Roman Wallner war einst das größte Rapid-Talent der jüngeren Vergangenheit. Letztendlich blieb der oft den Arbeitgeber wechselnde Mittelstürmer aber nur „weltberühmt in Österreich“ anstatt... Anekdote zum Sonntag (207) – Jiří – Einer von uns

Roman Wallner war einst das größte Rapid-Talent der jüngeren Vergangenheit. Letztendlich blieb der oft den Arbeitgeber wechselnde Mittelstürmer aber nur „weltberühmt in Österreich“ anstatt international für Furore zu sorgen. Seine Freizeitgestaltung, Fitnessprobleme und Skandale begleiteten Wallners Laufbahn konstant. Gefragt warum die Weltkarriere des Steirers im Konjunktiv blieb, sucht Ex-Rapid Trainer Dokupil die Gründe dafür auch im Verhältnis des Stürmers zur Anhängerschaft des österreichischen Rekordmeisters: „Die Fans haben Roman immer in Beschlag genommen. Sie sind nach den Matches mit ihm in die Disko gegangen und haben mit ihm getrunken.“ Doch nicht jeder Kicker, der mit den Anhängern seines Arbeitgebers fortgeht und die Korken knallen lässt, büßt zwingend an Leistung ein.

Früher war es – besonders in Österreich – durchaus üblich freundschaftliche Kontakte zur Fanszene zu pflegen: Die Profis waren nahbarer, die Fans auf du und du mit ihren Idolen. Alkohol, fettes Essen oder Nikotin galten damals für Leistungssportler als nicht so verpönt wie heute. Einer, der vor über 30 Jahren ein umgänglicher Typ war und so ein echter Fanliebling wurde, war Jiří Ondra, der in den 80ern und 90ern auf der Hohen Warte seine sportliche Heimat gefunden hatte.

Geboren wurde Ondra in Uherské Hradiště, einem knapp 25.000 Seelen-Ort in Tschechien, aus dem einige Fußballer stammen. Nachdem er für seinen Jugendklub auch in der Kampfmannschaft gespielt hatte, wechselte Ondra ’78 zu Bohemians Prag, wo er sich einen Stammplatz erkämpfte. Neun Jahre später zog der zwanzigfache tschechoslowakische Teamspieler schließlich nach Wien, um Abwehrchef der Vienna zu werden.

Beim ältesten Fußballklub Österreichs war damals ein finanzkräftiger Sponsor aktiv, der überraschenderweise Weltmeister Mario Kempes nach Döbling lotsen konnte. Neben Kempes und Austria-Legende Gerd Steinkogler beehrten zu dieser Zeit viele hochklassige Kicker die Hohe Warte: Herzog, Reinmayr, Heraf und Co. Die Blau-Gelben hielten sich so in der obersten Spielklasse und machten zaghafte Versuche im internationalen Geschäft. Der Fankontakt war eng, was bestimmt auch an der kleinen, aber kompakten Anhängerschaft lag. „Damals waren die Spieler noch richtige Haberer.“, erinnert sich ein blau-gelber Allesfahrer. Ondra, der Libero der Döblinger, war ob seines Humors bei den Fans sehr beliebt. Immer wieder war er mit Fans des ältesten Fußballvereins Österreichs beim Heurigen oder im Schweizerhaus anzutreffen. Zu Ondras Standard-Sprüchen nach Niederlagen gehörte: „Eins, zwei oder X. Wieder nix!“. Ein Sager mit dem er den tapferen Fußballfreunden wieder ein Lächeln auf die Lippen zauberte.

Kein Wunder also, dass sich in der Fanszene Widerstand zu regen begann, als den Anhängern zu Ohren kam, ihr Liebling solle durch Heribert Weber, dessen Vertrag bei Rapid auslief, ersetzt werden. Flugs bastelten sie daraufhin ein Transparent, auf dem sie sich für einen Verbleib des Tschechen aussprachen. Noch vor Anpfiff des nächsten Heimmatches rollten die Fans das Spruchband aus, Ondra sah dies beim Aufwärmen und lief zu den Anhängern. Er bat sie den Fetz‘n wieder einzupacken: „Das gibt Zirkus!“, raunte der Libero seinen Bekannten zu und deutete Richtung Bank. Die Fans zeigten sich einsichtig und packten ihre Botschaft an die Klubführung wieder ein. Dennoch blieb den Vienna‑Verantwortlichen das Engagement der Kurve nicht verborgen, denn die Zeitungen griffen die Solidaritätskundgebung für Ondra auf und bastelten daraus eine Schlagzeile.

Während sich Jiří mit den Fans – wie gelegentlich nach einem Punktspiel – im Schweizerhaus traf, hielt die blau-gelbe Klubführung eine Krisensitzung ab. Ondra zeigte sich dagegen bei Stelze, Bier und frischem Radi über die liebevolle Geste gerührt und bedankte sich vielfach bei den Vienna-Anhängern.

Was das Transparent letztendlich bewirkt hat, ist schwer zu beurteilen. Sicher ist nur, dass Heribert Weber nicht nach Wien-Döbling, sondern nach Salzburg übersiedelte, wo er in seiner letzten Saison als Profi noch einmal Meister wurde. Ondra hatte zu diesem Zeitpunkt seine Fußballschuhe schon an den Nagel gehängt und kehrte Mitte der 90er nach Tschechien zurück. Ende gut, alles gut? So gesehen schon. Für die Vienna folgten jedoch emotionale Achterbahnjahre mit Ab- und Aufstiegen, Insolvenz und weiteren Dramen. Die blau-gelbe Anhängerschaft musste zudem akzeptieren, dass im modernen Profigeschäft enge Kontakte zwischen Spielern und Fans kaum mehr möglich sind. Vielleicht hat Jiří Ondra auch deshalb im Herzen so mancher Vienna-Fans immer noch einen besonderen Platz.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag