Das darf man vom neuen Rapid-Trainer Robert Klauß erwarten!
Bundesliga 20.November.2023 Daniel Mandl
Nun ist also fix, dass der 38-jährige Robert Klauß neuer Trainer beim SK Rapid wird. Damit gehen die Hütteldorfer, die als Achter der Bundesliga zuletzt faktisch nicht zufrieden sein konnten, einen jungen, internationalen und vor allem modernen Weg. Was darf man vom neuen Rapid-Trainer erwarten?
Zehn Jahre lang arbeitete Klauß in verschiedenen Funktionen bei RB Leipzig, wo er in jüngeren Jahren auch in der zweiten Mannschaft spielte. An der Hennes-Weisweiler-Akademie, wo der DFB die besten deutschen Nachwuchstrainer ausbildet und die ein ausgezeichnetes Renommee besitzt, war Klauß 2018 Jahrgangsbester. Mit diesem Prädikat ist er unter anderem Nachfolger von Trainern wie Domenico Tedesco, Florian Kohfeldt, Frank Kramer oder in früheren Jahren auch Robin Dutt, Hansi Flick oder Holger Stanislawski.
Veränderungen in der Trainerausbildung
Seit Flick vor 19 Jahren der Beste seines Jahrgangs war, hat sich im Fußball natürlich vieles verändert und der Drall zu noch mehr Physis und vor allem Analyse hat die Ausbildung grundlegend verändert. Dass Klauß nach seinen Stationen im Nachwuchs der Leipziger im Jahr 2018 umgehend zum Co-Trainer von modernen Trainerkapazundern wie Ralf Rangnick und Julian Nagelsmann in der Bundesligamannschaft von RB aufstieg, passt angesichts der modernen Impulse, die er mitbrachte, ins Bild.
Guten Eindruck in Nürnberg hinterlassen
Ab Sommer 2020 arbeitete Klauß knapp 2 ½ Jahre – erstmals als Cheftrainer – beim 1. FC Nürnberg, wo er eine durchaus gute Figur abgab, mit einer verhältnismäßig schwachen Mannschaft sogar kurzzeitig um den Bundesligaaufstieg mitspielte. Die längste Zeit war mit Mauricio Zoccola übrigens ein Ex-Rapidler Klauß’ Assistenztrainer bei den Franken. Unter den Fans genoss Klauß einen guten Ruf. Ein Nürnberg-Fans konstatierte nach der Entlassung: „Unter Klauß überwogen die guten Zeiten. Da waren schon auch mitreißende Phasen mit gutem Fußball dabei“. Auch Nürnbergs Sport-Vorstand Dieter Hecking erklärte in einem Interview, dass er im Nachhinein nicht sicher ist, ob man Klauß nicht noch mehr Zeit hätte geben sollen. Gegen Ende seiner Amtszeit hatte er vor allem großes Pech mit der Verletzung mehrerer Leistungsträger.
Rapid und das leidige Spiel gegen den Ball
Bei Rapid findet Klauß nun eine Mannschaft vor, die vor allem im ersten Anzug riesiges Einzelspielerpotential besitzt und in manchen Spielphasen unter Zoran Barisic bereits guten Fußball zeigte. Das Problem der Hütteldorfer war – neben der oberflächlichen Begründung der schlechten Chancenauswertung – vor allem ganzheitlicher Natur. Speziell die mannschaftstaktischen Abläufe gegen den Ball waren nicht erst unter Barisic mangelhaft.
Das Problem mit der gesamtheitlichen Strategie
Rapids Ex-Trainer hatte immer wieder die Stärken im eigenen Ballbesitz hervorgehoben, die anderen Spielphasen aber – zumindest öffentlich – gerne ausgeblendet. Ein Spiel besteht grundsätzlich aus vier Phasen, nämlich dem Spiel mit dem Ball, dem Spiel gegen den Ball, sowie dem defensiven und offensiven Umschaltspiel. Barisic legte stets Wert auf Spieler, die ihre Stärken im Spiel mit dem Ball haben, während etwa sein Vorgänger Didi Kühbauer den Primärfokus aufs offensive Umschaltspiel legte. Durch die verschiedenen Zugänge konnte sich Rapid sowohl in der Praxis, als auch in der jahrelangen, häufig wechselnden Transferstrategie nie eine gesamtheitliche Strategie bilden.
Pressing als größte Herausforderung
Dies wird nun die Hauptaufgabe und auch die größte Herausforderung für Robert Klauß sein. Die größten Mängel hat Rapid im Spiel gegen den Ball bzw. im gemeinschaftlichen Anlaufen des gegnerischen Spielaufbaus. Hierbei gab es Rapid in den letzten Jahren vor allem Probleme in der zweiten und dritten Pressinginstanz und in den Abständen, wodurch sich sauber aufbauende Gegner immer wieder mit relativ einfachen, klaren Mitteln befreien konnten.
„Emotional, wild, intensiv – aber…“
Problematisch waren bei Rapid zuletzt auch Intensität und Positionsgenauigkeit im Gegenpressing, was Klauß nach einem Jahrzehnt bei RB Leipzig natürlich im kleinen Finger hat. Ihn auf einen klassischen „Red-Bull-Trainer“ zu reduzieren, wäre allerdings etwas zu kurzsichtig. Klauß selbst sagt über sein Spiel es sei „Emotional, wild, intensiv – und auf der anderen Seite zielgerichtet, mit klaren Abläufen und einem kühlen Kopf“. Gerade die Schlagworte zu Beginn dürften die stets nach kämpferischen Leistungen hungernden Rapid-Fans natürlich freuen, der Endteil könnte aber ein mindestens genauso zentrales Thema für die kurz- und mittelfristige Zukunft sein.
Mehrere „Abstände“ verringern
Die klaren Abläufe über die verschiedenen Phasen eines Fußballspiels waren bei Rapid zuletzt nicht umfassend gegeben. Zumeist hatte man Trainer, die einen klaren Fokus auf eine einzelne Phase legten und Klauß’ Aufgabe wird sein, die Mannschaft in diesen Phasen auszubalancieren. Die kurzfristige Aufgabe für den neuen Rapid-Coach wird demnach wohl vorsehen, dass das stark in die Breite gezogene Spiel unter Barisic (speziell gegen den Ball), kompakter gestaltet wird. Bis zur Winterpause muss Rapid tatsächlich einige „Abstände“ verringern – nicht nur die in der Tabelle, sondern auch die zwischen den Mannschaftsteilen auf dem Platz.
Vorerst Nuancen bearbeiten
Das Hartberg-Spiel, Zoran Barisic’ letztes als Rapid-Coach, bietet im Grunde eine gute Blaupause, wie man unbalanciert auftritt. Stark am Ball und dominant im Ballbesitz – wonach man auch in Zukunft trachten muss – aber unstrukturiert gegen den Ball und im defensiven Umschalten gegen einen guten Kontergegner. Klauß muss aber aufgrund der Vorarbeit von Barisic und der hohen individuellen Qualität im Kader tatsächlich vorerst nur an Nuancen arbeiten. Die Spiele gegen Blau-Weiß Linz und auswärts bei der WSG Tirol waren und sind natürlich Pflichtsiege, die mit den entsprechenden Adaptierungen gegen den Ball eingefahren werden sollten. Mit großer Spannung darf man aber auf die letzte Herbstrunde sehen, wenn Klauß mit Red Bull Salzburg der erste große Gradmesser bevorsteht.
Das Anpassen der unangenehmeren Dinge
Langfristig wird es also darauf ankommen, dass der eher ruhige, kaum polternde „Musterschüler“, die Mannschaft erreicht und ihnen die klaren Abläufe, quasi nach „deutscher Lehrmeinung“, näherbringt. Kurzfristig ist klar, dass Klauß vor allem individuell und gruppentaktisch kleine Änderungen und Verbesserungsvorschläge einbringen wird. Langfristig muss Rapid eine geölte Maschine sein, die sich in allen vier Phasen des Spiels nach Konzept bewegt – nicht nur in einer oder zwei und nicht nur über kurze Zeiträume, sondern konsequent und dauerhaft. Das Rüstzeug, dies zu schaffen, hat der deutsche Coach mit Sicherheit und auch die Bereitschaft das „Arbeiterspiel“ an die Erfordernisse anzupassen, wird bei ihm größer sein, als beim „ballverliebten“ Barisic. Nun kommt es darauf an, wie die Spieler mitziehen und wie gut sie die Adaptierungsvorgaben in die Tat umsetzen.
Ruf nach Flexiblität
Ein mittel- bis langfristiges Thema sollte zudem die formative und situative Flexibilisierung des Teams sein. Zwar bevorzugte Klauß auch in der Vergangenheit das bei Rapid seit jeher gängige 4-2-3-1, allerdings fiel er auch immer wieder mit Gegneradaptierungen auf und ließ etwa in Nürnberg auch die etwas tiefer ausgerichtete 4-3-1-2-Variante oder ein 4-4-2 mit Raute auflaufen. Systeme mit Dreierkette hatten bei ihm zwar Seltenheitswert, wurden aber ebenfalls situativ eingestreut. Die Winterpause sollte ausreichend Zeit bieten, um sich auch während eines Spiels formativ auf neue Gegebenheiten auszurichten. Das wiederum würde die von Barisic gerne zitierte „Einfachheit“, die bei Rapid zuletzt eher ein Hemmschuh war, aufbrechen. In den nächsten Wochen geht aber vorerst ums Kennenlernen und die bereits erwähnten, individuellen und gruppentaktischen Adaptierungen – eine Rapid-Elf mit anderer Handschrift darf man also erst 2024 erwarten.
Daniel Mandl, abseits.at
Daniel Mandl Chefredakteur
Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen
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