Beim SK Rapid Wien ist wieder mal Feuer am Dach: Das 1:2 in Wolfsberg war das fünfte Bundesligaspiel in Folge ohne Sieg. Die Art... Keine Spielphilosophie und taktische Fehlentwicklungen: Schöttel muss härter werden, weil Rapid bereits funktionieren muss!

Peter SchöttelBeim SK Rapid Wien ist wieder mal Feuer am Dach: Das 1:2 in Wolfsberg war das fünfte Bundesligaspiel in Folge ohne Sieg. Die Art und Weise der Niederlage lässt die Alarmglocken schrillen und eröffnet den nächsten Kriegsschauplatz in Grün-Weiß. Diesmal in der Schusslinie: Trainer Peter Schöttel.

Die Kommunikation der letzten Wochen verlief unglücklich: Nach der bitteren Derbyniederlage und dem 3:3 in Salzburg verwies Peter Schöttel mit einem „schwerere Gegner kommen nicht mehr“ auf die nächsten Spiele. Genau eine Woche später steht Rapid weiterhin ohne Frühjahrserfolg da und blamierte sich in Wolfsberg bis auf die Knochen. Der in Unterzahl befindliche Aufsteiger ließ gegen Rapid nur eine einzige Chance zu und gewann ungefährdet mit 2:1.

Perfekter Start in Grün-Weiß – danach pures Chaos

Rapid startete gut ins Spiel gegen den WAC, ging nach einer guten Aktion durch Guido Burgstaller in Führung –  und vergaß, wie so oft, nachzulegen. Rapid blieb in weiterer Folge harmlos, konnte keine weiteren Chancen herausspielen und kassierte aufgrund von defensiven Zuteilungsfehlern zwei Treffer, die schließlich die zweite Frühjahrsniederlage besiegeln sollten.

Kaum Automatismen

Die Hilflosigkeit mit der eine numerisch überlegene Rapid-Elf beim Aufsteiger agierte, ist nicht nur das Resultat der Jugend (immerhin 6 von 11 Akteuren aus der Startelf waren 25 oder jünger, am Ende waren’s 7 von 11). Die Unfähigkeit sich gegen ein tief stehendes, destruktiv verteidigendes Team Torchancen herauszuarbeiten, ist auch ein Problem fehlender Automatismen. In Rapids Offensivspiel gibt es durchaus viel Bewegung, diese erfolgt aber ohne erkennbarer Struktur. Die Spieler versuchen sich ohne Ball viel zu bewegen und einen großen Aktionsradius abzudecken, jedoch sind „selbstverständliche“ bzw. automatische Bewegungen, die der Mitspieler auch vorahnen würde, ohne hinzusehen, Mangelware.

Zwei Viererketten genügten dem WAC um Rapid abzuwehren

Aufgrund dessen war der SK Rapid am gestrigen Tag auch für neun Wolfsberger recht einfach zu verteidigen. Die Kärntner platzierten sich vor dem Strafraum in zwei Viererketten, die in etwa fünf bis acht Metern Abstand agierten und versetzte Positionen vorwiesen, sodass die Schnittstellen weitestgehend geschlossen waren. Mit Ruben Rivera und Manuel Kerhe rückten zum Teil sogar Spieler aus der vorderen Kette, um den ballführenden Rapid-Spieler an der Mittellinie zu pressen. Mit zwei Mann weniger ist dies ein riskantes Unterfangen, allerdings erwies sich die mutige Flucht nach vorne gegen eine planlose Rapid-Mannschaft als unbedenklich.

Fragwürdige Wechsel

Schöttel reagierte auf die schwache Vorstellung ab der 60.Minute und brachte Marcel Sabitzer für Deni Alar. Der 22-Jährige legte zwar kein gutes Spiel hin, allerdings beraubte Schöttel sich selbst einer wichtigen offensiven Alternative. Ähnliche Probleme brachte die Herausnahme von Boskovic und Gerson, die durch Wydra und Schaub ersetzt wurden. Zwar spielten auch die beiden Legionäre keine gute Partie, allerdings gilt Boskovic als einer der wenigen Kicker im Team, die für einen spielerischen Überraschungsmoment sorgen können und Gerson spielte nach dem Ausschluss praktisch auf der Sechserposition.

Die beiden besten Passgeber mussten runter

Besonders auffällig: Ausgerechnet Boskovic und Gerson wiesen bis zum Zeitpunkt ihrer Auswechslung die besten Passquoten auf dem Platz auf. Zwar spielten beide kaum tödliche Pässe, sondern mehr in die Breite, aber vor allem Boskovic ist ein Spieler, der verlagernde Bälle spielen und so das gestern dringend notwendige Flügelspiel forcieren könnte. Wydra und Schaub sind große Talente und Ersterer leitete mit einem schönen Lochpass die einzige echte Rapid-Chance in Überzahl durch Burgstaller ein, jedoch kann von den beiden 18-Jährigen nicht verlangt werden, in einer Partie, in der taktische Eigeninitiative gefragt ist, die Kohlen aus dem Feuer zu holen.

Gruppentaktische Probleme

Nach einer Leistung wie der gestrigen muss sich bei Rapid jeder Spieler hinterfragen – die Wahrheit liegt auf dem Platz und genau dort versagte Rapid gestern. Gräbt man allerdings tiefer, erkennt man auch, dass Rapid nicht gut genug eingestellt wurde. Gerade im Mittelfeld hat Rapid große gruppentaktische Probleme, wenn man selbst das Spiel machen muss. Dies zeigte sich nicht nur gegen Wolfsberg, sondern auch vier Tage zuvor im Heimspiel gegen den SK Sturm.

Austria variabel, aber nicht zu variabel – Rapid oft chaotisch

Der Unterschied zu Tabellenführer Austria: Der Erzrivale aus Wien-Favoriten spielt speziell an den Flügeln „automatisch“ und sorgt mit Hilfe großer Dynamik für zahlreiche Überraschungsmomente – sowohl im Flügelspiel bis zur Grundlinie, als auch in der inversen Spielanlage. Zudem ermöglicht die Staffellung in der Mittelfeldzentrale wesentlich einfachere Dreiecksbildungen. Vereinfacht formuliert: Bei der Austria kennt jeder seine Aufgabe und die Mannschaft spielt nicht zu variabel oder positionsuntreu. Bei Rapid hingegen übernehmen sich die Offensivspieler im Bezug auf ihren Aktionsradius und es besteht kaum Bindung zum zentralen Mittelfeld oder zu den Außenverteidigern. „Automatisch“ geht bei Rapid, im Gegensatz zum Tabellenführer, sehr wenig – speziell wenn es um den Endzweck des Torchancenerarbeitens bzw. Torschießens geht.

Vielversprechender Saisonbeginn – und heute ist nichts mehr zu sehen…

Dies ist ein Problem, das sich wie ein roter Faden durch die letzten Jahre in Grün-Weiß zieht. Die Saison 2011/12 konnte als Übergangssaison betrachtet werden und zu Beginn der Saison 2012/13 wirkte Rapid so, als hätte man endlich eine markante Spielphilosophie entwickelt. Diese wurde jedoch einerseits gegen stärkere Gegner aus Sicherheitsgründen wieder verworfen und zudem im Laufe der Saison nicht weiterentwickelt. Was nach wenigen Runden systematisch und durchdacht wirkte, ist kurz vor Ende des dritten Saisonviertels praktisch nicht mehr vorhanden. Was Schöttel im Rahmen der Sommervorbereitung 2012 kreierte, wirkt bereits im Frühling 2013 wie weggeblasen. Rapid entwickelte sich innerhalb eines halben Jahres mannschafts- und gruppentaktisch zurück.

„Umbau“ ist vorbei – Rapid muss JETZT funktionieren

Hier muss der Trainer sich fachliche Kritik gefallen lassen, denn mittlerweile befindet sich der Rapid-Kader nicht mehr in Wandel und Umbau, sondern sollte bereits nach den Wünschen und Vorstellungen des Rapid-Trainers geformt sein. Die Art und Weise wie dieser Kader, dessen Spieler zweifelsfrei über (Zukunfts-)Potential verfügen, eingestellt wird, zeugt jedoch nicht von Kontinuität in der taktischen Entwicklung oder Selbstreflexion, für den Fall, dass ein Matchplan nicht aufging. Während das erste Saisonviertel mehr Ordnung im Rapid-Spiel mit sich brachte, kickt die Mannschaft seit Oktober nur noch vor sich hin und Schöttel denkt dabei vielleicht zu sehr von Spiel zu Spiel, anstatt ein systematisch agierendes großes Ganzes zu erschaffen, das auch funktioniert, wenn man die Protagonisten um vier Uhr Früh aus ihren Betten scheucht.

Ergebnisse pass(t)en nicht – auch wenn der Trainer das so sieht

Die schärfste Kritik, die aus der breiten Masse kommt: Die nach außen kommunizierten Ansprüche. In einer schwachen Vizemeistersaison, in der Rapid nur 44% seiner Spiele gewinnen konnte, passten laut Peter Schöttel, so der Rapid-Trainer im gestrigen Interview mit der Fernsehstation Sky, „wenigstens die Ergebnisse“. In der Saison 2012/13 steht Rapid bei 50% gewonnenen Spielen, verlor jedoch in der Liga bereits achtmal, steht insgesamt bereits bei 15 Pflichtspielniederlagen. Dennoch hält die nach außen verkörperte Lethargie an und Schöttel wirkte nach der gestrigen Schlappe erneut eher ratlos als kämpferisch. Dass Sportdirektor Helmut Schulte für den SK Rapid wichtig ist, bewies er im Interview mit Sky, in dem er die klarsten Worte fand, die man aus der grün-weißen Ecke in den letzten Monaten bis Jahren vernehmen konnte.

Mit Schöttel bis 2015: Rapid-Trainer muss härter werden

Die laute Wortmeldung von Helmut Schulte wurde aber von Peter Schöttel nicht unbedingt erwidert. Weiterhin scheint beim Rapid-Trainer nach außen hin Ruhe angesagt. Dass Rapid nach dem 1:2 in Wolfsberg ernsthaft darüber nachdenken sollte, wie man speziell gegen qualitativ schwächere Gegner Fußball spielt, erfordert jedoch kein Interview. Knallharte Selbstreflexion ist das, was das Publikum jetzt von einem Trainer erwartet, der für die Zusammenstellung seiner Mannschaft und demnach auch für die taktischen Unzulänglichkeiten verantwortlich ist. Gerade dann, wenn sein Vertrag vor den richtungsweisenden, ersten Frühjahrsrunden verlängert wurde und die Spielphilosophie, die er gedenkt seiner Mannschaft einzuimpfen, bis Sommer 2015 halten soll. Schöttels unveränderte Ruhe lässt den Sturm im Hintergrund jedoch immer heftiger werden…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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