Jeden Sonntag wollen wir in dieser neuen Serie einen Blick in die Vergangenheit werfen: Wir spielen sozusagen einen Zuckerpass in den Rückraum und widmen... Wiederholung in Zeitlupe (32) – Japanische Tränen in Doha  (KW 43)

Jeden Sonntag wollen wir in dieser neuen Serie einen Blick in die Vergangenheit werfen: Wir spielen sozusagen einen Zuckerpass in den Rückraum und widmen uns kurz und bündig legendären Toren, Spielen, Fußballpersönlichkeiten, Ereignissen auf oder neben dem Platz und vielem mehr. Wir wollen Momente, Begebenheiten, Biografie im Stile von Zeitlupenwiederholungen aus dem TV nochmals Revue passieren lassen. Zum Anlass nehmen wir hierbei Vergangenes, das in der abgelaufenen Kalenderwoche stattgefunden hat: Heute erinnern wir uns an den 28. Oktober 1993 und an ein denkwürdiges Länderspiel…

Japan vs. Irak 2:2

Des einen Freud, des anderen Leid – während das Länderspiel vom 28. Oktober 1993 als „Das Wunder von Doha“ in Südkorea bekannt wurde, firmiert es bei den Japanern bis heute unter dem Namen „Tragödie von Doha“. Ganz knapp scheiterte die erste WM-Teilnahme des Inselstaates. Held bzw. Anti-Held des Abends war der Iraker Jaffar Omran Salman, der mit seinem Kopfball zum 2:2‑Ausgleich in der Nachspielzeit Japan die Teilnahme an der WM 1994 in den USA vermasselte. Die südkoreanische Mannschaft konnte stattdessen – dank der besseren Tordifferenz – zum Turnier reisen.

Schauplatz an diesem Herbstabend war das Al-Ahly-Stadion in Doha. Die Samurai Blue wären bei einem Sieg jedenfalls qualifiziert gewesen, doch auch die Iraker konnten den Flug zur Endrunde noch aus einer Kraft schaffen. Vor spärlich besetzten Tribünen gingen die Japaner schon in der fünften Minute durch ein Abstaubertor in Führung. Shenshil gelang in der 54. Minute der Ausgleich. Als der Rekordtorschütze der J. League Division 1, Masashi Nakayam, zehn Minuten vor Abpfiff nach einem Pass in den Strafraum das zweite Tor für den amtierenden Asienmeister erzielte, sahen die Japaner wie die sicheren Sieger aus.

Doch es kam, wie es kommen musste: Eckball, kurz abgespielt, Flanke in den Strafraum und in der 92. Minute stand es auf einmal 2:2. Der Schweizer Schiedsritter pfiff postwendend ab und wie vom Blitz getroffen fielen einige japanische Spieler einfach um. Letztendlich hatten sich beide Teams nicht qualifiziert, doch nur die fußballbegeisterten Japaner waren erschüttert. Während im Irak die „Tragödie von Doha“ schnell vergessen wurde, hatten die Samurai Blue länger daran zu knabbern: Hajime Moriyasu, ein japanischer Mittelfeldspieler, erinnerte sich: „Ich hatte mich voll und ganz der WM verschrieben. Wir hatten so viele Trainingslager absolviert, dass ich mehr Zeit mit meinen Mannschaftskameraden als mit meiner Familie verbrachte.“

Der irakischen Botschaft in Tokio wurde die Fahne gestohlen, der niederländische Trainer Hans Ooft trat als Nationalmannschaftscoach zurück. Die Südkoreaner huldigten dem Wüstenstaat mit Dankesschreiben und -telefonaten, doch die USA-Reise blieb für sie nur ein kurzes Vergnügen: Südkorea schied in der Vorrunde aus. Bei ihrem Erzrivalen klappte vier Jahre später die Qualifikation für die WM in Frankeich, trotzdem gilt der 28. Oktober 1993 in der japanischen Fußballhistorie immer noch als schwarzer Tag.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag