Thierry Gale wird der erste Kicker aus Barbados in der heimischen Bundesliga sein: Der SK Rapid verpflichtete den 21-jährigen Linksaußen und machte ihn damit... Spieleranalyse: Das ist Rapid-Neuzugang Thierry Gale!

Thierry Gale wird der erste Kicker aus Barbados in der heimischen Bundesliga sein: Der SK Rapid verpflichtete den 21-jährigen Linksaußen und machte ihn damit trotz der relativ niedrigen, kolportierten Ablöse von nur etwa 700.000 Euro (1,7 Millionen Barbados-Dollar) zu einem der Topverkäufe des georgischen Klubs Dila Gori. Der junge Offensivspieler unterschrieb bei Rapid einen Vertrag bis Sommer 2027. Wir sehen uns die Stärken, Schwächen, Eigenheiten und den Karriereverlauf des Neo-Rapidlers in unserer Spieleranalyse im Detail an.

Lange Zeit wurde kolportiert, dass Rapid vorbereitet sei, falls Marco Grüll den Verein verlassen sollte. Für den Salzburger Linksaußen gab es immer wieder Interessenten – doch Grüll ist auch heute noch ein Grün-Weißer. Thierry Gale kommt demnach „zusätzlich“ bzw. als frühe Vorsorge für einen späteren Grüll-Abgang. Und diese Variante ist für Rapid auch der Best Case, denn der Barbadier wird noch einige Zeit brauchen, bis er zur unumstrittenen Stammkraft bei Rapid reifen kann.

Wohl schon jetzt der berühmteste Kicker seines Landes

Die Karriere des neunfachen Nationalspielers begann auf seiner Heimatinsel Barbados – gelegen im Süden der Karibik, knapp 300.000 Einwohner, seit 1966 unabhängig vom Vereinigten Königreich. Und ein bisschen wirkt Gale in seiner Heimat wohl wie ein Außenseiter: Der Nationalsport ist Cricket, die Insel eher für Traumstände und Entspannung, sowie R&B-Superstar Rihanna bekannt. Doch Gale verließ das Inselparadies im Alter von nur 16 Jahren – und wechselte nach Ungarn.

International betrachtet ist Gale wohl schon heute der bekannteste barbadische Fußballer aller Zeiten. Rekordteamspieler oder -torschützen der Nationalmannschaft spielten zumeist nur „zu Hause“. Die wenigsten wagten den Sprung ins Ausland und wenn dann eher in die Niederungen des semiprofessionellen englischen Fußballs oder auf andere Inseln, wie Jamaika oder Antigua. Gale hingegen wusste mit seiner unbekümmerten Spielweise bereits im Nachwuchs des Traditionsklubs Honvéd zu überzeugen. 18-jährig debütierte er für die Kampfmannschaft und schließlich auch im Nationalteam seines Landes. Seine beiden Teamtreffer, zwischen denen 3 ½ Jahre lagen, erzielte er gegen Saint-Martin und Antigua & Barbuda.

Dila Gori schlägt nach ungarischer Schnupperphase zu

Bis zum Sommer 2022 sollte Gale in Ungarn bleiben. Zum Fixstarter wurde er allerdings nie. Bis zum Ende seiner Honvéd-Zeit pendelte er zwischen der Kampfmannschaft in Ungarns höchster Spielklasse und der zweiten Elf in der 3. Liga. In der ungarischen Liga bestritt er nur ein Spiel von Beginn an, wurde 16-mal eingewechselt, erzielte ein Tor. Hinzu kamen innerhalb von zwei Jahren zwei weitere Tore im ungarischen Cup und zwei weitere für die zweite Mannschaft.

Obwohl seine Ungarn-Statistiken zu wünschen übrig ließen, war das Potential des nur 168cm großen Linksaußen für einige Scouts sichtbar und so wechselte Gale im Sommer 2022 nach Georgien zu Dila Gori. Als Gale kam, war die Mannschaft zur Saisonhalbzeit Vierter in der georgischen Zehnerliga. Die Mannschaft war defensiv zwar stark und sicher, aber offensiv fehlte völlig der Esprit, um noch höher hinaus zu kommen. Gale war nur einer von zahlreichen Legionären, die Dila Gori in diesem Sommer verpflichtete. Man testete eben aus und spekulierte darauf, dass zumindest ein Top-Mann dabei sein würde.

Leistungssprung von 2022 auf 2023

Knapp ein Jahr später weiß man, dass Gale dieser Top-Mann wurde. Der Linksaußen benötigte ein halbes Jahr Anlaufzeit und entwickelte sich im Jahr 2023 schließlich zum besten Dribbler der georgischen Liga – und auch zu einem der torgefährlichsten Spieler. Was schon von Beginn an sichtbar war: Als Rechtsfuß auf dem linken Flügel ist Gales Spielanlage invers, was bedeutet, dass er gerne zur Mitte zieht und abschließt und weniger ein Flankenläufer ist. Die Art und Weise wie er agiert, hat sich jedoch von 2022 auf 2023 noch einmal punktuell geändert. Das liegt in erster Linie daran, dass Gale in seinem Spiel sicherer wurde und sich auch ohne Ball besser bewegt.

Dila Gori suchte und fand mehr Offensivesprit

Vorweggenommen: Dila Gori hat seine offensiven Schwächen durch die 2022er-Sommertransfers weitgehend behoben. 2022 stand man nach 21 Runden bei einer Tordifferenz von 24:19 und 34 Punkten, dieses Jahr (aktuell) steht man nach 21 Runden bei 38:19 Toren und 40 Punkten. Damit könnte der Vorjahresdritte heuer wohl um den zweiten Platz mitspielen.

Allerdings ohne seinen besten Spieler, denn Gale zog nach Wien weiter und nimmt vor allem Selbstvertrauen und Unbekümmertheit mit. In der Saison 2022 brachte er es für Dila Gori in 16 Partien auf drei Tore und zwei Assists, in der laufenden Saison hält der Barbadier nach 25 Pflichtspielen bei zwölf Toren und sechs Assists. Bis letzte Woche verpasste er keine einzige Partie und stand immer in der Startelf – auch in sechs Europacup-Partien, in denen der Klub immerhin Dunajska Streda und Vorskla Poltava ausschaltete, ehe man an APOEL Nikosia scheiterte.

Nicht erst in diesen Europacupspielen machte Gale international auf sich aufmerksam und zog das Interesse von Klubs wie Rakow Czestochowa oder der FC Midtjylland auf sich. Rapid hatte den 21-Jährigen aber schon lange auf dem Radar, was womöglich auch den Ausschlag gab, dass sich Gale für Wien entschied.

Pfeilschneller Flügelstürmer

Grundsätzlich ist Gale ein Flügelspieler, wie ihn sich wohl viele Mannschaften wünschen. Der Rechtsfuß ist pfeilschnell und verfügt speziell auf den ersten Metern über einen beeindruckenden Antritt. Dabei ist auch seine Ballführung sehr solide und durch seinen niedrigen Körperschwerpunkt ist es für seine Gegner sehr schwierig, ihn vom Ball zu trennen. Hinzu kommt, dass Gale in seinem Laufspiel mit Ball recht flexibel agiert, immer wieder Richtungsänderungen einbaut und auch gerne diagonal oder sogar parallel läuft, um die Ordnung des Gegners zu stören.

Steigende Effizienz

In seinem ersten halben Jahr bei Dila Gori, dem Herbst 2022, war dabei noch sichtbar, dass Gale etwas schlampig agierte und schlichtweg noch kein ausgereifter Spieler ist. Das führte schließlich auch dazu, dass er sehr ineffizient agierte. Schon 2022 kam er für den georgischen Klub auf 7.07 xG in 1.592 Spielminuten – allerdings erzielte er nur vier Tore, davon zwei im Cup gegen eine Zweitligamannschaft. Zudem kam er auf 1.24 Schuss-Assists pro Spiel, was ein wenig einem Sicherheitsgedanken geschuldet war. Lieber noch mal ablegen, möglichst wenige Fehler machen, wenn sie sich vermeiden lassen.

2023 sah man dann aber einen anderen Thierry Gale. Der Barbadier hatte sich akklimatisiert und an Sicherheit gewonnen, was sich auch in seinen Werten niederschlägt. Schon 2022 hatte er mit 7.35 Dribblings pro Spiel einen recht hohen Wert, 2023 kommt er bereits auf 8.02. Die durchschnittlichen Schuss-Assists pro Spiel sanken auf 0.83, die progressiven Läufe stiegen recht deutlich von 3.45 auf 4.73 pro Partie an.

Die meisten Assists von innerhalb des Strafraums

Zudem kam Gale in den 2023er-Spielen auf einen gesamten xG-Wert von 7.78 und einen xA-Wert von 4.37, erzielte allerdings zwölf Tore und sechs Assists, womit er ausgesprochen effizient agierte, genauer und konkreter in seinen Aktionen wurde.

Speziell die sechs Assists müssen genauer beleuchtet werden, weil sie die Angriffsweise des Spielers recht gut widerspiegeln.

Alle Screenshots von Wyscout S.p.a.

Fünf seiner sechs Assists erfolgten von innerhalb des Strafraums. Nur einen Treffer im Jahr 2023 bereitete er von (knapp) außerhalb des Strafraums vor. Die Ursprungspunkte der schwarzen Linien, die hier die Assists darstellen, zeigen, dass er massiv den Weg in den Strafraum sucht und häufig auch noch an der Grundlinie entlang läuft, bevor er mit eher kurzen Pässen seine Nebenleute sucht.

Klassische Flanken sind bei Gale eher selten – wie mehrere Highlightvideos bereits suggerieren, spielt er gerne Chipbälle mit rechts zum Tor hin, zumeist aus dem Halbfeld. Auch diese sieht man in der Assistgrafik ein wenig, allerdings führten sie ebenso wie seine grundsätzlich guten Eckbälle von links im Jahr 2023 zu keinen Torerfolgen.

Eine weitere interessante Grafik zeigt, wie Gale die Bälle von außerhalb in den Strafraum bringt.

Hier ist vor allem vor allem klar sichtbar, dass er dies mit seinem intensiven Laufspiel mit Ball macht – in der Grafik als blaue Linien dargestellt. (Verschiedene Arten von) Flanken und Pässe sind natürlich auch nicht selten, aber die Menge an „Penalty Area Carries“ aus dem Laufspiel mit Ball heraus, ist ausgesprochen hoch. Auch seine ausgewiesene Linkslastigkeit ist klar sichtbar. Rochiert wurde bei Dila Gori praktisch nie.

Niedrige Gegenpressingwerte

Wie es schon zu erwarten war, hat Gale im Spiel gegen den Ball natürlich noch Aufholbedarf. Seine Gegenpressingwerte sind im Vergleich der georgischen Liga nicht besonders auffällig, liegen eher im unteren Durchschnitt. Das liegt auch daran, dass Gale bei seinem Ex-Klub im Pressing eher als äußere Instanz eingesetzt wurde, nur wenig zur Mitte zog.

Hier ist jedoch auffällig, dass die meisten erfolgreichen Gegenpressingsituationen im letzten Drittel stattfanden. Sie sind in dieser Grafik als gelbe Punkte gekennzeichnet. Mehr als die Hälfte seiner Ballgewinne aus dem Gegenpressing heraus gelangen ihm in hohen Feldpositionen. Demnach kann konstatiert werden, dass Gale ein Spieler für eine offensiv denkende Mannschaft ist – weshalb er ja auch einst von Dila Gori verpflichtet wurde.

Gleichzeitig zeigen die blauen Punkte im ersten und zweiten Drittel, dass Gale sich defensiv eher positioniert und auf das Abfangen von Bällen spekuliert, ohne in zu intensive Zweikämpfe zu geraten. Zwar weist er in Defensivzweikämpfen durchaus gute Werte auf, allerdings wird der Sprung von der georgischen in die österreichische Liga wohl sein bisher größter und schwierigster.

Temposprung und „mehr Stress“ als größte Herausforderungen

Die größten Probleme, die Gale derzeit noch mitbringt, sind sicher eine gewisse Passungenauigkeit, speziell im Spielfluss und mit dem schwächeren linken Fuß (Ausnahme: Hereingaben an der Grundlinie; direkte Assists), die möglichen körperlichen Defizite gegen verbesserte Gegenspieler, aber vor allem die Tatsache, dass er künftig deutlich weniger Zeit für Ballverarbeitungen haben wird. Während er sich in Georgien noch häufig am Flügel entfalten konnte und den Ball auch schon mal sekundenlang führte, ohne eine konkrete Aktion zu Ende zu spielen, wird er in Österreich deutlich schneller und intensiver angepresst werden.

Auch in Georgien brauchte er ein halbes Jahr, um sich an die neuen Gegebenheiten zu gewöhnen und das muss man ihm wohl auch in Österreich zugestehen. Gale ist im Gegensatz zu seinem Nebenmann Matthias Seidl wohl kein Spieler, der auf der Stelle zünden wird – allerdings ist der Niveausprung im Vergleich wohl ein größerer. Dass Gale das nötige Potential mitbringt, zeigte er aber schon im Europacup, aber dennoch muss man mit dem Youngster Geduld haben. Dass er sich anfänglich allem Anschein nach im „Schatten“ von Marco Grüll weiterentwickeln kann und er mit Ante Bajic einen weiteren, aufkommenden Positionskonkurrenten hat, wird sowohl für ihn, als auch für Rapid ein Vorteil in der unmittelbaren Zukunft sein. Und ein für die Gegner unangenehmer Einwechsler, wenn es zum Ende eines Spiels noch eine zündende Offensividee oder einen kurzen, schnellen Sprint in den Strafraum braucht, wird er auch jetzt schon sein.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen