An Antoni Brzeżańczyk erinnern sich heute nur mehr die Altspatzen unter den Hardcore-Rapidfans: Der polnische Trainer werkte 1976/77 bei den Grün-Weißen und wurde am... Anekdote zum Sonntag (198) – Gute Nacht, Rapidler!

An Antoni Brzeżańczyk erinnern sich heute nur mehr die Altspatzen unter den Hardcore-Rapidfans: Der polnische Trainer werkte 1976/77 bei den Grün-Weißen und wurde am Saisonende Vizemeister. Im Jänner 1978 verließ der von den Kronen Zeitung-Lesern gewählte „Trainer des Jahres“ den Verein und heuerte bei der Admira an. Seine eigene Fußballkarriere hatte noch vor dem Zweiten Weltkrieg in seiner Heimat begonnen. Bis 1956 spielte der in der heutigen Ukraine Geborene für verschiedene Klubs in Polen. Danach begann er eine Laufbahn als Trainer und war der erste polnische Fußballcoach, der im Westen erfolgreich war.: Brzeżańczyk betreute Mitte der 60er-Jahre die weiß-rote Nationalmannschaft und stand später unter anderem bei Feyenoord unter Vertrag.

Ein Blick auf Brzeżańczyk Lebenslauf verrät allerdings, dass seine Engagements selten länger als ein Jahr dauerten. Das lag unter anderem daran, dass der Trainer im Stile eines Autokraten mit eiserner Hand regierte: Zwar wurde Brzeżańczyk von Zeitgenossen als freundlich und humorvoll beschrieben, an seinem Arbeitsplatz kannte der Ex-Fußballer jedoch kein Erbarmen und forderte Einsatz, Disziplin und Hingabe von seinen Spielern. So ließ er während seiner Zeit bei Górnik Zabrze einen Tormann, der sich die Hand gebrochen hatte, das volle Trainingsprogramm mitmachen. Als es zu einer Übung kam bei denen die Spieler Medizinbälle zugeworfen bekamen, verlangte der knorrige Coach vom rekonvaleszenten Keeper das schwere Trainingsgerät einfach mit seiner gesunden Hand zu fangen. In Zabrze ließ Brzeżańczyk die Spieler des Bergarbeiter-Klubs außerdem dreimal täglich trainieren – eine damals außergewöhnliche Maßnahme. Dieses straffe Training zeigte Wirkung und Zabrze holte am Saisonende den Meistertitel. Doch der erfolgreiche Übungsleiter wurde trotzdem geschasst, da die Spieler von ihrem Schleifer die Nase voll hatten und bei der Klubführung intervenierten. Auf diese Art und Weise endeten die meisten Verträge Brzeżańczyks.

Neben seiner knallharten physischen Trainingsphilosophie war der gebürtige Pole aber auch neuen bzw. exotischen Methoden nicht abgeneigt. Während seiner Zeit im 14. Wiener Gemeindebezirk engagierte der Ex-Nationalcoach einen Yogalehrer aus seiner Heimat. Mit der damals in Europa wenig bekannten indischen Lehre versprach sich Brzeżańczyk einen Vorteil im sportlichen Wettkampf. Sein Bekannter sollte die Rapid-Spieler mit Entspannungsübungen geistig frei machen. „Funki“ Feurer, Heribert Weber und Co. gruppierten sich also auf Matten um den selbsternannten Guru herum, der sie in der Folge zu tiefen Atemübungen anleitete. Die entspannende Wirkung machte sich ruckzuck bemerkbar und schon in der ersten Einheit dauerte es nicht lange bis alle grün-weißen Profis vollständig entschlummert waren. Der Yogalehrer hatte Mühe am Ende der Stunde den einen oder anderen aus dem Traumland wieder zurückzuholen. Sinn der Sache war dies nicht, schließlich sollte das autogene Training die Spieler zu einer tiefen Form von Konzentration befähigen und nicht nur relaxen. Doch letztendlich liefen die verordneten Einheiten mit Brzeżańczyks Landsmann darauf hinaus, dass die Fußballprofis ein kollektives Mittagsschläfchen machten.

Als Brzeżańczyk davon Wind bekam, zweifelte er an seiner revolutionären Idee vom ganzheitlichen Training. Doch bevor er seine Methoden noch einmal evaluieren konnte, war seine Tätigkeit im Wiener Westen schon wieder Geschichte. Antoni Brzeżańczyk arbeitete noch bis 1985 für österreichische und griechische Klubs, dann zog er sich ins Privatleben zurück. Der Stadt Wien blieb er bis zu seinem Tod zwei Jahre später treu. Während autogenes Training heute für Profisportler zum Alltag gehört, sind der polnische Pionier und seine Methoden allerdings kaum mehr bekannt.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag