Das Thema Rasenheizung war einst in der österreichischen Bundesliga ein Leidiges: So mancher – wie der damalige SVM-Präsident Martin Pucher – hielt sie für... Anekdote zum Sonntag (204) – Wie in Ried der Rasen zu „brennen“ begann

Das Thema Rasenheizung war einst in der österreichischen Bundesliga ein Leidiges: So mancher – wie der damalige SVM-Präsident Martin Pucher – hielt sie für nicht notwendig und schaufelte lieber mit einigen Freiwilligen zwischen Dezember und März regelmäßig den schneebedeckten Platz der Mattersburger frei. Pucher erklärte auf Nachfrage stets: „Bei uns hat sich noch niemand verletzt!“ Seit der Saison 2016/17 ist eine Rasenheizung jedoch für österreichische Bundesligisten Lizenzkriterium. Das führt zu kuriosen Begebenheiten: So spendierte die Lustenauer Austria im Sommer 2023 Schwarz-Weiß Bregenz beispielsweise eine solche Einrichtung, nur um in deren Stadion ausweichen zu können.

Damals – als die Klubs jedoch nur bei Neu- oder Umbauten des Spielfelds verpflichtend eine Rasenheizung einbauen mussten – hieß der Bundesligavorstand Georg Pangl. Der gebürtige Burgenländer galt Anfang bis Mitte der 2000er als heftiger Kämpfer für jene elektrische Einrichtung, die gefrorenes Gras verhindert, eben um die Verletzungsgefahr der Spieler hintanzuhalten. Pangls Milchmädchenrechnung lautete: „Eine Top-Rasenheizung bekommt man für 500.000 Euro. Wenn ich die Kosten auf 5 Jahre abschreibe, sind das 100.000 Euro pro Jahr. Das würde zwei Prozent des Budgets kleinerer Klubs entsprechen.“ Für den Funktionär war klar: Bei gewissen Vereinen ging es in dieser Frage ums Wollen und nicht ums (Nicht)-Können.

Als die SV Ried 2012 Herbstmeister wurde, war Georg Pangl im Stadion zugegen, um den Innviertlern den Pokal zu überreichen. Kurz vor der feierlichen Übergabe samt Ansprache inspizierte der Ex-UEFA-Angestellte die Menge und entdeckte unter anderem den oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Pühringer sowie den damaligen ÖFB-Präsident Windtner im VIP-Klub der „Keine Sorgen Arena“. Pangl nahm daraufhin den damaligen Manager der Schwarz-Grünen, Stefan Reiter, zur Seite und flüsterte ihm zu: „Stefan, wenn Pühringer und Windtner da sind, dann könnten wir die Chance nutzen, um Druck wegen der Rasenheizung zu machen.“ Reiter lächelte listig und nickte.

Kurz darauf bekam Ligavorstand Pangl das Mikrofon in die Hand gedrückt und setzte vor der versammelten Gesellschaft zu einer Lobeshymne auf den oberösterreichischen Verein an. Tosender Applaus entbrannte als Pangl die Entwicklung des ruhigen und familiär geführten Klubs lobte: „Ihr könnt alle stolz sein!“, meinte der Fußballfunktionär und machte eine kurze Pause, ehe er das heiße (!) Eisen anfasste: „Was jetzt noch super wäre: Wenn es in diesem fantastischen Stadion eine Rasenheizung gäbe!“ Wieder klatschten die Anwesenden und es gab einige anerkennende Pfiffe. Dann wandte sich Pangl direkt an jene zwei Entscheidungsträger, die er unter den Gästen ausgemacht hatte: „Leo, du mit der Energie AG im Rücken und Sie, Herr Pühringer, als Landesvater: Wenn ihr euch zusammentun würdet, dann werdet ihr das schaffen. Wir, die Bundesliga, werden euch natürlich unterstützen!“ Damit spielte Pangl auf Windtners Brotberuf als Generaldirektor der Energie AG Oberösterreich sowie auf die Allmacht des „Landesfürsten“ an.

Windtner – ganz Businessman – blieb cool, Pühringer jedoch erblasste etwas. Der gebürtige Trauner wollte sich – wie bei einem Wahlversprechen – vor einer eindeutigen Zusage drücken: „Wir werden schauen.“, rief er auf die Bühne. Doch Pangl war nicht zu bremsen, er wusste die Energie des Saales zu nutzen. „Das interpretiere ich als ‚Ja!‘“, teilte er Pühringer mit und der Saal jubelte erneut. Der oberösterreichische Landeshauptmann wusste nun, dass er aus dieser Nummer nicht mehr herauskommen sollte. Tatsächlich machte die SV Ried Nägel mit Köpfen; forderte nicht nur das Land Oberösterreich, sondern auch den ÖFB und die Bundesliga zur monetären Mithilfe auf und nur wenige Monate nach dem Herbstmeistertitel wurde mit dem Einbauen einer Rasenheizung in der „Keine Sorgen Arena“ begonnen. So einfach ist manchmal hohe Politik, wenn man die Gunst der Stunde nutzt: Masse ist Macht.

Marie Samstag