Bis heute hält sich hartnäckig das Gerücht, Walter Schachner sei der einzige ÖFB-Spieler gewesen, der bei der „Schande von Gijón“ nicht in den schmutzigen... Anekdote zum Sonntag (169) – Ein Angebot, das er ablehnte

Bis heute hält sich hartnäckig das Gerücht, Walter Schachner sei der einzige ÖFB-Spieler gewesen, der bei der „Schande von Gijón“ nicht in den schmutzigen Deal der beiden Teams eingeweiht gewesen war. Zur Erinnerung: Nachdem durch das (früher ausgetragene) letzte Spiel der Gruppe 2 zwischen Algerien und Chile bei der WM ‘82 bereits bekannt war, dass durch einen 1:0-Sieg der Deutschen sowohl diese als auch Österreich aufsteigen würden, schoben die beiden Teams nach der Führung der DFB‑Elf in Minute 11 gelangweilt und ohne ernsthafte Angriffsversuche die Kugel von A nach B. Einzig „Schoko“ konnte man kämpferische Bemühungen nicht absprechen. Die peinliche Nummer führte letzten Endes dazu, dass die beiden finalen Vorrundenspiele einer Gruppe in großen Turnieren seither immer parallel ausgetragen werden müssen.

Die heutige Anekdote spielt zu einer Zeit als die Leistungsverweigerer von Gijón allesamt noch nicht geboren waren: Im Jahr 1939 steuerte die Admira – damals noch SK Admira Wien – auf einen großen Vereinstriumph zu: Die Floridsdorfer standen im Finale um die Deutsche Meisterschaft. Eine Saison zuvor hatte mit Rapid Wien ein weiterer österreichischer Klub bereits im Tschammer-Pokal mit einem Sieg für Furore gesorgt. Was aus heutiger Sicht unglaublich scheint, war damals eher eine natürliche Konsequenz: Schließlich war das technisch-starke Fußballspiel der „Ostmärker“ jenem ihrer nördlichen Nachbarn überlegen.

Wenige Stunden vor Anpfiff des Endspiels am 18. Juni 1939 stolzierte Willy Hahnemann, Verbinder der Admira, in den „Russischen Hof“ in Berlin. In diesem Hotel nächtigte die Mannschaft von Schalke 04 immer vor dem in der Hauptstadt des Deutschen Reiches ausgetragenen Finales. Bereits 1934 hatten die Königsblauen gegen Nürnberg ihre erste „Victoria“ geholt. Mit ihrem Kurzpassspiel, das Fritz Szepan und Ernst Kuzorra entwickelt hatten, waren die Ruhrpott-Kicker zu dieser Zeit das Maß aller Dinge im deutschen Fußball. Damals hatten sie schon drei deutsche Meisterschaften geholt und waren das fünfte Jahr in Folge Sieger der Gauliga Westfalen.

Die Gelsenkirchner Spieler lümmelten bereits in bequemen Sesseln in der Hotelhalle und vertrieben sich die Zeit bis zum Abmarsch mit Kartenspielen. Hahnemann ging flotten Schrittes auf Fritz Szepan zu und begrüßte ihn charmant mit folgenden Worten: „Servas Fritz! Hör einmal zu: Ihr seid zwar die beste deutsche Mannschaft, aber nur bis heute. Denn heute spielt ihr zum ersten Mal gegen Wiener. Nämlich gegen uns! Fritz, wollt ihr nicht vorher aufgeben, damit ihr euren guten Ruf nicht verliert? Wir erzählen einfach der Presse, dass ihr eingesehen habt, es nicht mit uns aufnehmen zu können und ihr erspart euch so die Blamage. Einverstanden?!“

Szepan schmunzelte. Hahnemanns Angebot war keineswegs zynisch, sondern ernstgemeint. Doch der Schalker verfügte über ausreichend Selbstbewusstsein: Er klopfte seinem Wiener Kollegen freundschaftlich auf die Schulter: „Das wäre schon gut. Aber bei uns im Pott haben sie monatelang auf diese Reise gespart. Wir können unsere Anhänger doch nicht enttäuschen und müssen gegen euch spielen. Natürlich haben wir keine Chance, aber wir werden‘s probieren.“, ließ der Stürmer seinen Kollegen wissen.

Hahnemann zog von dannen und musste Stunden später miterleben, wie es Schalke „probierte“: Am Ende stand es 9:0 für die Gelsenkirchner. Kalwitzki hatte in der siebenten Minute den Torreigen eröffnet und trug sich anschließend noch vier Mal in die Schützenliste ein. Den Schlusspunkt vor 100.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion setzte im Übrigen Fritz Szepan selbst. „Schwarzer Tag für die Admira“, titelte der Sportmontag. Die Wiener – die auf ihre Stammspieler Peter Platzer und Toni Schall – verzichten mussten, kamen unter die Räder der Schalker Kombinationsmaschine und mussten bereits nach einer Viertelstunde einsehen, dass es an diesem Tag für sie nichts zu holen gab.

Laut Presseberichten hatten die Knappen jedoch bereits vor Anpfiff als Favorit gegolten. War Willy Hahnemanns Vorschlag daher ein besonders frecher Versuch sich einer möglichen Niederlage zu entziehen? Oder vertraute der gebürtige Wiener darauf, dass sich die Donauschule im Endeffekt (wie zuvor) gegen den kämpferischen Kick der Deutschen durchsetzen würde? Wir werden es nie wissen. Ebenso, ob Szepan das Angebot seines Kontrahenten siegessicher oder doch mit Bauchweh in den Wind schlug. War es tatsächlich ein Angebot, das er ablehnen musste?

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag