Jakob Jantscher: Von der Glitzerwelt ins Bergarbeiterstädtchen
Sonstiges 2.August.2024 Philipp Braunegger
Nach einem Jahr in Hongkong ist Jakob Jantscher zurück in Österreich. Mit Zweitliga-Aufsteiger Voitsberg will er in der Meisterschaft eine gute Rolle spielen. Hier spricht die Sturm-Graz-Legende über seine sportlichen Ambitionen, die aufstrebenden Voitsberger und Erinnerungen an Hongkong, wo das ganze Jahr „Christkindlmarkt“ ist.
Jakob Jantscher wirkt entspannt, als er sich mit abseits.at zum Gespräch in einem Grazer Cafe trifft. Der 35-Jährige ist nach einem Jahr in Hongkong bei Kitchee zurück in seiner Heimat. Seiner sportlichen wie persönlichen. Doch es wäre nicht Jakob Jantscher, wenn er sich nicht eine neue Herausforderung gesucht hätte. ASK Voitsberg heißt diese. Aufsteiger in die Zweite Liga. Bergarbeiterstadt mit 9700 Einwohnern statt glitzernde asiatische Megametropole mit über 7 Millionen ebensolchen. Am Freitag geht’s daheim gegen Amstetten los. Jantscher hat sich schnell akklimatisiert. „Ich fahr von daheim 25 Minuten nach Voitsberg, kenne viele Leute im Verein. Meine Mitspieler Fabian Ehmann, Philipp Seidl oder Andreas Pfingstner etwa, oder Co-Trainer Gernot Suppan, Reha-Coach Bernd Prorok und Video-Analyst Sebastian Szvetits. Und natürlich Präsident Michael Münzer, er war ja zu meiner Zeit bei Sturm im Vorstand und hat sich jetzt sehr um mich bemüht.“
Mit der Jantscher-Verpflichtung ist den Weststeirern ein echter Coup gelungen, sie haben jetzt den prominentesten Kicker der Liga in ihren Reihen. Seine Rolle im Team sieht „JJ“ nüchtern aber klar: „Ich werde die gleiche Rolle spielen, wie bei meinen anderen Vereinen. Ich bin ein ganz normaler Kicker und als solcher Teil eines Mannschaftsgefüges. Wenn es was zu kritisieren gibt, werde ich das ansprechen. Wenn jemand Hilfe braucht, bin ich der erste, der unterstützt.“ Von seinem neuen Umfeld ist die Sturm-Graz-Legende mehr als angetan: „Für einen Profi sind die Gegebenheiten ideal, du musst dich um nichts kümmern. Der medizinische Staff ist professionell, die Kraftkammer top ausgestattet und der Rasen ein Traum. Das Stadion wurde zuletzt ja umfangreich umgebaut und ist richtig schön geworden.“ Doch ankommen wird’s auf’s Sportliche, das weiß auch Jantscher: „Ich denke, dass wir eine Mannschaft haben, die in der Liga absolut bestehen kann. Hier ist unglaublich viel Potenzial drin. Trainer David Preiß hat, seit dem er hier ist, eine harmonierende, ausgeglichenen Mannschaft entwickelt die nach Höherem strebt. Wir spielen einen dynamischen Fußball, die Automatismen stimmen und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir eine gute Rolle in der Liga spielen werden.“ Und Jantscher geht davon aus, dass die Entwicklung der letzten Jahre „weiter Fahrt aufnehmen wird, alles rund um den Verein noch um eine Stufe besser werden wird, erst recht am Spielfeld.“ Doch er weiß auch, dass es eine Umstellung von der Regionalliga auf die Profiebene werden wird: „Für die meisten Jungs wird die Zweite Liga eine neue Welt. Das Fernsehen ist da, viele Zuschauer, die Stadien sind groß. Das ist schon eine andere Hausnummer, als wenn du gegen Wallern oder so kickst.“ Aber, sagt Jantscher, die Voitsberger werden die neue Bühne als auch Plattform verstehen, auf sich aufmerksam zu machen. „Das kann einem dann einen ordentlichen, positiven Schub geben.“ Auch für ihn selbst wird die Liga 2 ein neues Umfeld sein. „Deswegen maße ich mir auch noch kein dezidiertes Urteil über die Liga an.“
Ein Blick zurück. Nach drei Meistertiteln und fünf Cupsiegen in Österreich, 23 Länderspielen, 56 Europacuppartien und Auslandsstationen in Russland, den Niederlanden, der Schweiz und der Türkei zog es Jantscher vor einem Jahr nach Hongkong zu Kitchee. Mit dem Verein trat er in der asiatischen Champions League an, gewann den Senior Challenge Shield. Im Rückblick ist Jantscher froh, vor zwölf Monaten diesen Schritt gewagt zu haben. „Ich habe mit Kitchee in sechs asiatischen Ländern gespielt. An Orten wo du normalerweise als Kicker nicht hinkommst: Bangkok oder Singapur etwa. Ich habe mit der Hongkong-Auswahl gegen Inter Miami gespielt. Das waren schon Erfahrungen, die viel Wertigkeit haben.“ Aber auch abseits des Rasens war das Abenteuer Hongkong eine Zeit, die Jantscher nicht missen will: „Du lebst in einer Art futuristischen Bubble. Es scheint, als ob die Asiaten den Europäern in allem voraus sind. Egal ob moderner Technik oder Bauwesen. Es gibt die weltweit höchste Dichte an Wolkenkratzern in Hongkong, meine Familie und ich haben im 62. Stock gewohnt! Ich hatte bis zur der Zeit ja immer wieder mal mit Höhenangst zu kämpfen, aber das hat sich dadurch fast komplett erledigt. Und wenn du dann da oben aus dem Fenster schaust, hinunter auf all das Glitzern und Leuchten, dann kommt es dir vor, als sei die Stadt ein riesiger Christkindlmarkt. Nur eben das ganze Jahr.“
Abgegangen ist Jantscher in der Ferne trotzdem einiges. Das mitteleuropäische Wetter beispielsweise. „Du hast dort teils eine Luftfeuchtigkeit von hundert Prozent. Und wenn du dann kickst, kannst dir vorstellen, was das bedeutet. Nach Spielen verlierst du bis zu zwei Kilo Wasser. Deswegen spüre ich die sommerliche Hitze hier auch nicht wirklich, denn in Hongkong weht kein Lüfterl.“ Dafür war die Familie Jantscher zur Zeit ihrer Ankunft gleich mit gigantischen Taifun-Böen konfrontiert, es gab riesige Überschwemmungen, „alles war dicht in der Stadt„. Auch als Eltern (Tochter Alma. Sohn Finn) war es für ihn und Gattin Andrada nicht immer einfach. „Unser Sohn ist mit seinen fünf Jahren allein mit dem Schulbus in den Kindergarten gefahren. Durch ganz Hongkong, einem Ort, wo er vorher noch nie war. Du musst das so machen, so ist es dort vorgesehen. Für uns alle war das eine Umstellung. Aber wir haben auch gesehen, wie schnell die Kinder in diesem Alter lernen. Für Finn war das Busfahren kein Problem, er hat dich darauf gefreut. Und Alma ging in die schweizerisch-deutsche Schule und spricht jetzt so gut wie fließend Englisch. Was ich dort für mich mitgenommen ist, dass wir unseren Kindern durchaus mehr zutrauen sollten, als wir es hier bei uns manchmal machen.“
Zurück zur Gegenwart. Die heißt für Jantscher nicht nur Fußball mit Voitsberg, sondern auch Landwirtschaft in Gnaning, jenem Ort, in dem er lebt und wo er eine 5,5 Hektar große Bio-Landwirtschaft betreibt. „Wir stellen beispielsweise Säfte, Essig und Gebranntes her.“ Die Jantschers haben sogar einen eigenen Markennamen entwickelt: „Faja“ (Finn-Alma-Jakob-Andrada). Unter faja.at kann man die Produkte der Obstmanufaktur bestellen. „Diese Arbeit erdet mich. Und sie gibt Kraft.“ Kraft, die Jakob Jantscher für sein nächstes Abenteuer braucht. Voitsberg, Zweite Liga. Wer Jantscher kennt, weiß, dass er diese Herausforderung genauso fokussiert angehen wird wie alle in seinem Leben zuvor.
Philipp Braunegger für abseits.at
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