In dieser Serie gehen wir auf einzelne Weltklassetalente ein, die auf dem Sprung standen – und ihn nicht schafften. Zumeist waren es persönliche Tragödien,... Verlorene Weltklassespieler (2) – Vitaly Daraselia

SpielszeneIn dieser Serie gehen wir auf einzelne Weltklassetalente ein, die auf dem Sprung standen – und ihn nicht schafften. Zumeist waren es persönliche Tragödien, Verletzungen oder einfach die Umstände ihrer Karriere: Die Aussage „Zur falschen Zeit am falschen Ort“ kann manchmal schmerzhaft wahr sein.

Wir lassen die Karrieren diverser Akteure Revue passieren, spekulieren über die mögliche Auswirkung ihres fehlenden Durchbruchs in der Geschichte des Fußballs und ein kleines „was wäre, wenn…?“ darf natürlich auch nicht fehlen. Immerhin besitzt nahezu jeder Fußballfan noch eine schöne Erinnerung an solche Spieler und jene fragende Wehmut, welche Erinnerungen man nicht verpasst hat.

In diesem Teil widmen wir uns …

Vitaly Daraselia

Der FC Dinamo Tiflis ist der Rekordmeister in der obersten georgischen Spielklasse. Von Erfolgen in europäischen Wettbewerben ist die Traditionsmannschaft allerdings weit entfernt. Seit dem Zerfall der sowjetischen Republik 1991 qualifizierten sie sich nur für zweimal für einen europäischen Wettbewerb, nach dem Bosman-Urteil schafften sie es nur ein einziges Mal. Im Jahre 2005 kamen sie bis in die Gruppenphase des UEFA-Pokals. Ganz anders sah dies noch vor 30 Jahren aus.

Große Zeiten für Dinamo

Ende der 70er-Jahre schienen die Georgier das Unmögliche möglich gemacht zu haben. Sie holten nach 1964 ihren zweiten Meistertitel und drei Jahre später, 1981, eroberten sie sogar den Europapokal der Pokalsieger, mit einem Finalsieg gegen Carl Zeiss Jena. In den 60er-Jahren hatten sie ihren Meistertitel dem legendären Linksaußen Mikheil Meskhi zu verdanken, der gemeinsam mit Slava Metreveli die beste Flügelzange der Sowjetunion bildete.

14 Jahre später war es keine Flügelzange mit zwei Individualisten mit Weltklasseformat, sondern eine enorm starke und kollektiv spielende zentrale Achse. Torhüter Otari Gabeliya war einer der besten Torhüter des Landes und galt als maßlos unterschätzt. Vor ihm sicherte Kapitän und Abwehrchef Aleksandr Chivadze nicht nur die Verteidigung ab, sondern schaltete sich öfters in Angriffe mit ein. Wenn nötig, konnte er auch in bestimmten Spielen als Sechser auflaufen. Der Georgier sollte später sogar Kapitän der sowjetischen Nationalmannschaft werden.

Normalerweise agierte vor ihm Tengiz Sulakvelidze im Mittelfeld. Er war ein lauf- und zweikampfstarker Sechser mit einer guten Übersicht. Im Sturm arbeitete der dribbelstarke Vladimir Gutsaev dem enorm abschlussstarken und schnellen Ramaz Shengelia zu. Doch die beiden wichtigsten Akteure befanden sich im Mittelfeld. Deren tragisches Ende sollte auch zum Zerfall dieser goldenen Generation sorgen.

Einer davon war Zehner und technisch herausragende David Kipiani, der die tödlichen Pässe spielte und von dessen schwerer Verletzung 1982 sich diese Mannschaft nie erholen sollte. Der zweite wichtige Mittelfeldakteur hatte ein noch tragischeres Schicksal – und stand oft auch in Kipianis Schatten, obwohl sie beide herausragende Fußballer waren.

Ein moderner Achter

Sein Name war Vitaliy Daraselia. Der nur 1,72m große und mit einem Körperbau wie Diego Maradona gesegnete Achter war zu jener Zeit einer der modernsten Spieler in der gesamten sowjetischen Liga. Je nach Situation oder Gegner konnte er auf der Sechs spielen oder sich etwas weiter vorne am Angriffsspiel beteiligen. Seine Idealposition war aber in der Mitte – zwischen Kipiani und Sulakvelidze.

Im Gegensatz zu den beiden Spezialisten konnte Daraselia alles. Hinten eroberte er die Bälle mit seiner Bissigkeit oder fing Pässe dank seiner Spielintelligenz ab, im Spiel nach vorne nutzte er seine Technik und Übersicht, um schnelle Konterangriffe einzuleiten. Heutzutage würde man ihn wohl als technisch starken box-to-box-Mittelfeldspieler bezeichnen; ähnlich wie zum Beispiel Bastian Schweinsteiger, bei den langen Bällen vielleicht nicht ganz so strategisch und technisch versiert, dafür aber etwas dynamischer.

Eine georgische Tragödie

Seine vielversprechende Karriere sollte aber bald ihr Ende finden. Eigentlich schien alles perfekt zu laufen – Daraselia wurde 1978 mit nur 21 Jahren Meister und erhielt daraufhin erste Einsätze in der Nationalmannschaft. Im folgenden Jahr gewann die Mannschaft sie den prestigeträchtigen sowjetischen Pokal und zwei Jahre später den Europapokal der Pokalsieger. Im Finale erzielte er sogar den entscheidenden Treffer zum 2:1-Sieg – und wurde zu einem Nationalheld der Georgier. Mit tollen Dribblings ließ er zwei gegnerische Verteidiger aussteigen und platzierte den darauffolgenden Schuss perfekt ins Eck.

Im nächsten Jahr folgte gleich der nächste Meilenstein in seiner Karriere. Seine Leistungen in der heimischen Liga wurden belohnt und er wurde zur WM 1982 mitgenommen. Doch kurz nach dem Turnier nahm seine Karriere ein abruptes Ende.

Bei einem Autounfall kam Daraselia ums Leben. Sein Auto und seine Leiche wurden erst nach ein paar Tagen geborgen. Seine Karriere und sein Talent blieben somit unerfüllt – und mit dem verletzungsbedingten Karriereende seines Partners Kipiani wurde DinamoTiflis zu einer Durchschnittsmannschaft. Hatten sie 1981 noch den Cup der Cupsieger gewonnen, schafften sie es von 1983 bis 1989 nur einmal in die Endphase eines internationalen Turniers. Oft schieden sie schon in der ersten Runde des sowjetischen Pokals aus.

Daraselia hinterließ bei seinem Tod seine Frau und einen neugeborenen Sohn. Seine Geschichte ist ebenfalls eine besondere: Vitaly Daraselia sagte vor einem Spiel gegen SSC Neapel, dass er seinen Sohn nach dem Torschützen benennen würde – und traf prompt selbst. Sein Sohn Vitaly Daraselia jr. wurde später auch zu einem Profi bei Dinamo Tiflis und Nationalspieler Georgiens.

Rene Maric, abseits.at

Rene Maric

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