Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (27): Lieber Leo Windtner!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag adressieren wir unseren Brief an den ÖFB-Präsidenten.

Lieber Leo Windtner!

Politiker müssen ihre Volksnähe vor Wahlen gerne mit einem realitycheck unter Beweis stellen: Da werden sie dann gefragt, wieviel ein Liter Milch durchschnittlich kostet oder was man für einen stinknormalen Wecken Brot hinlegen muss. Dir muss man solche Fragen nicht stellen, du lässt dich ohne Aufforderung auf mutige Vergleiche ein: Unlängst hast du in einer Tageszeitung die Preispolitik für das Nationalteamspiel gegen Israel verteidigt: „Das günstigste Ticket um 32 Euro ist durchaus vergleichbar mit einem Kinobesuch.“ Lieber Leo, da hast du dich aber auf Slapstick-Niveau lächerlich gemacht. Für 32 Euro geht eine vierköpfige Familie in ein traditionsreiches Wiener Innenstadtkino und bekommt noch Popcorn dazu.

Aber solche Aussagen gehören leider ins große faux-pas-Buch des österreichischen Fußballverbandes. Der ÖFB ist ein Verein dessen Arbeit nicht gerade für Professionalität und Innovation steht. Auch dein Weg wird von vielen unglücklichen Entscheidungen gepflastert. Das wäre nicht weiter tragisch, denn der Mensch irrt, solange er strebt. Jedoch hat sich über Jahrzehnte der Eindruck einer resistenten Lernunwilligkeit vieler Funktionäre (wohl nicht nur bei mir) manifestiert. Dies hier anzusprechen, würde aber den Rahmen dieses Briefes sprengen. Also kommen wir zurück zum Ticket-Gate. Nachsatz: Es ist leider nicht das erste Mal.

Das geringe Zuschauerinteresse beim letzten Heimspiel der österreichischen Fußballnationalmannschaft hast du nämlich kreativ begründet: „Es hat im österreichischen Fußball seit langem keine Phase gegeben, in der man Topfußball via Vereine quasi ins Haus geliefert bekommen hat – und zwar permanent. Das ist hocherfreulich, daran gibt es keinen Zweifel. Aber das heißt, ein gewisser Übersättigungseffekt ist hier einfach da, weil einmal Liverpool, einmal Sporting Lissabon und einmal Gladbach jeweils gegen eine österreichische Mannschaft geliefert wird.“ Aja. Zwischenfrage: Glaubst du das eigentlich selbst? Fairerweise muss man hinzufügen, dass du in zitiertem Interview – völlig zurecht, wie ich finde – auch die Baustruktur des nicht mehr zeitgemäßen Happelstadions kritisiert hast.

Lieber Leo, es würde mich freuen, wenn du dich als Letztverantwortlicher vor allem darum kümmern würdest, dass die Europameisterschaft, für die wir uns mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit qualifizieren werden, nicht in die Hose geht. Vielleicht kannst du die Euphorie etwas bremsen und so Sorge tragen, dass die ÖFB-Spieler nicht wieder wie geprügelte Hunde heimkommen: Mehr Konzentration auf das Sportliche, bitte. Dafür sollten Verband, Mannschaft und Fans an einem Strang ziehen. Am Anfang stehen da (auch) leistbare Tickets für ein Länderspiel.

Das wünscht sich

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag