Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln,... Briefe an die Fußballwelt (57): Lieber Jürgen Werner!

Jeden Sonntag wollen wir an dieser Stelle Briefe aus aktuellem Anlass versenden. Mit Gruß und Kuss direkt aus der Redaktion – Zeilen zum Schmunzeln, Schnäuzen und Nachdenken an Fußballprotagonisten aus allen Ligen. Diesen Sonntag schicken wir unseren Brief an den Vizepräsidenten des LASK…

Lieber Jürgen Werner!

Bei der Pressekonferenz, die der LASK wegen der Verstöße gegen die COVID-19-Maßnahmen abgehalten hat, hat dein Chef gesagt, du hättest ihm deinen Rücktritt angeboten und er hätte abgelehnt. Das finde ich beides gut: Ein Rücktrittsangebot ist ein Schuldeingeständnis, das nicht viele schaffen, trotzdem hat dein Chef dieses auch zurecht abgelehnt. Warum? Du hast die Entscheidung zu trainieren und gegen die Abstandsregelung und das Zweikampfverbot zu verstoßen zwar mitgetragen, aber nicht allein zu verantworten. Auch wer nur mäßig fantasiebegabt ist, wird sich denken können, dass du und das Trainerteam nicht die einzigen waren, die von den illegalen Übungen wussten…

Dein Verein hat sich nicht korrekt verhalten. Während ganz Österreich zuhause saß, habt ihr es für nicht notwendig erachtet euch an die Regeln zu halten. Das ist einfach nicht in Ordnung. Natürlich wird nun reichlich spekuliert, welcher Klub noch heimlich trainiert haben könnte. Denn jeder weiß, es gab in den letzten Wochen, die eine oder andere Situation, in der man selbst den Ein-Meter-Mindestabstand nicht eingehalten hat, weil man beispielsweise joggen war oder für nicht lebensnotwendige Einkäufe vor die Türe gegangen ist. Irgendwann wird die Sehnsucht nach zwischenmenschlichem Kontakt riesig und man will einfach ein Stück Normalität zurück: Das sind die Momente, in denen die ersten klammheimlichen Treffen mit Freunden oder Familie stattfinden. In der Kohlengrube bleibt am Ende keiner sauber.

Lieber Jürgen, natürlich ist es deine Aufgabe herauszustreichen, dass ihr das verbotene Training unter gewissen Bedingungen (Einzelanreise, regelmäßige Tests, Wäsche daheim waschen) abgehalten habt, um so das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Dein Statement wäre jedoch deutlich effektvoller gewesen, wenn du nicht ständig darauf hingewiesen hättest, dass es dem LASK nur um die Gesundheit der Spieler für die folgenden „englischen Wochen“ gegangen sei. Das hast du fast jedes Mal wiederholt, wenn das Wort an dich gerichtet wurde und das macht es umso peinlicher, weil es einfach nicht stimmt. Dein Verein steht sehr knapp vor der Sensation und will sich die Chance auf den ersten Meistertitel seit 55 Jahren nicht entgehen lassen. Diese Gier hat nun über die Vernunft gesiegt. Und das ist das eigentliche Problem: Ihr habt viele Sympathien – bei euren eigenen Anhängern und den Fans anderer Vereine, die euch den Teller gegönnt hätten – verspielt. Das Image des sympathischen Hacklerklubs, das schon durch die dubiosen Aussagen deines Chefs in der Vergangenheit immer wieder Kratzer erlitten hat, dürfte jetzt endgültig passé sein. Schade drum, aber dennoch kein Grund alles hinzuschmeißen. Denn einem Verein ist man in guten wie in schlechten Zeiten verpflichtet.

Mach das Beste draus, das wünscht dir

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag