Es war ein mehr als dramatisches Cup-Spiel in Wien-Hütteldorf, in dem Red Bull Salzburg aufgrund zweier roter Karten für Rapid den etwas längeren Atem... Analyse: Rapid scheidet nach beeindruckendem Kampf aus

Es war ein mehr als dramatisches Cup-Spiel in Wien-Hütteldorf, in dem Red Bull Salzburg aufgrund zweier roter Karten für Rapid den etwas längeren Atem hatte und in der 121.Minute mit der letzten Aktion einen „Lucky Punch“ erzwang.

Salzburg-Trainer Jesse Marsch schickte sein Team in einem 4-4-2-System aufs Feld und musste mit Haaland und Hwang zwei der besten Spieler der laufenden Saison vorgeben. Didi Kühbauer dachte gar nicht daran, Marschs Formation zu spiegeln und setzte auf ein 5-3-2. Was er damit vorhatte war bereits nach wenigen Minuten klar.

Erstmals seit sechs Wochen wieder mit Dreierkette

Aus einer gesicherten Abwehr heraus sollten die Salzburger ausgekontert werden. Die Defensive der Wiener hatte sich im Laufe der Saison klar stabilisiert und lässt wenig zu, was unter anderem den Formanstiegen von Mateo Barac und der Außenverteidiger geschuldet ist. Gegen den Serienmeister setzte Kühbauer wieder auf eine Variante mit drei Innenverteidigern: Der beinharte Maximilian Hofmann sollte für noch mehr Physis rund um den eigenen Strafraum sorgen.

Defensiv ausgerichtete Zentrale und Konterstürmer

Das Mittelfeld staffelte Kühbauer „zehnerlos“. Schwab und Ljubicic wurden von Velimirovic unterstützt, wodurch es keine klassische Sechs-Acht-Zehn-Staffelung, sondern eine verschwimmende Mittelfeldkonstellation gab. Allgemein agierten aber alle drei Mittelfeldspieler tief und pressten auch erst im defensiven Mittelfeld. In der Spitze sollten Koya Kitagawa und Taxiarchis Fountas für Dynamik sorgen und die Schnittstellen zwischen den Salzburger Innen- und Außenverteidigern bearbeiten.

Engmaschiges Defensivnetz in der Zentrale

Da Rapid von Beginn weg keinen Ball aufgab, funktionierte das Konzept gut. Nicht nur aus Standardsituationen, sondern auch aus den geplanten Konteraktionen kam Rapid zu Tormöglichkeiten und hielt Salzburg vom eigenen Tor fern. Dies gelang vor allem aufgrund des defensiv ausgerichteten Mittelfelds: Die Feldpositionen der Sechser/Achter waren durchschnittlich so tief, dass Rapid formative Kompaktheit erlangte. Die Abstände zwischen Mittelfeld und Abwehr waren gering und so bekam Salzburg in der Zentrale wenig Platz. Da Haaland fehlte, machte flankenlastiges Spiel für die Bullen keinen Sinn und so versuchte man es stets durch die Mitte, wo man sich aber die Zähne ausbiss.

Rapid antwortet schnell auf Salzburger Führung

Erst ein Traumfreistoß von Dominik Szoboszlai brachte Salzburg in Führung. Zuvor präsentierte sich der Meister zwar ballsicher und dynamisch wie eh und je, aber auch ideenlos. Eine Musteraktion über Fountas nützte Rapid aber nur fünf Minuten später zum Ausgleich: Maximilian Hofmann schickte den Griechen ideal in die Tiefe und seinen Stanglpass verwertete der Japaner mit einer guten Antizipationsbewegung und etwas Glück im Abschluss.

Konsequentes Konterspiel mit leichten Verblendungen

Es war das erste Mal, dass das Konzept der weiten Bälle zu 100% funktionierte. In den 55 Minuten davor versuchte Rapid es immer wieder, scheiterte aber zumeist an der eigenen Präzision. Die Fehlerrate bei den direkten Konterversuchen war hoch, aber die Grün-Weißen versuchten es konsequent weiter. Ein wenig verlor man dabei aus den Augen, dass die Salzburger auch Schwächen offenbarten, die konkret bespielbar gewesen wären. Das Spiel Rapids hatte einen markanten Rechtsfokus, während Angriffe über die linke Seite, wo Kristensen eher „alleine“ verteidigte, erfolgsversprechender gewesen wären. Auf der linken Abwehrseite der Salzburger war es insgesamt schwieriger für Rapid durchzubrechen, weil Ulmer seine Position etwas tiefer anlegte als Kristensen und auch Junuzovic immer wieder gut abkippte.

Spiel kippt in Minute 66

Sämtliche offensiv-taktische Überlegungen waren aber mit der 66.Minute über den Haufen geworfen. Es war eine Minute, die zeigte, wie nah Freud und Leid im Fußball beieinanderliegen können. Zuerst traf der erst 18-jährige Velimirovic, der wie schon im Derby eine starke und unbekümmerte Leistung ablieferte, mit seinem zweiten Abschluss des Tages die Stange – und Sekunden später musste Rapid-Kapitän Stefan Schwab mit Gelb-Rot vom Platz. Nun war klar, dass der Fokus der Hütteldorfer vollständig auf der Defensive liegen musste. Das Paradoxon daran: Es war auch klar, dass Rapid das Spiel wohl nur in der regulären Spielzeit zu seinen Gunsten entscheiden könnte, zumal man über eine weitere halbe Stunde in der Verlängerung wohl keine Chance gegen die Salzburger Offensive haben würde.

Umstellungen aufgrund von Schwabs Ausschluss

Didi Kühbauer reagierte, indem er den 19-jährigen Lion Schuster anstelle von Taxiarchis Fountas brachte. Der verletzte Kitagawa war bereits wenige Minuten zuvor durch Philipp Schobesberger ersetzt worden. Schuster nahm die Position eines klassischen Sechsers ein und schob bei Salzburger Angriffen sogar immer wieder zwischen die Innenverteidiger, wodurch sich noch mehr Masse in der Rapid-Defensive ergab. Konter wurden nun praktisch nur noch über Schobesberger gefahren, der sich aber nur selten durchsetzen konnte. Ljubicic schob ein Stück weiter nach vorne, um eroberte Bälle in höheren Positionen besser kontrollieren und weiterverarbeiten zu können.

Neuerliche Änderungen nach der zweiten roten Karte

Rapid rettete sich tatsächlich über die reguläre Spielzeit und verlor eine Minute vor Spielschluss auch noch Dalibor Velimirovic, der nach einem übermotivierten Einstieg ebenfalls Gelb-Rot sah. Die Verlängerung bestritt Rapid mit zwei Mann weniger und Kühbauer brachte auch noch den pragmatischeren Auer, anstelle des rotgefährdeten Stojkovic, der ein starkes Debüt für Rapid ablieferte. Kelvin Arase kam als weitere Konterinstanz und wohl auch aufgrund seiner Frische und seines Hektik erzeugenden Anlaufverhaltens. Mit ihm wollte man Salzburg im Aufbau stören und möglicherweise sogar offensive Nadelstiche setzen.

Rapid liefert beeindruckende Abwehrschlacht

Von Aufbau war aber in der Verlängerung ohnehin keine Spur mehr. Salzburg belagerte den Rapid-Strafraum und hatte Phasen, in denen der tiefste Spieler gerademal 30 Meter vor dem Rapid-Tor positioniert war. Im Grunde war aufgrund dieses Belagerungszustands zu erwarten, dass Rapid das Spiel nun 1:3 oder 1:4 verlieren würde, aber angetrieben von der gewaltigen Stimmung im Weststadion, lieferte sich Rapid eine beherzte Abwehrschlacht. Hart aber fair, ohne auch nur einmal zu verzögern und hundertprozentig fokussiert.

Der eigene Freistoß bringt Salzburg die letzte Chance

Den Fokus verlor die Kühbauer erst in der Nachspielzeit (!) der Verlängerung. Das Elfmeterschießen – an sich schon eine Sensation mit zwei Mann weniger gegen einen spielstarken Champions-League-Teilnehmer – war zum Greifen nah, aber ausgerechnet in den letzten Aktionen des Spiels wurde Rapid blauäugig. Noch in der 120.Minute hatte man einen Freistoß in der gegnerischen Hälfte, den Schobesberger ins gegenüberliegende Seitenout schoss. Dies wäre die Gelegenheit gewesen, um sich dann doch die erste gelbe Karte wegen Zeitspiels abzuholen und sich mit dem Freistoß eher in Richtung Eckfahne zu orientieren. Auch ein Neuaufbau über die Defensive oder sogar Keeper Strebinger wäre hier Möglichkeit gewesen, um Zeit von der Uhr zu nehmen.

Ausgeschieden, aber gespielt wie Sieger

Aber völlig erschöpft und bereits längst an den Grenzen der körperlichen Leistungsfähigkeit angekommen, verlor Rapid in dieser letzten Szene die Konzentration und fing sich das entscheidende 1:2 durch Minamino. Das Publikum feierte neun Grün-Weiße aber trotz der Niederlage noch lange nach dem Abpfiff – und das mit Recht. Die Hütteldorfer schieden zwar aus dem Cup aus, zeigten aber eine kämpferische Darbietung, wie sie in dieser Saison nur schwer von einem heimischen Team zu überbieten sein wird. Unterm Strich bringt’s zwar nichts, aber Rapid darf sich nach dem Ausscheiden gegen Salzburg wie ein Sieger fühlen. Wenn dieser Spirit in die Liga mitgenommen werden kann, müssen sich die nächsten Gegner nicht nur wegen der bald fallenden Temperaturen sehr warm anziehen.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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