Erstmals unter Didi Kühbauer gewinnt Rapid fünf Bundesligaspiele in Folge. Mit dem 1:0-Heimsieg über den Wolfsberger AC übernimmt der SK Rapid – zumindest bis... Analyse: Rapid gewinnt zerfahrene Partie gegen den WAC

Erstmals unter Didi Kühbauer gewinnt Rapid fünf Bundesligaspiele in Folge. Mit dem 1:0-Heimsieg über den Wolfsberger AC übernimmt der SK Rapid – zumindest bis heute Abend – die Tabellenführung in der Bundesliga. Das Spiel selbst war, etwas unerwartet, kein besonderer Leckerbissen.

Wenn Rapid und der WAC in den letzten Jahren aufeinandertrafen war immer einiges los. Zuletzt gab es im Lavanttal einen spektakulären 4:3-Sieg der Hütteldorfer, in den letzten vier Spielen fielen immer mindestens drei Tore und das letzte torlose Remis gab es im Sommer 2018. Diesmal entwickelte sich allerdings eines der zerfahrensten Spiele der gesamten Saison, was verschiedene Gründe hatte.

Rapid muss Schlüsselspieler vorgeben

Zunächst stand Rapid einmal mehr vor der Aufgabe Schlüsselspieler ersetzen zu müssen. Speziell der Ausfall zweier Stützen auf der Zentralachse – Ljubicic im zentralen Mittelfeld und Hofmann im Abwehrzentrum – stellte Rapid vor strategische Probleme. Der 19-jährige Leo Greiml musste dadurch, wie schon gegen den LASK, recht spontan in eine verantwortungsvolle Rolle als Aufbauspieler springen, während man sich von Srdjan Grahovac eine ähnliche Leistung wie gegen den LASK erhoffte. Der Rapid-Kapitän startete neben dem zuletzt überragenden Dejan Petrovic.

Rapid will Masse im Zentrum, WAC ebenfalls…

Rapid hatte demnach mit Ausfällen zu kämpfen, die vor allem das spielerische Element erschwerten. Mit Ritzmaier als nominellen Linksaußen versuchte man Ljubicic’ Ausfall dahingehend zu kompensieren, dass die Barnsley-Leihgabe kein Flügelläufer ist, sondern eher einrückt und damit das Mittelfeld im Zentrum und auf der Halbposition verdichten kann. Dadurch wollte man mehr Masse in der Zentrale schaffen – aber der WAC arbeitete konsequent gegen diese Idee.

„Unangenehme“ WAC-Ausrichtung im Mittelfeld

Die Spektakel der letzten Jahre waren vor allem deshalb möglich, weil beim WAC weitgehend alles bestens funktionierte. Mit nur 21 Punkten aus den ersten 15 Spielen standen die Lavanttaler diesmal aber mit dem Rücken zur Wand und mussten über Kampf und defensive Stabilität ins Spiel finden. Mit den kampfstarken Sprangler und Stratznig neben dem schnell hinter den Ball kommenden Taferner wählte man eine asymmetrische, wie auch für den Gegner unangenehme Ausrichtung im defensiven Mittelfeld.

Liendl als Freigeist, Hoffnung auf Tiefgang durch Dieng

Die Wolfsberger standen durchschnittlich äußerst tief, suchten kein Offensivpressing, ließen Liendl auch gegen den Ball eher passiv seine Kreise ziehen. Liendl sollte derjenige sein, der nach Ballgewinnen die Dritteln miteinander verbindet. Mit Cheikhou Dieng wollte der WAC Tiefgang bekommen, Vizinger wurde als beweglicherer Angreifer Joveljic vorgezogen. Die tiefe Gesamtposition des Teams hätte es Joveljic schwer gemacht und ihn in viele undankbare Duelle verwickelt bzw. viele leere Meter laufen lassen.

Attacke auf Rapids Passsicherheit: Petrovic und Grahovac werden zugestellt

Wolfsberg schaffte es aber weitgehend sehr gut, die Kreise der Hütteldorfer zu stören, indem das Zentrum enorm eng gemacht wurde. Damit schränkte man speziell die Kreise von Grahovac und Petrovic ein, die in den meisten Szenen kaum Zeit hatten, ein sauberes und vor allem vertikales Kurzpassspiel aufzubauen. Gerade Petrovic, der sonst kaum Fehler begeht, konnte sich nie entfalten und fand nur selten Lösungen, die auch Raumgewinne zur Folge hatten. Zudem wurde seine Verbindung zum in der Luft hängenden Knasmüllner völlig gekappt. Auch weil einer der WAC-Innenverteidiger häufig aus der Kette rückte, um den Zwischenlinienraum abzudecken.

Seltene hohe Pressingmomente

Damit kam Rapid nur schwer zurecht, fand aber recht bald Lösungen. Das Spiel auf Pressing aufzubauen, war aufgrund der geringen Ballbesitzzeiten des WAC nur schwer möglich. Wenn die Wolfsberger aber das Spiel aufbauten, war das Pressingmuster der Hütteldorfer durchaus klar. Die Mitte wurde gut zugestellt, die Kärntner sollten im Aufbau zur Seite gelenkt oder zu einem langen Ball gezwungen werden. Auf diese beiden Auslöser reagierte Rapid gut und attackierte entweder den Außenverteidiger sehr aktiv (wobei das Nachrücken der zweiten Pressingreihe noch verbesserungswürdig war) oder ging konsequent in die Duelle nach langen Bällen. Grundsätzlich fiel auch einer solchen Pressingsituation über Umwege das glückliche Goldtor durch Ercan Karas haltbaren Schuss.

Fehlpassorgie dank „Störfußball“

Die allermeiste Zeit hatte aber Rapid den Ball. Speziell in der ersten Halbzeit hatte der WAC nicht allzu große Lust, das Spiel zu gestalten, sondern wollte nur die Ballsicherheit der wichtigsten Ankerpunkte Rapids stören. Das gelang auch, weshalb sich eine wahre Fehlpassorgie entwickelte. In kaum einem Spiel der laufenden Saison wechselte der Ballbesitz so häufig wie am gestrigen Abend. Diese Probleme begannen in Rapids Aufbauspiel (Barac), zogen sich ins zentrale Mittelfeld (Grahovac, aber vor allem Petrovic), bis ins offensive Mittelfeld (Knasmüllners Isolation) und gingen auch auf die Flügel über (Ritzmaier und einige unglückliche Szenen Schicks).

Rapid aktiviert wieder den „Ping-Pong-Fußball“

Rapid griff demnach recht bald auf ein Spielmuster zurück, das sich zuletzt immer besser bewährte und das man dank Ercan Kara nun auch äußerst effizient spielen kann: Der hohe Ball nach vorne. Die defensive Stabilität, die speziell durch den überragenden Greiml hergestellt wurde, war hierfür die Basis. Balleroberungen im eigenen Defensivverbund und damit verbundene Ballsicherungen waren praktisch der Unterbau dafür, dass man das durch die Lavanttaler massiv verdichtete Mittelfeld systematisch überbrücken konnte.

Enorm aktiver Kara führt 51 Duelle

Wie Kara diese langen Bälle verarbeitete, kann es wohl derzeit kein anderer Stürmer der Liga. Der Goldtorschütze nahm jeden Zweikampf an, kam praktisch jedes Mal vor seinen jeweiligen Gegenspieler und schaffte es, auch schwierige Bälle perfekt zu verarbeiten und phasenweise sogar noch erfolgreich zu dribbeln. Insgesamt führte Kara unglaubliche 51 Duelle, wobei er starke 55% gewann. Dass daraus nicht mehr Torchancen resultierten, lag am fehlenden Tiefgang auf der linken Seite (Ritzmaier) und die unglückliche Partie Schicks auf rechts. Doch Rapid bekam durch diese Herangehensweise Entlastung in hohen Zonen zustande, weshalb auch der WAC stets gefragt war, den Ball in der eigenen Hälfte zurückzuerobern, anstatt den Gegner in gefährlichen Zonen unter Druck zu setzen.

Rapid setzt auf Sicherheit „nach hinten“

Von allen Rapid-Mittelfeldspielern war Christoph Knasmüllner mit 62,5% Erfolgsquote der beste Passspieler in der gegnerischen Hälfte. Der sonst so passsichere Petrovic kam etwa nur auf 40,9%. Durch die tiefstehende und engmaschige Zentrale der Wolfsberger war schnell klar, dass ein feines Durchkombinieren in dieser phasenweise zermürbenden Partie nicht drin sein wird. Und genau in diesem Wissen tat das Rapid-Mittelfeld nach und nach etwas, was in einem Chaosspiel dennoch Sicherheit brachte: Man spielte in den richtigen Momenten retour.

Häufiger Neuaufbau stabilisiert Rapid

Wenn die von Wolfsberg im Mittelfeld ausgeübte Pressinglast zu hoch wurde, entschied man sich bei Rapid mehrfach für einen Neuaufbau – obwohl man sich durch die durchschnittlichen Feldpositionen der beiden Mannschaften bereits recht nah am gegnerischen Sechzehner befand. Das sah phasenweise nach „Verhinderungsfußball“ aus, war aber enorm wichtig und clever, weil man sich so einerseits ein wenig Luft verschaffen konnte und andererseits die Möglichkeit verhinderte, dass der WAC Bälle gewinnen und schnell kontern konnte, während man selbst hoch stand.

Rapid nützt die Länge des Spielfelds und zieht den WAC auseinander

Durch die tiefe Position des Wolfsberger Blocks waren derartige Rückpässe auch nicht sonderlich gefährlich, zumal die absichernden Spieler kaum Gefahr liefen, schnell gepresst zu werden. Wenn sich Rapid im Mittelfeld aufrieb und in der Enge des Raums Lösungen suchte und nicht fand, waren diese Rückpässe also ein essentielles Mittel, um sich selbst zu entlasten und darüber hinaus wieder in Ruhe den langen Ball auf Kara suchen zu können. Dadurch nahm Rapid dem WAC die Möglichkeit mehr Bälle zu erobern und zog den Gegner außerdem wie eine Ziehharmonika auseinander.

1:0-Sieg durch ein wenig mehr Cleverness

Das Resultat daraus war, dass der WAC zwar kämpferisch ebenbürtig war, aber kaum spielerischen Zugriff fand. Rapid spielte gegen einen unangenehmen Gegner also um eine Nuance cleverer und wurde mit einem glücklichen Tor belohnt. Wenn diese Partie 0:0 geendet hätte, wäre allerdings bestimmt auch niemand verwundert gewesen. Dass Rapid aber gerade solche Partien für sich entscheidet, spricht für den Teamgeist und auch die Mentalität der Mannschaft in der aktuellen Saisonphase.

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Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen