Die Fans der Wiener Austria durchleben aktuell eine harte Zeit. So euphorisch die Saison für die Anhänger mit den Verpflichtungen von Trainer Christian Ilzer... Die sportliche Krise der Austria (1) – Die verfehlte Kaderplanung

Die Fans der Wiener Austria durchleben aktuell eine harte Zeit. So euphorisch die Saison für die Anhänger mit den Verpflichtungen von Trainer Christian Ilzer und Sportvorstand Peter Stöger auch begann, herrscht nun weitestgehend Ernüchterung und Tristesse in Wien-Favoriten. Nach dem katastrophalen Saisonstart, mit aktuell nur drei Siegen in der Bundesliga und dem Aus im Cup und der Europa League, hängt der Haussegen bei den Violetten gewaltig schief. Dadurch riss der Geduldsfaden vieler Anhänger endgültig und Teile der Fans äußersten ihren Unmut in Form eines Stimmungsboykotts. Doch wie konnte es bei der Austria soweit kommen? Wo liegen die Ursachen für die Probleme? Warum bleibt trotz unterschiedlicher Trainer die Leistung auf einem niedrigen Niveau? Diesen Fragen versuchen wir auf den Grund zu gehen.

Kein Topverein mehr?

Hätte sich Peter Stöger vor seinem Amtsantritt die schwerstmöglichen Umstände ausgemalt, an dem er den Posten als Sportvorstand der Austria antritt, wäre die aktuelle Situation der Violetten wohl beschrieben worden. Zu beneiden ist der ehemalige Meister-Trainer der Violetten nicht und es gibt wesentlich angenehmere Wege, ein neues Projekt in Angriff zu nehmen. Nun muss Stöger prompt seine Qualitäten als Krisenmanager unter Beweis stellen und Auswege aus der sportlichen Tristesse finden. Als ersten Schritt sah sich Stöger daher genötigt, der Realität ins Auge zu blicken und den sportlichen Ist-Zustand der Austria zu beschreiben. Mit der Aussage „die Austria ist nur mehr Mittelmaß“ formulierte Stöger zwar eine drastische, aber nicht unrichtige These. Gefühlt befindet sich die Violetten seit dem Ende der Ära Fink in einer dauerhaften Krise, aus der es scheinbar keinen Ausweg gibt.

Was in der Saison 2017/18 unter Thorsten Fink mit dem schwierigen Herbst und der ausbleibenden Besserung im Frühjahr seinen Lauf nahm, sich in der Amtszeit von Thomas Letsch fortsetzte und nun in der sportlichen Talfahrt unter Christian Ilzer mündete, kann mittlerweile als krisenhafter Normalzustand beschrieben werden. Zwar konnte man mit Ach und Krach in der letzten Saison den vierten Tabellenplatz erreichen, doch von der negativen Stimmungslage änderte sich trotz dieser Platzierung wenig. Zu tief saßen die Enttäuschungen der letzten Jahre und die konstant schlechten Auftritte in den Knochen der Anhänger, als dass man in bessere Zeiten blicken konnte. Das änderte sich erst mit der Bestellung von Cheftrainer Christan Ilzer und Sportvorstand Peter Stöger, die die Hoffnung auf bessere Zeiten am Verteilerkreis wiedererweckte.

Von dieser Hoffnung ist drei Monate nach dem Saisonstart kaum ein Funke übriggeblieben, stattdessen zog wieder einmal die Ernüchterung ein. Doch warum schafft es ein aufstrebender Trainer wie Christan Ilzer nicht, die Austria in der Spitzengruppe zu etablieren, obwohl er bei qualitativ wesentlich schlechteren Mannschaften diese Fähigkeiten bereits unter Beweis gestellt hat?

Verfehlte Kaderplanung als Grundübel?

Blickt man auf den Kader zurück, den die Austria in der Saison 2017/2018 zur Verfügung hatte, so stellt man fest, dass aus der damaligen Mannschaft nicht mehr viel übrig geblieben ist. Ganze acht Spieler die damals eine Rolle spielten, sind heute noch ein Teil der Mannschaft (Borkovic und Demaku vollzogen erst langsam den Sprung), was zunächst mal zeigt, dass zwei Drittel des Kaders mittlerweile ausgetauscht wurden. Teilweise konnte man Leistungsträger ins Ausland verkaufen (u.a. Kayode,Filipovic,Larsen), manche Akteure sortierte man aus leistungstechnischen Gründen aus (wie Friesenbichler, Stronati, Hadzikic). Die Fluktuation im Kader der Austria war im Anbetracht des Zeitraumes also keine Geringe, ganz im Gegenteil.

Wenn man sich dann die Transferbilanz der Austria zu Gemüte führt, stellt man im Nachhinein fest, dass auf der Seite der Neuzugänge wenig Qualität geholt worden ist. Von den zehn Transfers in der Saison 2017/18, spielen de facto nur noch Christoph Monschein, Florian Klein und Michael Madl in der Mannschaft eine Rolle, der aus der RB-Akademie geholte Demaku befindet sich auf dem Weg dazu. Und selbst diese drei Akteuren sind während ihrer bisherigen Zeit nicht unumstritten geblieben und konnten zum Teil aus unterschiedlichen Gründen nicht wirklich konstant ihre Leistungen auf einem gewissen Niveau erbringen. Unter der Ägide von Ex-Sportdirektor Franz Wohlfahrt wies man also für diese Zeit eine ziemlich desolate Bilanz auf, was vor allem in Anbetracht der Abgänge von damaligen Schlüsselspielern besonders arg ins Gewicht fiel, da man diese nicht kompensieren konnte.

Umbruch unter Muhr führt keine Besserung herbei

Man hoffte daher, für die Saison 2018/19 die richtigen Schlüsse gezogen zu haben und den Kader nach dem enttäuschenden siebten Tabellenplatz qualitativ auf bessere Beine stellen zu können. Die Folge war, dass man einen großen Umbruch in die Wege leitete, bei dem erneut zwölf Neuzugänge in etwa neun Abgängen gegenüberstanden. Das Mysterium aus dieser Zeit lautet im Nachhinein wohl, wer genau für welche Neuverpflichtungen verantwortlich war. Mitten in der Transferperiode wurde Sportdirektor Franz Wohlfahrt nämlich seines Amtes enthoben und übernahm Ralf Muhr dessen Agenda, aber auch der damalige Trainer Thomas Letsch mischte kräftig in der Kaderplanung mit und hatte da ein gewichtiges Wort mitzuentscheiden.

Die Folge von der unklaren Kompetenzverteilung war, dass keine konsequente Arbeitsweise mehr festzustellen war. Während Ex-Sportdirektor Wohlfahrt mit Maximilian Sax etwa einen klassischen Flügelstürmer nach Favoriten holte, setzte Trainer Thomas Letsch auf ein Grundsystem mit einer Raute im Mittelfeld und einer klaren Doppelspitze im Sturm, weshalb Flügelspieler überflüssig wurden. Darüber hinaus wollte man mehr Physis und Kampfkraft in die Mannschaft bringen, um ein intensiveres Pressing betreiben zu können, weshalb Spieler wie Jeggo, Ebner oder Edomwonyi geholt wurden. Daher legten sich die Verantwortlichen Muhr und Letsch auch auf diese „rautenförmige“ Grundstruktur fest und dementsprechend wurden in der Kaderplanung die entsprechenden Positionen besetzt, während andere vernachlässigt wurden.

Dieser vollzogene Schritt war kein kleiner und hatte im Endeffekt große Auswirkungen. Da man den Kader aufgrund der wirtschaftlichen Möglichkeiten nicht noch radikaler umgestalten konnte und es daher mehrerer Transferperioden bedurfte, um die Kaderstruktur langfristig auf das Spielsystem der „Raute“ auszurichten, ging man ein gewisses Wagnis ein und lieferte sich dem Vorhaben mehr oder weniger aus. Das Resultat war, dass man einen schlechten Saisonstart hinlegte und die Mannschaft überhaupt nicht in Fahrt kam. Schlüsselspieler wie Matic oder Grünwald fühlten sich auf den Halbpositionen in der Raute überhaupt nicht wohl und es fehlte nicht nur an den personellen Alternativen auf der „Acht“, sondern auch an den passenden Außenverteidigern, die über die Breite für Druck und eine passende Balance sorgen konnten.

Die Folge davon war, dass Ex-Trainer Letsch aus kurzfristigen sportlichen Überlegungen wieder Abstand von der Raute nehmen musste, da der Druck aufgrund der ausbleibenden Resultate auf ihn zunahm. Stattdessen setzte man nun u.a. öfter auf ein 4-3-3, wo Flügelspieler wie etwa Venuto plötzlich doch wieder gefragt waren. Allerdings hatte man aufgrund der damaligen Verletzung von Sax und der entsprechenden Kaderplanung kaum Flügelspieler zur Verfügung, weshalb Spieler wie Ewandro, Prokop oder Friesenbichler notgedrungen auf dem Flügel aushelfen mussten.

Dieser Abschnitt ist neben der schlechten Basis des letzten Wohlfahrt-Jahres sicherlich der große Grund, für die ausbleibenden Erfolge und die sportliche Talfahrt der Wiener Austria. Man verlegte sich in der Kaderplanung inhaltlich vollkommen auf ein Grundsystem, nur um dann nach wenigen Monaten wieder davon Abstand zu nehmen und die ganzen Planungen mehr oder weniger über den Haufen zu werfen. Das führte zu einer Unausgewogenheit der Kaderstruktur und diese wurde sogar verstärkt, indem man im Winter Venuto verkaufte und keinen Ersatz holte, weshalb mit Sax nur ein einziger Flügelspieler im Kader anzutreffen war. Man konnte in der Winterperiode auch nicht wirklich nachlegen, da man die finanziellen Ressourcen im Sommer weitestgehend aufbrauchte und man den Gürtel enger schnallen musste.

Schaut man sich darüber hinaus die einzelnen Personalien an, die im Sommer 2018 verpflichtet wurden, so muss man feststellen, dass auch in dieser Transferperiode qualitativ nicht wirklich nachgelegt worden ist. Mit Turgeman, Sax, Jeggo, Edomwonyi, Schoissengeyr und Ebner sind zwar einige Spieler noch Teil der Mannschaft, allerdings zum Leistungsträger oder Schlüsselspieler hat sich bislang keiner von ihnen entwickelt. Das kann sich natürlich noch ändern, da einige Akteure zweifellos Potenzial haben und sie in einem funktionierenden Team wesentlich besser zur Geltung kommen würden. Allerdings sieht die Bilanz nach derzeitigem Stand ebenfalls nicht wirklich gut aus.

Erschwerend kommt dann noch hinzu, dass man in der letzten Sommertransferperiode 2019, wirtschaftlich aus einem noch engeren Korsett heraus agieren musste, als es das Jahr zuvor noch der Fall war. Es war letztlich ja auch nicht geplant, nach nur 12 Monaten noch einmal einen größeren Umbruch vollziehen zu müssen und wieder Abstand von der Raute und der darauf aufbauenden Kaderstruktur zu nehmen. Daher suchte man auch einen Trainer, der auf dem Vorhandenen aufbauen und aus dem Kaderpotenzial mehr herausholen würde.

Morgen sehen wir uns im zweiten Teil an inwieweit Ilzer verantwortlich für die Misere ist

Dalibor Babic