Am Sonntag steht das 341. Wiener Derby auf dem Programm und angesichts der aktuellen Tabellensituation der beiden Mannschaften steht bei dieser prestigeträchtigen Begegnung einiges... Derby-Vorschau: Wiener Klubs im Prestigeduell um wichtige Punkte

Am Sonntag steht das 341. Wiener Derby auf dem Programm und angesichts der aktuellen Tabellensituation der beiden Mannschaften steht bei dieser prestigeträchtigen Begegnung einiges auf dem Spiel. Besonders die Wiener Austria steht unter Druck, da nach acht Runden lediglich fünf Punkte erbeutet wurden. Die Gäste aus Hütteldorf befinden sich mit zehn Punkten allerdings auch aktuell knapp unter dem Strich.

Austria in der Krise – Goalgetter Tabakovic nicht zu ersetzen

Die Situation bei der Wiener Austria liest sich verheerend. Neben den chronischen finanziellen Sorgen befindet sich die Mannschaft von Trainer Michael Wimmer in einer veritablen Krise und konnte von den letzten acht Pflichtspielen lediglich das Cup-Spiel gegen St. Anna/Aigen für sich entscheiden. Ehemalige Leistungsträger wie Braunöder und Fischer laufen der Form hinterher und ein gleichwertiger Ersatz für Goalgetter Tabakovic, der in der Zwischenzeit für die Hertha BSC Berlin in sechs Liga-Einsätzen sieben Treffer und zwei Assists beisteuerte, wurde nicht gefunden.

Austria-Trainer Wimmer gibt zu, dass die Neuzugänge im Sturm noch Zeit benötigen: „Wir haben zum Glück mehrere Spieler, die Tore schießen können. Ganz vorne klappt das aktuell noch nicht wie gewünscht, aber Alex (Schmidt, Anm.) und Fisnik (Asllani, Anm.) haben mein vollstes Vertrauen. Alex ist mit Trainingsrückstand gekommen. Fisnik muss sich erst an die Härte gewöhnen, er weicht noch zu sehr von der Box aus, bewegt sich viel zwischen den Linien. Wir müssen ihm noch vermitteln, dass wir ihn am dringendsten ganz vorne brauchen. Beide haben Qualität, aber wir müssen beide entwickeln und in Kauf nehmen, dass sie noch ein bisschen brauchen.““

Seit dem Ausscheiden aus der Europa Conference League Qualifikation gegen Legia Warschau läuft es jedenfalls auf dem grünen Rasen nicht mehr rund und zuletzt gingen in der Liga die beiden Auswärtsspiele gegen Hartberg und Altach jeweils mit 1:2 verloren, wobei die Veilchen nach dem Spiel im Ländle zurecht mit den Schiedsrichterentscheidungen haderten.

Beide Teams laufen unter der statistischen Erwartung

Bei den Hütteldorfern sieht die Lage etwas besser aus, allerdings lässt auch dort die Punkteausbeute zu wünschen übrig. Nach einer klaren Niederlage gegen RB Salzburg kam man in den Partien gegen den WAC und den SK Sturm Graz nicht über Unentschieden hinaus, wobei speziell die Leistung gegen den Vizemeister aus Graz Hoffnung macht. Trainer Barisic spricht von einer Ergebniskrise und ein Blick auf die Expected-Points-Tabelle gibt dem Coach in dieser Hinsicht recht:

Hier sehen wir die aktuelle Tabelle. In der Spalte ganz rechts befinden sich die Expected-Points-Werte, die die Vermutung bestätigen, dass die Grün-Weißen unter der statistischen Erwartung laufen.

Laut dem xP-Modell liegt der SK Rapid auf Platz und damit sogar noch vor dem SK Sturm und dem LASK. Hier sehen wir auch, dass die Wiener Austria, ähnlich wie die Grün-Weißen, ebenfalls mehr Punkte auf dem Konto haben sollten.

Auch wenn eine xP-Tabelle nach acht Tagen mit Vorsicht zu genießen ist und keinesfalls den Anspruch an sich stellt eine „wahre Tabelle“ abzubilden, lässt es sich doch bestätigen, dass beide Teams tendenziell unter der Erwartung laufen. Speziell die Wiener Austria steht im Hinblick auf das Erreichen des oberen Playoffs schon unter Druck und muss dringend anfangen Punkte zu sammeln.

Die personelle Situation vor dem 341. Wiener Derby

Bei den Gästen aus Hütteldorf scheint sich die personelle Situation langsam wieder zu entspannen und Coach Barisic hat auf einigen Positionen die Qual der Wahl. Beim kuriosen Cup-Auftritt gegen die Union Gurten gab Thorsten Schick als Einwechselspieler nach längerer Zeit sein Comeback. Wir rechnen jedoch nicht damit, dass er in dem wichtigen Derby einen Startelfeinsatz geben wird und tippen auf Neraysho Kasanwirjo in der Startelf. Der Leihspieler zeigte in einigen Szenen sein Potential und tätigte bereits einige sehr starke Pässe in die Tiefe, allerdings wechseln sich Licht und Schatten ab und der 21-Jährige wirkt noch fehleranfällig.

In der Innenverteidigung stellt sich die Frage, ob Terence Kongolo oder Maxi Hofmann neben Leo Querfeld starten wird. Querfeld spielt eine äußerst starke Saison, erwischte aber gegen die Union Gurten einen rabenschwarzen Tag und wird sich beim Derby stark steigern müssen. Maxi Hofmann spulte während Kongolos Sperre gegen den SK Sturm eine sehr starke Leistung nach seiner langen Verletzung ab und wäre gerade auch im Derby eine Option. Der Innenverteidiger leitete mit seinem Ballgewinn gegen die Grazer sogar den Führungstreffer seiner Mannschaft ein.

Die meiste Auswahl hat der Coach jedoch im zentralen, defensiven Mittelfeld, wo sich die Frage stellt, wer neben dem jungen Nikolas Sattlberger auflaufen wird. Roman Kerschbaum ist nach seiner Verletzung wieder fit und wäre die logische Variante. Allerdings könnte auch Moritz Oswald so wie gegen Sturm die Rolle zwischen Sattlberger und dem offensiven Mittelfeldspieler Matthias Seidl übernehmen, zumal er das gegen die Grazer sehr gut machte. Mit Lukas Grgic gibt es zudem eine dritte Option, die insbesondere in physischer Hinsicht interessant wäre, sollte der Rapid-Coach auf Zweikampfkraft setzen.

Ansonsten stellt sich die Mannschaft von selbst auf. Moormann, Greil und Bajic konnten beim Cup-Spiel gegen Gurten keine Pluspunkte sammeln und sind für das Spiel gegen die Austria keine Option in der Startelf. Rapids größter Trumpf ist die Offensivreihe mit Grüll, Seidl und Kühn, die hinter der Solo-Spitze enorm viel individuelle Qualität in die Waagschale werfen und in zahlreichen Offensivstatistiken ligaweit zur Spitze gehören. Wer sich für diese Statistiken interessiert, darf gerne in den aktuellen 1899fm-Podcast hineinhören, wo mein Kollege Daniel Mandl und ich ausführlich auf einige Werte eingehen.

Hinter einer wichtigen Personalentscheidung steht noch ein kleines Fragezeichen. Guido Burgstaller befindet sich wieder im Mannschaftstraining und die Rapid-Fans sehnen bereits Einsätze des Torschützenkönigs der vergangenen Saison herbei. Der Routinier darf selbst entscheiden, wann er wieder spielt und Zoran Barisic rechnet eher nicht mit einem Einsatz des 34-Jährigen.

Bei der Wiener Austria fällt neben den Langzeitverletzten Ziad El Sheiwi, Florian Wustinger und Marko Raguz Lucas Galvao aufgrund einer gelb-roten Karte aus. James Holland verletzte sich im Cup-Spiel unter der Woche und man ging zunächst davon aus, dass er das Derby verpassen würde, allerdings ist nun sein Einsatz lediglich fraglich, sodass eine Chance besteht, dass der 34-Jährige doch in der Startelf stehen wird.

Nach Galvaos Ausfall dürfte Austrias Dreierkette aus Handl, Martins und Meisl bestehen, wobei Baltaxa statt Meisl den Vorzug erhalten könnte. Als linker Flügelverteidiger wird Guenouche voraussichtlich den Vorzug gegenüber Polster erhalten, da der Neuzugang aus Lustenau defensiv weniger fehleranfällig ist. Polster könnte allerdings in Gegenstößen bessere Entlastung bringen. Auf dem anderen Flügel ist Dauerläufer Ranftl natürlich gesetzt. In der Mittefeldzentrale hängt viel davon ab ob Holland rechtzeitig fit wird. Fischer und Braunöder konnten in dieser Saison noch nicht an die starken Leistungen aus der Vorsaison anschließen.

Bei der Dreierkette im Sturm sollten Gruber und Fitz gesetzt sein. Als Mittelstürmer könnte statt Leihspieler Asllani auch der quirlige Muharem Huskovic beginnen, der im Spiel vor seinem Autounfall im Oktober 2022 beim 2:1-Sieg gegen den SK Rapid einen Treffer erzielte. Wir rechnen allerdings eher damit, dass er so wie zuletzt gegen Hartberg und Altach von der Bank kommen wird.

Für den SK Rapid spricht die etwas bessere Form – zumindest solange die Mannschaft mit dem ersten Anzug aufläuft. Beim Cup-Spiel gegen Gurten sah man deutlich, dass es ein starkes Leistungsgefälle gibt, wenn speziell in der Offensive die individuellen Qualitäten von Seidl, Kühn und Grüll fehlen. Für die Veilchen spricht vor allem die jüngste Bilanz in den direkten Begegnungen. Der SK Rapid gewann zuletzt am 1.9. 2019 ein Wiener Derby.

Wo sind all die Spieler hin?

Eine kuriose Statistik zum Abschluss: Man sieht wie schnelllebig das Fußballgeschäft ist, wenn man sich die Mannschaften von damals ansieht. Von den 36 Spielern, die 2019 für den Spieltagskader von den beiden Mannschaften genannt wurden, werden insgesamt nur zwei Akteure am Sonntag dabei sein: Austria-Innenverteidiger Johannes Handl und Rapid-Ersatztormann Paul Gartler. Auch die Trainer waren mit Ilzer und Kühbauer natürlich nicht die gleichen, die diesem Sonntag um die wichtigen drei Punkte kämpfen werden.

Stefan Karger