Didi Constantini verlässt entnervt die Pressekonferenz zur Kaderbekanntgabe für die Spiele gegen Deutschland und die Türkei. Die vermeintlich dumme Frage eines Journalisten brachte ihn... Angezählter Constantini bricht mit den Medien – wieso der sture Tiroler nicht mehr tragbar ist

Didi Constantini verlässt entnervt die Pressekonferenz zur Kaderbekanntgabe für die Spiele gegen Deutschland und die Türkei. Die vermeintlich dumme Frage eines Journalisten brachte ihn aus der Fassung. Nachdem Constantini das Podium verlassen hatte, brach ÖFB-Pressesprecher Peter Klinglmüller die Pressekonferenz ab, woraufhin Manfred Zsak und Franz Wohlfahrt noch ein wenig über die anwesenden Journalisten nachlästerten…

Der ÖFB entwickelte sich in den letzten Jahren immer stärker zu einem Konstrukt, dessen Außendarstellung großen Verbesserungen bedarf. War es zu Zeiten der Europameisterschaft ein ÖFB-Präsident, der eine andere Sprache sprach als der durchschnittliche Fußballkonsument, ist es heute der Teamchef und seine Mitarbeiter, die dem Nationalteam seine Bedeutung rauben. Dass Constantini aufgrund einer kritischen Frage die Pressekonferenz verließ, ist ja nur die Spitze des Eisbergs, beweist, dass der Teamchef angezählt ist. Von ungefähr kommen Constantinis Selbstschutzparolen jedoch nicht – es muss schon früher etwas vorgefallen sein. Aber was eigentlich?

Es spielen weiterhin die „Richtigen“

Fangen wir mit der Sturheit des Tiroler Teamchefs an. Die österreichische Nationalmannschaft hat den Glanz vergangener Tage längst verloren. Die letzte Qualifikation für ein Großereignis gelang 1998 unter Herbert Prohaska, danach durfte man nur noch einmal als Ausrichter an der Europameisterschaft 2008 teilnehmen. Seit vielen Jahren befindet sich das Team im Umbruch, eine neue Generation rückt nach, doch diese braucht zweifelsohne Routiniers, die sie führt. Österreich kann auf keinen guten Fußballer verzichten. Jeder gute Kicker des Landes muss ein Thema für die A-Auswahl sein. Und damit räumte Constantini gleich zu Beginn seiner Amtszeit, frei nach Hickersbergers Motto, dass nicht die „Besten“, sondern die „Richtigen“ spielen würden, auf. Alexander Manninger hatte plötzlich keine Lust mehr aufs Nationalteam, Martin Stranzl beendete wegen Constantini seine Teamkarriere, Italien-Legionär Gyuri Garics fand deftigere Worte, warf dem Teamchef vor, „eierlos“ zu handeln, wurde danach ebenfalls – offenbar endgültig – eliminiert.

Ivanschitz weiterhin kein Thema

Die wohl größte Kontroverse – die auch bei der gestrigen Pressekonferenz erneut angesprochen wurde – ist die grundlose Nicht-Berücksichtigung von Andreas Ivanschitz. Der 27-jährige Offensivspieler absolvierte vor der Ära Constantini bereits 49 Länderspiele, war zwischenzeitlich Teamkapitän. Der neue, sich mittlerweile fast 2 ½ Jahre haltende Teamchef nahm zuerst unregelmäßige Einsätze bei Ivanschitz-Ex-Klub Panathinaikos als Ausrede, dann hinterfragte er die Qualität der deutschen Bundesliga, weil Ivanschitz dort nach elf Runden der Saison 2009/10 die Scorerliste anführte. Die Frage war nicht: Wieso spielt ein Kicker, der in Deutschland nach einigen Runden offensichtlich der effizienteste Spieler der Liga ist, nicht im österreichischen Nationalteam? Die Frage war: Wieso ist Ivanschitz der beste Scorer der deutschen Bundesliga, obwohl er nicht [bei mir] im österreichischen Nationalteam spielt? Dies ist ein Sinnbild dafür, wie man es sich beim österreichischen Nationalteam zurzeit dreht, wie es gerade passt.

Andere Ansprüche als Gabun, Libyen oder Litauen?

Ein weiteres Beispiel hierfür ist die Platzierung des ÖFB-Teams im FIFA-World-Ranking. Ist die FIFA-Platzierung des Nationalteams gering, ist sie nicht wichtig. Steigt das Team einige Ränge auf, wird dies als Erfolg dargestellt. Verlieren wir gegen einen vermeintlich stärkeren Gegner wie etwa die Slowakei, wird die Stärke des Gegners durch das FIFA-World-Ranking veranschaulicht. Frei nach dem Motto: „Wir haben gegen die Nummer soundso verloren, ja, aber das müssen Sie verstehen, die sind immerhin Nummer soundso.“ Kein Wunder, dass Constantini am ÖFB-Teamkader für die kommenden Europameisterschafts-Qualifikationsspiele nicht viel verändert. Der Teamchef sehe momentan keinen Grund etwas umzustellen. Dazu sei angemerkt: Österreich hat sechs seiner letzten sieben Länderspiele verloren und der Teamchef meint, dass man nichts verändern muss. Gleichzeitig darf man davon ausgehen, dass die Verantwortlichen von „anderen Ansprüchen“ sprechen würden, spräche man sie auf Landesverbände wie die von Gabun, Libyen, Panama, Nordirland, Albanien, Litauen oder Burkina Faso an. Nur sind die in der aktuellen Momentaufnahme im FIFA-Ranking vor Österreich platziert – und keiner der Verbandsbosse dieser vermeintlichen Fußball-Entwicklungsstaaten würde sechs Niederlagen aus sieben Spielen ohne Reaktion tolerieren. Ergo: Unsere Ansprüche sind mittlerweile derart niedrig, dass Constantini mit seinen eigenwilligen Entscheidungen kaum etwas verlieren konnte, gleichzeitig unser Nationalteam aber auch kaum etwas gewinnen.

Planlos in der Causa Arnautovic

Apropos „kein Grund etwas umzustellen“: Wenn der Teamchef der Meinung ist, dass das aktuelle Spielermaterial stark genug ist, um gegen die nächsten Gegner zu bestehen, dann ist der einberufene Kader in Ordnung. Immerhin ist er der Teamchef und nicht „wir“. Nur hat die Öffentlichkeit das Recht auf klare Statements, wieso etwa Andreas Ivanschitz nicht im Kader steht und wieso Team-Störenfried Marko Arnautovic auf Abruf (!!) dabei ist. Die Setzung Arnautovics auf die Abruf-Liste ist der aktuellste Gipfel der Planlosigkeit. Schließlich wurde er aus disziplinären Gründen aus dem Kader verbannt, sodass es bei der Qualität des Fußballers Arnautovic nur zwei logische Möglichkeiten für die Zukunft gibt: Entweder wird er aus ebendiesen disziplinären Gründen weiterhin nicht nominiert, oder er wird einberufen und spielt gemäß seines großen Potentials für das Nationalteam, das ein unverkennbares Problem an vorderster Front hat, welches ein Arnautovic, dem man Vertrauen entgegenbringt, beheben könnte. Bei Ivanschitz stur, bei Arnautovic unentschlossen, beim dauerhaften inferioren Janko überzeugt – Constantinis Linie ist schon lange keine mehr. Und spricht man ihn darauf an, bekommt man keine Antworten mehr, sondern erntet Trotz, Spott und mittlerweile sogar Beleidigungen vom Rest des Trainerteams.

Taktikdiskussionen nur mit entsprechender Erfahrung

So musste es auch ein Redakteur von 90minuten.at erleben. Mutig sprach dieser nämlich in Gegenwart des Happel-Schülers ein Tabuthema an: Die Taktik. Eine Domäne über die Constantini scheinbar nur mit privilegierten Fachleuten sprechen möchte. Möglicherweise auch deshalb, weil der Teamchef in so mancher taktischen Frage in Erklärungsnotstand geraten würde, sich daher lieber mit Süffisanz vor Peinlichkeiten rettet. Ein Teufelskreis, zumal sein letzter Auftritt bei besagter Pressekonferenz, übrigens in Anwesenheit zahlreicher verdutzter deutscher Journalisten, peinlicher nicht sein konnte. Constantini war immer ein Trainer, der seinen Stolz hatte, seine Meinungen und Taten auf bornierte Art und Weise verteidigte und durchboxte. Daher ignoriert er auch die zahlreichen Fans (und auch die können sich mit Taktik auskennen!), die nach taktischen Veränderungen oder zumindest Erklärungen schreien. Was ihn wiederum in seiner persönlichen Entwicklung, die bekanntlich nie abgeschlossen sein dürfte, bremst, denn nur weil Constantini das Team mit modernem System aufs Feld schickt, heißt das nicht, dass die ÖFB-Auswahl modernen Fußball praktiziert. Auf die Bemerkung, dass sich Abwehrspieler in einer nicht organisierten Abwehr nicht wohl fühlen würden, begann Constantini einen Journalisten von 90minuten.at anzubellen und verließ die Pressekonferenz.

„Charismatischer“ Co-Trainer lästert gegen Journalisten

Co-Trainer Manfred Zsak bemerkte daraufhin zu Tormann-Trainer Franz Wohlfahrt: „Is er leicht fett, der mitn Kapperl“, was Wohlfahrt mit einem „Trottl“ kommentierte. 90minuten.at-Chef Michael Fiala forderte eine Stellungnahme vom ÖFB, was diese Bemerkungen sollten. Die Beziehung zwischen Constantini, seinem Trainerteam und den Medien ist hiermit an einem Tiefpunkt angelangt. Nicht nur, dass sich der sture Tiroler wohl kaum wieder vorurteilsfrei zu einer Pressekonferenz wagen kann, wird so manches sensationsgeile Medium es in Zukunft sicher versuchen, den Teamchef zu provozieren um ähnliche Reaktionen beim 56-jährigen hervorzurufen. Constantini legte seine Schwächen bei der gestrigen Pressekonferenz offen auf den Präsentierteller und ist nach dem Krach mit ÖFB-Präsident Leo Windtner ohnehin bereits angezählt. Die logische Folge muss daher lauten: Zwei Niederlagen gegen Deutschland und die Türkei, dann ist die zweite Ära Constantini Geschichte.

86% der Fans gegen Constantini – die Kritikpunkte

Wogegen die meisten Fans übrigens nichts hätten: In einer Umfrage im Austrian Soccer Board, Österreichs größtem Fußballforum, sprachen sich über 86% der etwa 500 Befragten für einen Teamchefwechsel aus. Die Kritikpunkte am Trainer sind mannigfaltig: Auf taktischer Ebene wird dem Teamchef beispielsweise vorgeworfen, dass man in sechs Länderspielen im Jahre 2011 vier verschiedene Viererabwehrketten sah, zudem durch die offensichtliche Inkompatibilität der offensiven Mittelfeldspieler mit ihrer etatmäßigen Solospitze Marc Janko die Bindung zwischen Mittelfeld und Angriff verloren geht. Obwohl Österreich verglichen mit den letzten fünf bis zehn Jahren derzeit wieder großes Potential mit zahlreichen Legionären, die bei ihren Klubs regelmäßig zum Einsatz kommen, vorzuweisen hat, versteift sich Constantini immer wieder auf einzelne, unerfahrene und ebenso unbeständige Spieler, die „gestandenen“ Kickern den Platz verstellen. Vor allem die Einberufungen des damaligen Rapid-Akteurs Yasin Pehlivan, sowie der aktuellen Rapidler Christopher Drazan, Christopher Trimmel und Stefan Kulovits (der auch gegen Deutschland und die Türkei einberufen wurde, obwohl er im Wiener Derby offensiv unsichtbar war und defensiv fehlerhaft agierte), stießen auf Unverständnis. Ein Kritikpunkt, der bis dato von Constantinis Gegner noch relativ vorsichtig angegangen wurde, war die Außendarstellung des Teamchefs und seines Teams. Doch gestern schlug sich Constantini auch in diesem Punkt das sprichwörtliche „Hack’l ins Kreuz“.

Ende in Sicht

Fassen wir zusammen: Es gibt kaum noch Constantini-Befürworter im Lager der österreichischen Fans – sowohl im Bezug auf Personalentscheidungen und Leistungen des Teams, als auch auf die Außendarstellung. Wenn man klare Statements fordert, erntet man mittlerweile nur noch Hohn. Der ÖFB-Präsident hat Constantini bereits vorsichtig den Ernst der Lage klar gemacht. Es stehen zwei Spiele gegen Deutschland und die Türkei bevor, aus denen die ÖFB-Elf realistisch betrachtet keinen Punkt holen wird – gegen Deutschland, weil’s eben Deutschland ist und die DFB-Auswahl uns niemals etwas schenken wird, gegen die Türkei, weil die Türkei noch siegen muss. Es spricht nichts mehr für einen Constantini-Verbleib über den Sommer hinaus.

DEIN Nationalteam

Um konkrete Vorschläge und Meinungen anzubringen, anstatt sich über Verfehlungen aufzuregen, werden wir im nächsten Artikel zum Thema Nationalteam die Wunschelf, das Wunschsystem und den Wunschkader der österreichischen Fußballfans vorstellen. Ihr selbst könnt eure Vorstellungen und Wünsche hier kundtun!

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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