl im Zentrum (van Gastel, van Bronckhorst und Koeman gegen Kühbauer und Stöger) aus der Feyenoord allerdings aufgrund der aufopfernden und tapferen Abwehrleistung Rapids bzw. der mangelhaften Positionierung im letzten Drittel ebenfalls kein Kapital schlagen konnte. Einer der gefährlichsten Offensivaktionen der Rotterdamer war ein Weitschuss von Koeman, den Konsel ohne Probleme bändigen konnte.

Ein weiteres auffälliges Element im Spiel der Niederländer war die Tatsache, pro Seite nur einen Breitengeber zu positionieren, um eine numerische Überlegenheit im Zentrum herstellen zu können. Hier agierten sie mit einer Asymmetrie: Während auf der linken Seite der spätere Austrianer und Admiraner Tomasz Iwan das Spielfeld breit machte, war es auf der gegenüberliegenden Seite Gaston Taument, der sich am Flügel positionierte. Der nominelle rechte Mittelfeldspieler und heutige Leverkusen-Trainer Peter Bosz rückte des Öfteren in den Halbraum um den direkten Passweg der Innenverteidiger auf den breit positionierten Taument freizumachen und so dessen direkten Gegenspieler Peter Guggi aus seiner Position herauszulocken. Der Raum, der sich dahinter ergab, wurde dann von Bosz attackiert, um den Durchbruch auf dem Flügel zu erzielen.

Alternativ dazu versuchten Taument und Bosz mittels Doppelpasses in eine aussichtsreiche Flankenposition zu kommen. Doch Peter Guggi erwischte auf der linken Abwehrseite Rapids einen sehr guten Tag und ließ Taument kaum zur Geltung kommen. Hinzu kommt noch das konsequente Absichern von Libero Ivanov, sowie das konsequente Verfolgen von Bosz‘ direktem Gegenspieler Stephan Marasek. So tat sich Feyenoord schwer, in aussichtsreiche Flankenpositionen zu kommen und die Stürmer im Zentrum mit Bällen zu versorgen.


Der Raum hinter Guggi wurde entweder von Bosz direkt angelaufen oder durch einen Doppelpass zwischen Taument und Bosz attackiert. Das disziplinierte Abwehrverhalten Rapids machte den Durchbruch allerdings quasi unmöglich.

Rapid fokussiert sich auf das Umschaltspiel – und sucht seine Türme

Wie bereits erwähnt, überließ Rapid seinen Gästen weitgehend das Kommando über das Spielgeschehen, indem sie in der eigenen Hälfte auf das Eindringen des Gegners warteten. Zu dieser Zeit war das Pressing in der Form, in der wir es heute kennen bei weitem noch nicht so ausgereift, eine solche Vorgehensweise gegen den Ball zu dieser Zeit üblich. Die Manndeckung der Hütteldorfer war sehr konsequent, so dass man das eine oder andere Mal auch einen der Verteidiger Rapids den sich fallenlassenden Stürmer bis auf Höhe der Mittellinie begleiteten und Druck ausübten.


Michael Hatz steht als Manndecker in dieser Aktion höher als die eigene Mittelfeldreihe, um den sich weit fallenlassenden Stürmer Larsson zu verfolgen. Ein Paradebeispiel für die mannorientierte Defensivausrichtung Rapids.

Die Grün-Weißen lauerten auf den Ballgewinn in der eigenen Hälfte, um dann die entstandenen Räume im Umschaltspiel zu nützen. Die Struktur der Konterangriffe schien klar: Über die schnellen Heraf und Marasek soll der Durchbruch über die Flügel gelingen, welche die beiden kopfballstarken Stürmer Jancker und Stumpf mit Flanken versorgen sollten. Darüber hinaus fiel auf, dass sich die Manndecker nach Ballgewinn situativ in den Konter einschalteten. Vor allem Michael Hatz war das eine oder andere Mal in diesen Situationen in der gegnerischen Hälfte zu finden.

Auch Peter Stöger konnte sich des Öfteren mit einem seiner Tempodribblings in Szene setzen. Dank seiner Schnelligkeit, dem eher passiven Zweikampfverhalten des Gegners sowie kluger Freilaufbewegungen der Mitspieler, die dadurch ihren direkten Gegenspieler mitzogen, um mehr Raum mit Tempo anrauschenden Stöger zu schaffen, konnte auch er dem Spiel in einigen seiner Aktionen den Stempel aufdrücken.

Eine Problematik bei den Angriffen Rapids ergab sich in der Besetzung der ballfernen Seite. Wenn die Hütteldorfer ihre Angriffe über die rechte Seite aufbauten, positionierte sich der nominelle linke Mittelfeldspieler Stephan Marasek meist im Zentrum oder im ballfernen Halbraum. Man konnte den Gegner so zwar auf die ballstarke Seite locken, allerdings war eine Spielverlagerung aufgrund dieser fehlenden Besetzung nicht möglich, da auf der ballfernen Seite schlicht und ergreifend kein Breitengeber vorhanden war.


Der Raum hinter Marasek ist völlig verwaist. Dem Gegner wird somit ermöglicht, kompakt auf der ballstarken Seite zu verteidigen ohne eine Spielverlagerung befürchten zu müssen.

Bei Ballverlust gab es für die Rapidler nur eines: Sofortiges Umschalten auf Defensive. Alle Spieler kamen so schnell wie möglich hinter den Ball, um sich in ihrer Grundordnung aufzustellen und die direkten Gegenspieler von dort aus zu erwarten und zu begleiten. Ab und an waren auch kurze Gegenpressingmomente zu erkennen, indem der am nächsten zum Ball positionierte Spieler der Heimischen nach Ballverlust für kurze Zeit Druck auf den ballführenden Spieler ausübte.

Natürlich existierte Gegenpressing zu dieser Zeit weder als Begriff an sich, noch als taktisches Element. Aus heutiger Sicht ist dieser Aspekt aber durchaus interessant zu beobachten. Dadurch das dieser Gegenpressingimpuls eher willkürlich und nicht strukturiert praktiziert wurde, war auch die Absicherung der Kollegen dahinter quasi nicht vorhanden. Sie waren eher bemüht, zurück in die Grundformation zu kommen um von dort aus geordnet zu verteidigen.

Mit ihrer spielerischen und technischen Qualität konnte sich Feyenoord dadurch oft aus diesen minimalen Drucksituationen befreien. Was damit auf jeden Fall erreicht wurde war dem gegnerischen Konter die Geschwindigkeit zu nehmen bzw. die eigenen Kollegen zurück in die defensive Grundordnung kommen zu lassen.

Im Spielaufbau agierte Rapid kompromisslos und geradlinig. Jeder ruhende Ball aus der eigenen Hälfte wurde lange in Richtung der beiden Türme im Angriff, Carsten Jancker und Christian Stumpf geschlagen. Fallweise wurde auch Andreas Heraf gesucht, der zwar als kopfballstark galt, aufgrund seiner fehlenden Größe in diesem Spiel aber doch seine Probleme in den Luftduellen hatte. Primärer Zielspieler war der lange Jancker, der den Ball dann auf den dahinter tiefgehenden Christian Stumpf verlängern sollte. Das Problem hierbei war, dass die beiden Feyenoord-Verteidiger, die den ins Kopfballduell gehenden Spieler sicherten, dahinter oft eine 2-gegen-1-Überzahl hatten. Durch geschicktes Fallenlassen bzw. gutes Absichern hatte der Empfänger der Kopfballverlängerung meist keine Chance an den Ball bzw. vor das gegnerische Tor zu kommen. Es folgte der Ballverlust und die Gäste konnten wiederum mit dem Aufbau eines neuen Angriffs starten.


Stumpf antizipiert die Kopfballverlängerung Janckers, allerdings sichern Koeman und Boateng gut ab. Im ‚Sandwich‘ der beiden Feyenoord-Verteidiger hatte es Stumpf schwer den zweiten Ball zu ergattern.

Die einzige Aktion, die nach diesem Angriffsmuster zu einer Torchance führen sollte, bescherte Rapid in der 32. Minute das 2:0 und somit die Vorentscheidung in diesem Duell. Trifon Ivanov schlug einen Freistoß aus der eigenen Hälfte auf Jancker. Der hatte keine Mühe den Luftzweikampf gegen Schuiteman zu gewinnen und den Ball in Richtung des den Raum dahinter attackierenden Stumpf zu verlängern. Prinzipiell sicherte die Gästeabwehr das Kopfballduell in Person von Koeman und Boateng erneut gut ab. Letzterer stolperte allerdings beim Versuch, den Ball abzulaufen, wodurch der ‚Büffel‘ plötzlich allein vor Keeper Ed de Goey auftauchte und den Ball gefühlvoll über diesen hinweg ins Tor hob. Ein schönes Tor, das in seiner Entstehung äußerst simpel, aber sehr effektiv war.

Feyenoord’s Angriffsversuche scheitern – Rapid spielt Sieg nach Hause

Kurz nach dem 2:0 folgte auch schon der dritte Treffer der Heimischen. Dies kann sowohl in der Entstehung als auch im Abschluss als das schönste Tor des Spiels betrachtet werden. Nach einem Einwurf in der eigenen Hälfte spielten Marasek, Stöger und Kühbauer ein Drei-gegen-Drei am linken Flügel gegen Bosz, van Gastel und van Bronckhorst in beachtlicher Manier aus und konnten sich so aus der Drucksituation befreien. Vor allem die intelligente Freilaufbewegung Maraseks im Rücken der Gegenspieler ist hier positiv hervorzuheben.


Maraseks kluge Freilaufbewegung im Rücken der Gegner just in jenem Moment, als sich diese komplett auf den ballführenden konzentrierten, war der Grundstein des schönsten Treffers in diesem Spiel.

Die ballstarke linke Seite wurde also überladen und durch die Mannorientierung der beiden zentralen Mittelfeldspieler von Feyenoord war die Spielfeldmitte völlig unbesetzt. Dies ermöglichte es Marasek exakt in diesen Raum diagonal mit Tempo zu dribbeln, um schließlich den am rechten Flügel sprintenden Heraf in Szene zu setzen. Dieser schlug mit dem ersten Kontakt eine Flanke in den Strafraum, die erneut Carsten Jancker mit einem sehenswerten Seitfallzieher ins gegnerische Tor bugsierte. 3:0 – das Spiel war bereits in der 35. Minute zugunsten des Underdogs entschieden.

Der Spielverlauf war natürlich ganz nach dem Geschmack Rapids. Feyenoord war nun gefordert. Rapid hatte nun keine Not mehr, viel zu riskieren und blieb seinem ursprünglichen Matchplan treu. Es wurde weiterhin tief verteidigt und auf Konter gewartet. Die Probleme der Gäste sollten sich bis zum Pausenpfiff nicht lösen.

In der Halbzeit reagierte Feyenoords Trainer Arie Haan und wechselte den linken Mittelfeldspieler Tomasz Iwan aus. Für ihn kam Stürmer Michael Obiku. Van Bronckhorst wanderte ins linke, Henrik Larsson ins zentrale Mittelfeld. Obiku agierte als Angreifer primär im linken Halbraum, den Larsson in der ersten Halbzeit besetzt hatte.

Am Charakter des Spieles sollte sich in den zweiten 45 Minuten nicht viel ändern: Feyenoord war stets bemüht, seine Angriffe kontinuierlich aufzubauen, Rapid ließ den Gegner kommen und wartete auf den Ballgewinn. Mit Fortdauer des Spieles merkte man den Hütteldorfern stetig steigendes Selbstvertrauen an, die Konter wurden nicht mehr so geradlinig wie noch im ersten Durchgang gespielt. Stattdessen drehte der ballführende Spieler das eine oder andere Mal ab und die Heim-Elf forcierte das kontinuierliche Kombinationsspiel im Mitteldrittel ohne dabei nach vorne gefährlich zu werden. Bis auf einen Abschluss von Christian Stumpf gegen Ende der Partie gab es keine nennenswerte Chance für den österreichischen Rekordmeister.

Aber auch der prominente Gast hatte weiterhin Probleme Torchancen zu kreieren. Die Angriffe, die ein ums andere Mal aus der Abwehrkette aufgebaut wurden, verpufften spätestens an der letzten Linie. Die Hauptgründe dafür war das disziplinierte Defensivverhalten Rapids, die sich in einen wahren Rausch verteidigten und die entscheidenden Zweikämpfe für sich entscheiden konnten. Zusätzlich standen sich die Spieler Feyenoord aufgrund ihrer Ungenauigkeit im Passspiel selbst im Weg. Die meisten Angriffe verpufften somit völlig. Dabei wäre mit der Einwechslung Obikus ein wenig mehr Variabilität ins Positionsspiel der Niederländer gekommen, indem der Nigerianer immer wieder in den Halbraum einrückte, um sich von der letzten Linie dann in das zentrale Mittelfeld fallen zu lassen und seinen direkten Bewacher aus dessen Position zog. Den sich dahinter öffnenden Raum konnte Feyenoord allerdings aufgrund der genannten technischen Ungenauigkeiten nicht nutzen.

So kam es, dass die gefährlichste Offensivaktion der Mannen von Arie Haan einer Einzelleistung von Gaston Taument auf dem rechten Flügel vorausging, bei der er seinen direkten Gegenspieler Peter Guggi das erste und einzige Mal in diesem Spiel im Eins-gegen-Eins abschütteln und den Ball zur Mitte flanken konnte. Der an diesem Abend ebenfalls stark spielende Michael Konsel, der immer zur Stelle war, wenn er gebraucht wurde, konnte die Hereingabe jedoch abfangen. Ansonsten wurden die Gäste nur durch Distanzschüsse gefährlich. Der tiefe Abwehrblock der Grün-Weißen war für die Rotterdamer an diesem Abend einfach nicht zu knacken.

Fazit

Mit einer disziplinierten, kompromisslosen und aufopferungsvollen Defensivleistung sowie dem notwendigen Quäntchen Spielglück konnte der SK Rapid als krasser Außenseiter Feyenoord Rotterdam mit 3:0 besiegen. Man verdichtete geschickt die eigene Hälfte und ließ dem Gegner in den gefährlichen Zonen keine Luft zum Atmen. Was das Umschaltspiel und den Spielaufbau betrifft, agierte man mit geradlinigen Methoden. Speziell bei Kontern konnte man immer wieder Gefahr ausstrahlen. Feyenoord hingegen erwies sich an diesem Tag als unsauber im Positions- und im Passspiel und konnte den Hütteldorfern so kaum gefährlich werden.

(mt), abseits.at

Weiterer Lesetipp: Auch 90minuten.at hat das Halbfinalrückspiel von 1996 zwischen Rapid und Feyenoord vor wenigen Tagen analysiert.

Mario Töpel