Griechenland ist für österreichische Künstler ein spezieller Sehnsuchtsort: Udo Jürgens besang einst den Wein, STS wollten „irgendwann dortbleiben“, der Kabarettist (und Austria-Anhänger) Thomas Stipsits... Anekdote zum Sonntag (188) – Griechische Gemütlichkeit

Griechenland ist für österreichische Künstler ein spezieller Sehnsuchtsort: Udo Jürgens besang einst den Wein, STS wollten „irgendwann dortbleiben“, der Kabarettist (und Austria-Anhänger) Thomas Stipsits widmete dem Urlaubsparadies nicht nur ein Solo-Programm, sondern auch einen Spielfilm. Heute lebt der gebürtige Steirer u.a. auf der Insel Karpathos. Das allerdings noch als Teilzeit-Aussteiger, im Gegensatz zu Erwin Novak: Der Wiener Musiker ebnete mit seiner Band „Novaks Kapelle“ dem Austropop den Weg. Seit der Bandauflösung in den 80ern genießt der Stiefsohn der legendären Wirtin des „Gmoakellers“ die blau-weiße Gemütlichkeit auf einer der tausenden Inseln.

Auch im Fußballgeschäft gibt es einige Beziehungen zwischen Hellas und der Alpenrepublik: Andi Ivanschitz ging 2006 von RB Salzburg zu Panathinaikos Athen, ein anderer Ex-Rapid-Spieler, nämlich Stefan Schwab, wechselte zu Rivale PAOK Thessaloniki. Dort zog es auch Thomas Murg hin, der ebenfalls aus Hütteldorf den Sprung in die Super League wagte. Tormann Michael Gspurning war einst bei Xanthi aktiv, heute versucht dessen Kollege Cican Stankovic AEK Athens Kasten sauber zu halten.

Lange vor diesen Kickern war auch Herbert Gager in Griechenland engagiert: Der Defensivspieler wechselte zur Jahrtausendwende zu Skoda Xanthi, wo er zwei Jahre lang im Mittelfeld die Fäden zog. Gager gehört zu den Doppelagenten des Wiener Fußballes: Der 1969 Geborene kam noch vor dem Volksschuleintritt in die Nachwuchsmannschaft von Rapid Wien. In der grün-weißen Kampfmannschaft konnte sich Gager jedoch nicht etablieren und auch seine Zeit im Nationalteam beschränkt sich auf vier Spiele. Erst bei der Admira startete der Defensivspieler richtig durch und kam mit den Mödlingern bis ins UEFA-Cup-Achtelfinale. Trocken zog er damals das Resümee nach einer Partie gegen die Grün-Weißen: „Ein Tor gegen meinen Ex-Verein, der mich nicht gebraucht hat, war meine Antwort.“ Es wundert also nicht, dass Gager 1996 keine Bedenken hatte das Angebot des violetten Erzrivalen anzunehmen.

Auch die zweite Karriere des Wieners sollte viel später erst bei den Veilchen richtig durchstarten: Als U 17-Trainer nahm Herbert David Alaba, Aleksandar Dragović oder Heinz Lindner unter seine Fittiche. Alaba lud seinen Jugendcoach auch zum CL-Finale 2013 nach London ein. Nachdem Gager 2014 Interimstrainer der Austria-Kampfmannschaft war, ging er nach St. Pölten. Heute coacht der Ex-Profi den SC Team Wiener Linien in der Regionalliga, wo auch sein Sohn Manuel spielt. Als dieser erst wenige Monate alt war, packten die Gagers die Koffer und siedelten nach Griechenland über.

Bei Skoda Xanthi hielten Herbert und sein Landsmann Jürgen Leitner das Mittelfeld zusammen. Sportlich lief es bestens und der Verein qualifizierte sich erstmals in seiner Geschichte für den UEFA-Cup. Auch mit der sengenden Hitze oder der fleischlastigen Küche konnte der Defensivkicker bald umgehen. Gager und seine Familie genossen die Zeit in der Fremde. Die hellenische Mentalität beschrieb der Legionär mit folgenden Worten: „Druck und Stress gibt es in Griechenland nicht.“ So konnte er zwar befreit aufspielen, das typische Laissez-faire der Einheimischen führte aber auch zu Kuriositäten – wie folgende Anekdote beweist:

In seiner Anfangszeit bei Skoda wurde Gager von einem Kollegen zum Mittagessen in dessen Elternhaus mitgenommen. Der Wiener konnte – wenige Wochen nach seiner Ankunft – natürlich noch kein Griechisch, der Mitspieler sprach nur gebrochen Englisch. Am Platz klappte die Verständigung trotzdem irgendwie. Die griechischen Eltern des Xanthi-Spielers waren aber keiner Fremdsprache mächtig. Bei Schafskäse, Gyros und Co. übersetzte der Freund Herberts Komplimente und Dank für die Einladung noch, doch als die Mahlzeit beendet war, verschwand der Kicker plötzlich. Herbert glaubte zunächst, sein Kumpel würde gleich wieder zurück sein und beschloss die wenigen Minuten mit „Aus-dem-Fenster-starren“ schweigend zu verbringen. Doch die Zeit verstrich und sein Kollege erschien nicht wieder. Der Legionär saß nun mit den Eltern seines Arbeitskollegen schweigend im Wohnzimmer. Aufgrund der Sprachbarriere war es unmöglich eine Unterhaltung zu beginnen. Die Ruhe erwies sich als ohrenbetäubend. Irgendwann dämmerte es dem Defensivspieler: Sein Freund hatte sich für den – typischen – Mittagsschlaf einfach im Schlafzimmer seiner Eltern hingelegt. Es dauerte an die drei Stunden bis der Spieler gähnend wieder im Wohnzimmer auftauchte. Für Herbert Gager war es eine gefühlte Ewigkeit; insgeheim hatte er seinen Freund bereits mehrfach verflucht. Dieser meinte nur stoisch, er sei nun ausgeruht und sie könnten jetzt gehen. Herbert wähnte sich im falschen Film, doch der Grieche betrachtete die Situation völlig nüchtern und tat, als sei es das Normalste auf der Welt gewesen seinen Kollegen stundenlang zurückgelassen zu haben. Gagers Wut verpuffte ob dieser Lässigkeit bald. Heute kann er über das schweigsame Tête-à-Tête in der Fremde herzlich lachen: Andere Länder, andere Sitten.

Das Angebot von Skoda zu einer Vertragsverlängerung lehnte Herbert Gager aber nicht wegen dieser südländischen Lässigkeit ab, sondern weil der Schuleintritt seiner Tochter bevorstand. Im Sommer 2002 kehrte der Defensivspieler mit seiner Familie nach Österreich zurück, wo Gager seine Profilaufbahn beendete. Er begann als Nachwuchstrainer zu arbeiten und wechselte bald in die Frank Stronach-Akademie nach Hollabrunn. Heute ist der Ex-Griechenland-Legionär immer noch im Trainergeschäft, bereits Großvater und immer noch fußballverrückt. Barça ist meine große Liebe.“, sagt er und gesteht so gut es geht alle Spiele der Katalanen zu sehen. Eine südländische Ader kann Herbert Gager eben nicht verleugnen.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag