Das ÖFB-Nationalteam ist ein leidiges Thema: Mit Marcel Koller qualifizierten sich die rot-weiß-roten Mannen 2016 zwar erstmals seit der WM ’98 für ein Großereignis,... Anekdote zum Sonntag (174) – Entschuldigung, wie war Ihr Name?

Das ÖFB-Nationalteam ist ein leidiges Thema: Mit Marcel Koller qualifizierten sich die rot-weiß-roten Mannen 2016 zwar erstmals seit der WM ’98 für ein Großereignis, als man in Frankreich jedoch eher blamabel agierte, verebbte die Euphorie, die der Schweizer nach Österreich getragen hatte, langsam wieder. Es kam, wie es kommen musste und Koller nahm nach der gescheiterten WM-Quali für die Endrunde 2018 seinen Hut. Nachfolger wurde Franco Foda; aktuell prophezeit die ÖFB-Führung ein Re-Branding unter Ralf Rangnick.     

Eine derartige Neuorientierung hatten Ruttensteiner, Stickler und Co. schon mehr als zehn Jahre früher nach der erfolglosen Heim-EM 2008 versucht: Damals backten die ÖFB-Herren jedoch noch kleinere Brötchen und suchten einen, von dem sie dachten, der müsse es können: Der fast 70-jährige Karel Brückner, der zuvor über zehn Jahre für den tschechischen Nationalverband tätig gewesen war, folgte Pepi Hickersberger als Teamchef nach. Peter Pacult nannte ihn den „weißen Riesen aus der Tschechei.“

Tatsächlich änderte sich mit dem Amtsantritt des weißhaarigen Fußballfachmanns so Einiges beim ÖFB: Brückner erklärte den Journalisten bei der Pressekonferenz ohne Umschweife, er werde mit ihnen nicht über die nominierten Spieler diskutieren. Weiters ortete der Tscheche Mängel im taktischen und mentalen Bereich beim ÖFB-Team. Seine Vorbereitung auf die Gegner erledigte der Ex‑Angreifer gern auf seiner Olmützer Couch, indem er sich DVDs mit Spielen ansah.

Brückners Teamkader für das erste Testspiel gegen Italien im August 2008 bestand aus Kickern, die heut nicht einmal auf Abruf bei der Nationalmannschaft dabei wären: Kienast, Maierhofer, Scharner und Co. Überraschenderweise traf diese Elf aber (fast) vier Mal gegen die Azzurri – leider zweimal ins eigene Tor. Obwohl Italien mehr Spielanteile hatte, rettete die ÖFB-Defensive einen 2:2-Achtungserfolg über die Zeit. Noch besser lief es wenige Wochen später, als Frankreich zum Start der WM‑Qualifikation mit 3:1 besiegt wurde. Plötzlich brannte das Euphorie-Feuer lichterloh und der „weiße Riese“ selbst musste die Erwartungshaltung drücken: „Ein Vogel macht nicht den Frühling.“, erinnerte Brückner. Wie sehr dieser Satz zutraf, wusste der Teamchef damals wohl selbst nicht, denn der Sieg gegen die Grande Nation sollte sein einziger voller Erfolg bleiben: Im März 2009 wurde er nach drei Niederlagen und einem Unentschieden von seinen Aufgaben als ÖFB-Trainer entbunden.

Zuvor – im November 2008 – war zum Abschluss des Länderspieljahres ein Test gegen die Türkei angestanden. Zwei Tage vor dem Match trudelten die Absagen der Stammspieler jedoch im Minutentakt ein: Marc Janko und Stefan Maierhofer sagten wegen Oberschenkelverhärtungen ab, auch Korkmaz, Harnik, Schiemer und Manninger blieben dem Team aus Verletzungsgründen fern. Brückner nominierte neben Tormann Schranz, auch Erwin Hoffer und den Grazer Marko Stanković nach. Der in Krems an der Donau Geborene und in Leoben aufgewachsene Stanko wurde – wie Rubin Okotie und Michael Gspurning – erstmals ins Team einberufen. Ein großer Tag für ihn und seine Familie, wie Papa Dejan nach dem Karriereende seines Sohnes erklärte: „Das war mehr wert als sein Tor in der CL-Quali. Österreich hat uns als Land alles gegeben. Ich war so stolz, dass Marko für Österreich spielen darf. Das war das Höchste der Gefühle.“ Stanković wurde in der 70. Minute beim späteren Endstand von 2:4 eingewechselt. Es sollte der einzige Teameinsatz des Serie B-Legionärs bleiben, womit der Meisterkicker (2013 mit der Austria) zu den One-Match-Wondern der Rot-Weiß-Roten gehört.

Pikant ist aber, was sich in der ersten Trainingseinheit vor dem Testspiel zugetragen hatte: Brückner und seine Assistenten pfiffen die aufgewärmten ÖFB-Spieler zusammen, um im Mittelkreis den bevorstehenden Trainingstag zu erörtern. Der 69-jährige Olmützer begrüßte die Spieler in gutturalem Deutsch und wandte sich insbesondere an die Neulinge im Teamdress. Er richtete einige Worte an Griechenland‑Legionär Gspurning und Austrias Jungstar Okotie und hieß sie im Kreise der Nationalmannschaft willkommen. Als er sich schließlich anschickte Marko Stanković persönlich zu begrüßen, wollte ihm jedoch partout nicht der Name des Mittelfeldspielers einfallen. Assistent Ján Kocian konnte auch nicht helfen. Brückner rang verzweifelt um Worte. Die Teamspieler merkten, dass ihn sein Gedächtnis im Stich ließ und versuchten ihr Schmunzeln zu verbergen. Die Rettung nahte für den Tschechen jedoch in Form von Andi Herzog – seines Zeichens Co-Trainer: Herzerl flüsterte seinem Chef den Namen des Schwoazn ein. Brückner atmete erleichtert auf. Peinlich war die Situation dennoch.

Diese Geschichte verdeutlicht, dass es um die Gesundheit des „weißen Riesen“ damals nicht gut bestellt war: Der Ex-Profi war erschöpft. Nachdem sein Vertrag im Frühling 2009 aufgelöst worden war, erklärte er aus gesundheitlichen Gründen kein Amt mehr antreten zu wollen. Roman Mählich, der sich als einer der wenigen Fußballexperten nach dem Einspringen von „Feuerwehrmann“ Constantini für einen Nationaltrainer aus dem Ausland einsetzte, brachte es mit knappen Worten auf den Punkt: „Brückner war sicher ein Blödsinn. Er war einfach ausgebrannt.“   

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag