Issiaka Ouedraogo bekam im Frühling 2013 einst ungefragt ein volles Bier vom Block West serviert als er sich anschickte nach dem Ausgleichstor gegen Rapid... Anekdote zum Sonntag (191) – Let’s dance

Tormann ParadeIssiaka Ouedraogo bekam im Frühling 2013 einst ungefragt ein volles Bier vom Block West serviert als er sich anschickte nach dem Ausgleichstor gegen Rapid an der Eckfahne direkt vor den Anhängern des Rekordmeisters ein Freudentänzchen hinzulegen. Der burkinisch-österreichische Stürmer tippelte einige Michael-Jackson-Gedenkschritte vor sich hin, die Fans waren außer sich und bespritzen den Spieler mit Getränken und bewarfen ihn mit Gegenständen. Der damalige SCR-Trainer Schöttel fand nach dem Match die Chuzpe den Admira-Angreifer für seine Einlage zu kritisieren: So juble man nicht auf dem Platz des Gegners, meinte Schöttel. Man ist eher geneigt zu sagen: So benimmt man sich nicht, liebe Rapid-Fans! Ouedraogo jedenfalls nahms locker: „Ich trink‘ eh kein Bier. Das ist das Rapid-Stadion und das muss man leider akzeptieren.“ Rund zwanzig Jahre zuvor blieb Austria Salzburg-Tormann Otto Konrad nicht ganz so cool wie der Stürmer, als er mit einer Eisenstange, die hinter seinem Tor gelandet war, auf den Schiedsrichter zusprintete. „Die sind ja depatt da hinten!“, brüllte Konrad außer sich und deutete auf die Hardcore-Rapidler, die direkt hinter ihm standen.

Bei den Violetten aus der Mozartstadt verlebte der gebürtige Steirer damals seine erfolgreichste Zeit: Die Salzburger Austria holte in diesen Jahren zwei Meistertitel und stand im Endspiel des UEFA-Cups 1994. Am Erreichen dieses Erfolges war Konrad durch das Parieren von zwei Elfmetern im Viertelfinale gegen Frankfurt maßgeblich beteiligt. Anfang der 90er gewann der Schlussmann auch zweimal die Krone-Fußballerwahl und war für kurze Zeit Stammtorhüter des ÖFB-Teams.

Begonnen hatte Konrad ursprünglich als Feldspieler beim Grazer SC. Als dort einmal der Keeper ausfiel, wechselte der 1964 Geborene zwischen die Pfosten. Konrad zeigte Talent und bald sollte Rivale Sturm die Fühler nach dem gelernten Bandagisten ausstrecken. Das traf sich gut, denn der Tormann war in Graz-Jakomini aufgewachsen und früh Fan der Schwoazn geworden: „Schon als wir im Nachwuchs gegen den GAK gespielt haben, war immer eine zusätzliche Motivation da.“ Konrad arbeitete sich von der Nummer Vier in die „starting eleven“ hoch und sollte bis 1991 den Kasten der Grazer bewachen. „Ich gebe es ehrlich zu, als Tormann muss man egoistisch sein. Man muss mehr allein trainieren und braucht eine gewisse Einstellung.“, charakterisierte er seinen Beruf. Nach zwei Jahren in Spanien bei Real Saragossa ließ Otto Konrad seine Karriere schließlich u.a. in Leoben oder bei Sturms Erzrivalen, dem GAK, ausklingen.

Am 24. August 1990 spielte Konrad mit Sturm gegen den DSV Leoben in einem steirischen Regionalderby. Die Hausherren ließen dem Kultverein keine Chance und führten schon nach 50 Minuten mit 3:0. Als Sturm schließlich einen Elfmeter zugesprochen bekam, stürmte der 25-jährige Konrad zum gegnerischen Tor und bestand darauf zu schießen. Tatsächlich verwandelte Otto den Strafstoß, lief sofort zu jener Eckfahne, die sich direkt vor der Kantine der „Gruab’n“ befand und wo stets der harte Kern der Anhängerschaft gruppiert war, und zelebrierte seinen Treffer mit einem Freudentanz. Die Fans flippten aus. Konrad packte die Cornerfahne und schickte sich an eine Art Lambada zu tanzen. Seine Bewegungen waren zwar etwas improvisiert, den Sturm-Fans schien es aber zu gefallen. Auch Ottos Kollegen, die ihrem Tormann gratulieren wollten, konnten sich ob dieser Tanzeinlage ein Grinsen nicht verkneifen.

Inspiriert war Konrads Freudentanz von Roger Milla: Der kamerunische Angreifer hatte wenige Wochen zuvor bei der WM-Endrunde in Italien jeden seiner Treffer mit einem traditionellen „Makossa“-Tanz gefeiert. Kamerun kam damals bis ins Viertelfinale und der 38-jährige Milla wurde weltberühmt. „Es war eine unglaubliche Freude für mich und meine ganze Familie, für meine Freunde und für alle Kameruner und Kamerunerinnen.“, erinnert sich die ehemalige Nummer 9. Das dachte sich wohl auch Konrad: Sein Pseudo-Lambada war nach dem 6:1 gegen Leoben noch tagelang Stadtgespräch in Graz. Es sollte nicht das einzige Mal bleiben, dass Konrad einen Treffer erzielte, anstatt welche zu verhindern: Am 29. Oktober 1994 köpfelte er in der 90. Minute den Ausgleich gegen den FC Linz und krönte sich somit zum ersten Bundesligatormann, der aus dem Spiel heraus ein Tor erzielte.

31 Jahre nach seinem „falschen“ Lambada in der Gruab’n wollte Konrad am Küniglberg die richtige Version des brasilianischen Paartanzes in der ORF-Unterhaltungsshow „Dancing Stars“ hinlegen, er wurde jedoch zuvor per Votum aus der Sendung verabschiedet: „Ein bisschen Enttäuschung ist schon dabei, ich hätte noch gerne den Lambada nächste Woche getanzt. Ich glaube, dass da dem Publikum etwas entgeht, da hatten wir schon einige Ideen.“, seufzte der Ex-Tormann vor circa zwei Jahren. Eines ist aber sicher: Ein so stürmisch jubelndes Publikum wie damals in Graz hätte Konrad sowieso nicht vor sich gehabt. Das gab und gibt es nur am Fußballplatz.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag