Rivalitäten im Fußball gehen ziemlich weit, auf dem Platz aber auch abseits des Rasens. Während sich das bei den Spielern häufig in Handgemengen und... Racing Club und der Fluch der sieben vergrabenen Katzen

Rivalitäten im Fußball gehen ziemlich weit, auf dem Platz aber auch abseits des Rasens. Während sich das bei den Spielern häufig in Handgemengen und roten Karten in Derbys äußert, kann sich der Fanatismus der Anhänger abseits des Platzes noch viel weitreichender zeigen. So geht kommt es vor, dass Fans beispielsweise Kleidung ausschließlich in den eigenen Vereinsfarben kaufen, oder es vermeiden Objekte in den Farben des größten Rivalen zu berühren. Doch was Anhänger des argentinischen Erstligisten Independiente ihrem Erzfeind Racing antaten, hatte historische Ausmaße. Das ist die Geschichte des Fluches der sieben vergrabenen Katzen.

Die Rivalität

Racing Club und Independiente sind zwei der wichtigsten Vereine im argentinischen Fußball und zählen neben Boca Juniors, River Plate und San Lorenzo zu den Cinco Grandes (Fünf Großen), also zu den Top 5 der historisch bedeutendsten Klubs im Land des aktuellen Weltmeisters. Des Weiteren ist der Clásico de Avellaneda das zweitgrößte Derby hinter dem Superclásico zwischen Boca Juniors und River Plate.

Die Feindschaft zwischen Racing und Independiente geht bereits auf den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück, als der Fußball in Argentinien noch in den Kindesbeinen steckte. Schließlich wurden La Academia, der Spitzname von Racing, und El Rojo, Independientes Alias, in den Jahren 1903 beziehungsweise 1905 gegründet, lediglich zehn beziehungsweise zwölf Jahre nachdem der schottische Lehrer Alexander Watson Hutton die Asociación del Fútbol Argentino, kurz AFA, ins Leben gerufen hatte. Der erste Clásico de Avellaneda fand 1907 statt, wobei es sich dabei jedoch nur um Reserveteams handelte. Drei Jahre später entschied Independiente das erste „offizielle“ Derby mit 1:0 für sich. Verstärkt wird die Rivalität durch die Tatsache, dass sich die Stadien der beiden Teams nur wenige hundert Meter voneinander entfernt sind.

Die Geschichte

Dass sich eine Feindschaft entwickeln sollte, wurde schon früh deutlich. Nachdem man bereits in der zweiten und dritten Liga mehrmals aufeinandertraf, sorgte das erste Duell zwischen Racing und Independiente in der höchsten Liga im Jahre 1915 bereits für Unmut. La Academia spielte eine großartige Saison und kämpfte um die Meisterschaft, doch man verlor mit 1:2 bei El Rojo. Diese setzten jedoch einen Spieler ein, der nicht spielberechtigt war, wodurch die Punkte trotz der Niederlage an Racing gingen. Diese Punkte benötigte man, um punktegleich mit San Isidro zu sein und das Play-Off bestreiten zu können. Dieses gewann Racing und holte durch Independiente den Titel.

La Academia und El Rojo lieferten sich in den folgenden Jahrzehnten ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Vorherrschaft in Avellaneda. So war Racing zwar der erste Klub, der in der Profi-Ära des argentinischen Fußballs dreimal hintereinander Meister werden konnte, doch Independiente gelang es 1964 als erste argentinische Mannschaft, die Copa Libertadores zu gewinnen. Den Titeltriumph wiederholte man sogar im Folgejahr.

Der Fluch

Zwar war man die beste Mannschaft Südamerikas, doch El Rojo konnte sich nicht die Copa Intercontinental, den Vorgänger der heutigen Klub-Weltmeisterschaft, sichern. So musste man sich 1964 und 1965 beide Male dem Inter Mailand von Helenio Herrera geschlagen geben. Zum Unmut der Independiente-Fans gewann Racing im Jahre 1967 über drei hart umkämpfte Spiele gegen Celtic als erster argentinischer Verein die Copa Intercontinental und konnte sich als beste Mannschaft der Welt feiern lassen.

Bei den Anhängern der Diablos Rojos löste das großes Missfallen aus und man suchte nach einem Weg, den Erfolg des Erzfeindes ein Ende zu setzen. So brachen sie in das Estadio Presidente Perón ein und vergruben dort sieben tote Katzen, sechs davon unter einem Tor, doch der Ort der siebten war unbekannt.

Ab diesem Ereignis setzte der sportliche Niedergang bei Racing ein, der sich bereits bei der 0:4-Derbyniederlage im Dezember 1967 bemerkbar machte. La Academia holte seither keinen Titel mehr und wurde zunehmend auch von finanziellen Schwierigkeiten geplagt, während El Rojo in die glorreichste Zeit seiner Vereinsgeschichte ging. Im Zuge dessen spielte Racing 1984 und 1985 sogar in der zweiten Liga, während Independiente bis dahin viermal die Copa Libertadores, dreimal die Copa Interamericana, zweimal die Copa Intercontinental und mehrfach die Meistertrophäe in die Höhe stemmte. Zwar gewann Racing 1988 die Supercopa Sudamericana und es sollen auch, je nach Version, sechs der sieben Katzen entweder 1980 unter Trainer Toto Lorenzo oder in einer der drei Amtszeiten von Alfio „Coco“ Basile zwischen 1978 und 1997 gefunden worden sein. Doch der Fluch war damit nicht beendet. Die finanziellen Probleme Racings verschärften sich so sehr, dass der damalige Vereinspräsident Daniel Lalín im Juli 1998 sogar Konkurs anmelden musste. Ein Jahr später konnte der Verein noch knapp vor der Insolvenz gerettet werden, obwohl ein Vorstandsmitglied bereits erklärte, dass „Racing Club offiziell aufgehört habe zu existieren.“

Es mobilisierten sich 100.000 Fans, um die letzte Katze zu finden und man engagierte sogar einen Priester, der Weihwasser auf dem Feld verteilte, in der Hoffnung dem Fluch und dem langjährigen Scheitern ein Ende zu setzen. Doch das alles brachte nichts und der Misserfolg dauerte vorerst noch an. Dann nahm ein entschlossener Trainer die Zügel des Schicksals von Racing in die Hand.

Das Ende des Fluchs

2001 verpflichtete man Reinaldo „Mostaza“ Merlo als neuen Übungsleiter. Als taktisch versierter Motivator brachte er die Mannschaft einerseits wieder in Form und führte er Racing an die Spitze der Liga, andererseits konnte er dem Verein auch auf spiritueller Ebene helfen.

So kündigte er an, dass er entschlossen sei, die siebte Katze zu finden und alles dafür tun wolle. Und das geschah auch. Er ließ einen großen Bereich aufgraben und die siebte Katze, die man Jahre zuvor nicht gefunden hatte und die man für den Niedergang verantwortlich machte, wurde in einem zubetonierten Graben gefunden. Der Fluch war beendet und Racing sollte nun wieder Titel gewinnen können. Und das passierte auch.

Am 27. Dezember 2001 reichte Racing ein 1:1 gegen Vélez Sarsfield in deren Estadio José Amalfitani, um sich nach einer Dürreperiode von 35 Jahren wieder argentinischer Meister nennen zu dürfen. Der Artikel dazu auf der Vereinswebsite von Racing heißt passend: „Der Tag, den wir nie vergessen werden.“

Tim Bosnjak, abseits.at

Tim Bosnjak