Das Champions League-Finale zwischen Chelsea und dem FC Bayern hat gezeigt, wie dramatisch Fußball sein kann. Zu dramatisch für FIFA-Präsident Blatter: er sagt dem... Pfosten der Woche (KW21) – Joseph Blatter

Das Champions League-Finale zwischen Chelsea und dem FC Bayern hat gezeigt, wie dramatisch Fußball sein kann. Zu dramatisch für FIFA-Präsident Blatter: er sagt dem guten, alten und zuweilen ungerechten Elfmeterschießen nun den Kampf an. 

Im Zuge des 62.FIFA-Weltkongresses in Budapest forderte Blatter die Fußballkommission unter dem Vorsitz von Franz Beckenbauer dazu auf, alternative Lösungsansätze zur Entscheidung von K.O.-Partien per Elfmeterschießen zu entwickeln, denn für den Schweizer ist die herkömmliche Methode emotional unverhältnismäßig belastend und zudem schwer systemwidrig:

„Fußball kann zu einer Tragödie werden, wenn es ins Elfmeterschießen geht. […] Die Mannschaftssportart verliert eine ihrer Kerncharaktereigenschaften, wenn die Entscheidung im Eins-gegen-eins fällt.“

Nachvollziehbare Gedanken des wohl größten Fußballphilosophen unserer Zeit. Die Spieler der Bayern hätten natürlich weit weniger um die verpasste Titelchance getrauert, hätten sie den Pott im Sudden Death, Dreibeinlauf oder Bauernschnapsen verloren; bei einem alles entscheidenden Fingerhakeln der Mannschaftskapitäne hätten die Münchner zudem den Heimvorteil noch einmal voll ausspielen können. Die Spieler der im EM-Viertelfinale 1968 gegen Italien im Münzwurf unterlegenen russischen Elf haben damals bekanntlich noch ausgelassen mit ihren siegreichen Kontrahenten gefeiert und Purzelbäume ob der Tatsache geschlagen, nicht im Elfmeterschießen, sondern an einem auf der falschen Seite landenden Geldstück gescheitert zu sein.

In welche Richtung entsprechende Lösungsansätze gehen könnten, ließ Blatter leider offen – seine kritische Auseinandersetzung mit Eins gegen Eins-Situationen wirft aber weit mehr Fragen auf als bloß jene nach Sinn und Unsinn des Penaltyschießens: müssen Elfmeter im Spiel ebenso gestrichen werden wie direkte Freistöße oder schnelle Konter, in denen der Stürmer unbehelligt auf den Torwart zuläuft, da solche Szenen die Kerncharaktereigenschaft des Fußballs als Mannschaftssportart unterminieren? Und haben Blatter und die FIFA tatsächlich keine anderen Sorgen als die zweihundertsiebzehnte Debatte um Sudden Death, Golden Goal, Silver Goal und Wiederholungsspiel anzuzetteln?

Natürlich ist eine Niederlage im Elfmeterschießen so erquickend wie ein Schlag in die Magengrube, und es gibt wohl kaum einen Fußballfan, dessen Mannschaft nicht schon nach 120 Minuten aufopferungsvollem Kampf wegen eines verschossenen Strafstoßes gescheitert wäre. Die in der Praxis realisierbaren Alternativen sind zwar nicht weniger brutal, im Gegenzug aber entweder unpopulär, wenig praktikabel oder schlicht hirnrissig. Dies zu argumentieren hieße aber, Blatter und seine originellen Wortmeldungen ernstzunehmen – und das wäre ein weit größerer Irrtum als jener von Arjen Robben, sich im Champions-League-Finale wieder einmal an einem entscheidenden Elfmeter zu versuchen.

(Lichtgestalt)

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