Etwas still, etwas heimlich und vor allem für interessierte Beobachter relativ spät debütierte Melih Ibrahimoglu beim 3:3 Rapids gegen Hartberg in der Kampfmannschaft. In... Ibrahimoglu: Kühbauer holt den „heimlichen Nachwuchsstar“ in die Bundesliga

Etwas still, etwas heimlich und vor allem für interessierte Beobachter relativ spät debütierte Melih Ibrahimoglu beim 3:3 Rapids gegen Hartberg in der Kampfmannschaft. In Zukunft wird sich der 19-Jährige aber wohl nicht mehr aus der „Ersten“ der Hütteldorfer hinausdrücken lassen.

Erst im vergangenen März debütierte Ibrahimoglu 18-jährig in Österreichs U20-Nationalteam. Knapp zehn Wochen zuvor zeigte er beim Mercedes-Benz Junior Cup in Sindelfingen, einem der renommiertesten Nachwuchshallenturniere Europas, groß auf. Für viele Beobachter war er dort der „heimliche beste Spieler“ des Turniers, wurde aber von seinem über drei Jahre jüngeren Teamkollegen Yusuf Demir vom „Thron“ gestoßen, weil dieser eben die spektakuläreren Dinge und mehr Tore machte.

Späte Leistungsexplosion im Nachwuchs

Ibrahimoglu war damals der einzige teilnehmende Rapid-Spieler, der noch nie mit Nachwuchsnationalteams in Berührung kam. Dies hatte damit zu tun, dass der Box-to-Box-Midfielder eher als Spätzünder zu bezeichnen ist. In den Nachwuchsauswahlen Rapids spielte er stets solide, die großen Ausreißer nach oben gab es aber nicht. Erst zu Beginn der abgelaufenen Saison 2018/19, als er erstmals bei den Amateuren ran durfte, folgte die Leistungsexplosion.

„Mister Ice“

Der 175cm große Mittelfeldspieler avancierte binnen kürzester Zeit zur absoluten Stütze der zweiten Mannschaft. Ein Spitzname bei Rapid ist „Mister Ice“, weil der Sohn türkischer Einwanderer und in seinem Vaterland Anhänger von Trabzonspor, auf dem Platz keine Nerven zeigt. „Er hat einen Ruhepuls von Minus 2“, meinte etwa zuletzt einer seiner Betreuer scherzhaft. Das zeigt sich bei Ibrahimoglu nicht nur bei seinen todsicheren Elfmetern, sondern ganz speziell im Spiel mit dem Ball.

Körperlicher Sprung sorgt für Bundesligatauglichkeit

Der große Sprung kam bei Ibrahimoglu, dessen Bruder Mücahit für Rapids U15-Mannschaft aufläuft, als er körperlich einen großen Schritt nach vorne machte und dadurch praktisch auf Anhieb wesentlich präsenter wurde. Ansätze sah man bereits früh, aber mit knapp 16 Jahren war Ibrahimoglu, der auf einer sehr komplexen Position zum Einsatz kommt, körperlich noch nicht weit genug für höhere Aufgaben. Dies befand auch Cheftrainer Didi Kühbauer, der den Mittelfeldspieler ins Wintertrainingslager in die Türkei mitnahm, dann aber meinte, dass es für die Bundesliga noch zu früh wäre.

Starke Statistiken und internationales Interesse

Ibrahimoglu empfahl sich aber weiter über die Amateure. In der vergangenen Spielzeit brachte er es auf sieben Tore und zwölf Assists, in der laufenden Saison hält er bereits bei drei Toren und vier Assists aus gerademal sieben Spielen. Dies entspricht einer direkten Torbeteiligung pro 79 Minuten und das folgerichtige Bundesligadebüt. Im Frühjahr soll es Interesse von Werder Bremen und Inter Mailand, im Sommer von Fenerbahce Istanbul gegeben haben. Der Youngster blieb aber bei Rapid und hält in Hütteldorf noch einen Vertrag bis 2021.

„Die besten Aufdrehbewegungen“

Noch viel interessanter sind allerdings die Dinge, die Ibrahimoglu in der Entstehungsgeschichte von Treffern macht. Der 19-Jährige ist auf der Sechserposition enorm präsent, fordert extrem viele Bälle, ist keiner der sich versteckt. Kühbauer betonte im Gespräch mit dem Kurier, dass Ibrahimoglus Aufdrehbewegungen die besten im Profikader (!) sind. Das alleine ist schon eine positive Eigenschaft für einen Sechser/Achter, aber der Spieler hat zudem keine Angst davor, den Ball danach auch konsequent nach vorne zu treiben.

So schnell wie möglich hinter die nächste Linie

Es kommt sehr häufig vor, dass Ibrahimoglu mit nur einer Bewegung eine ganze Linie bzw. eine Pressinggruppe des Gegners aussteigen lässt. Häufiger als alle andere Spieler versucht er möglichst schnell und mit möglichst wenig Aufwand eine Linie des Gegners hinter sich zu lassen und in die nächste Zone in der Tiefe zu kommen. Vergleichbar ist dies etwa mit den Tempodribblings von Galvao, die bei Rapid eine Saison lang praktisch alle Beobachter verzückten. Aber Ibrahimoglus Schwerpunkt liegt höher und so kommt er mit nur wenigen, dynamischen Bewegungen in die direkte Gefahrenzone. Galvao startete derartige Dribblings zumeist unbedrängt aus der Abwehr heraus, Ibrahimoglu muss sie mit dem von Kühbauer besagten ersten Kontakt machen, was oft noch spektakulärer anmutet.

Mehr Dynamik und Überladungen in der Zentrale

Obendrein geschieht dies in der Zentrale und nicht auf dem Flügel oder einer Halbposition, was in der Regionalliga viele Gegner in eine Bredouille brachte. Rapid II kam somit immer wieder in Situationen, in denen die Mittelfeldzentrale massiv überladen werden konnte, die Flügel in ihrem Antizipationsspiel viel freier waren und die Stürmer tiefgehen konnten. Das Resultat daraus war, dass die allermeisten Assists von Ibrahimoglu für Stürmertore erfolgten, was auf seiner Position in diesem Ausmaß eher ungewöhnlich ist. Sein Hauptabnehmer war Daniel Markl, aber auch Kelvin Arase bedankte sich beim Uhrwerk der Rapid Amateure schon für so manchen Assist.

Einer, den man einfach gut finden muss

Neben seiner großen Dynamik und den ständigen Versuchen sofort hinter gegnerische Linien zu kommen, sind auch Technik und Laufstärke die großen Pluspunkte des mittlerweile zweifachen U20-Teamspielers. Zudem ist der „Käfigkicker“ wieder ein Junger, der das Potential zum Publikumsliebling hat – einerseits eben wegen seiner Nervenstärke, andererseits, weil er auch keiner ist, der liegen bleibt oder „sudert“, sondern vollkommen auf sein Spiel fokussiert ist und sich nur sehr schwer einschüchtern oder aus der Ruhe bringen lässt.

Momentan besser für die Spiele gegen „Kleine“

Viele Juwelen wurden in den letzten Wochen und Monaten von Didi Kühbauer forciert und als Dalibor Velimirovic im wichtigen Derby sein ausgezeichnetes Debüt gab, konnten viele Beobachter der zweiten Mannschaft kaum verstehen, wieso gerade auf dieser Position Ibrahimoglu übergangen wurde. Nun ist Melih aber doch da und es kam nicht von ungefähr, dass das Debüt zu Hause gegen Hartberg und nicht auswärts im Derby folgte. Im Zuge seiner ersten Schritte in der Kampfmannschaft sind die Heimspiele gegen „kleinere Gegner“ sicher idealer als die Spitzenspiele. Auch wenn er gegen den Ball kampfkräftig ist und viele Bälle erobert, fühlt sich Ibrahimoglu noch wohler, wenn er das Spiel machen kann, was in der Schlussphase gegen Hartberg gefragter war als sonst wo. Man darf sich aber wohl noch auf den ersten Startelfeinsatz im Laufe dieses Kalenderjahres freuen, denn in der Regionalliga hält den 19-Jährigen qualitativ kaum noch etwas auf…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen