Am vierten Spieltag der österreichischen Bundesliga empfing die angeschlagene Wiener Austria die WSG Tirol in der Bundeshauptstadt. Dabei hieß es für die Violetten Wiedergutmachung... Analyse: Dezimierte Austrianer erkämpfen sich den ersten Sieg

Am vierten Spieltag der österreichischen Bundesliga empfing die angeschlagene Wiener Austria die WSG Tirol in der Bundeshauptstadt. Dabei hieß es für die Violetten Wiedergutmachung zu leisten, nachdem man in Altach eine 2:0-Führung noch aus der Hand gab und mit leeren Händen und viel Frust die Heimreise antreten musste.

Doch auch die Tiroler erlebten am vergangenen Spieltag ähnliches und gaben gegen Austria Klagenfurt ebenfalls eine 2:0-Führung noch aus der Hand. Daher war man gespannt, welches Team dieses Negativerlebnis besser verarbeitet hat und nun Wiedergutmachung leisten kann.

Überraschung in der Austria-Startelf

Für die Austrianer war es bitter, dass man nicht nur das Spiel in Altach verloren hat, sondern auch Routinier Holland, der mit einer Knöchelverletzung einige Tage pausieren muss. Daher war man gespannt, wie die Violetten einerseits den Australier ersetzen würden, andererseits welche Rückschlüsse man generell aus dem Spiel in Altach gezogen hat.

Austria-Trainer Schmid entschied sich dafür, das Mittelfeld komplett umzukrempeln: Jukic blieb überraschend auf der Bank, für ihn kam Huskovic in die Mannschaft, während Wustinger den angeschlagenen Holland ersetzte. Allerdings nicht im defensiven Mittelfeld, sondern auf der „Zehn“, während Fischer auf die Position von Holland und neben Braunöder rückte. Dominik Fitz und Huskovic kamen an den Flügeln zum Einsatz und sollten Zielspieler Tabakovic suchen.

Das System blieb dabei das gewohnte 4-2-3-1, mit dem man den Gegner knacken wollte. Mit der WSG kam ein gefährlicher Gegner nach Wien angereist, der sich in der bisherigen noch jungen Saison die höchste Chancenqualität der Liga erspielen konnte. Das liegt nicht nur am offensiven Ansatz der Tiroler, die gerne Fußball spielen möchten, sondern vor allem an der sehr gefährlichen Doppelspitze: Mit Prica und Prelec verfügen die Wattener über zwei sehr bewegliche Stürmer, die eine Abwehr im Alleingang beschäftigen können.

Interessant ist auch das System der WSG – ein Hybrid aus einem 4-4-2 und einem 3-4-3. Man greift im 4-4-2 im Ballbesitz gerne zu einer Asymmetrie, da Rechtsverteidiger Bacher für gewöhnlich tief und auf einer Höhe mit den beiden Innenverteidigern bleibt, während Linksverteidiger Schulz weit nach vorne schiebt und dem linken Mittelfeldspieler Ogrinec ermöglicht, neben die Stürmer zu rücken.

Wie man erahnen kann, verfügen die Tiroler über einiges an Variabilität, was für alle Gegner nicht einfach zu bespielen ist. Allerdings musste die WSG auf den gesperrten Rechtsverteidiger Bacher verzichten, für den Neuzugang Sulzbacher in die Mannschaft rückte und die gleiche Rolle ausfüllen sollte.

Die Austria interessierte das alles von Beginn weg recht wenig, denn sie wollte dem Spiel ihren eigenen Stempel aufdrücken. Die WSG wurde einem intensiven Angriffspressing ausgesetzt und damit sollte das Aufbauspiel der Tiroler im Keim erstickt werden. Nicht nur die Abstöße wurden von den Wienern zugestellt, auch die aufbauende Dreierkette wurde aggressiv angelaufen, weshalb aus dem 4-2-3-1 der Violetten in diesen Situationen ein 4-3-3 gegen den Ball wurde. Das Anlaufen und den Start des Pressings kann man beim ersten Bild gut erkennen:

 

Die WSG im Spielaufbau, man versucht aus der gewohnten Aufbauformation mit der Dreierkette nach vorne zu kommen. Die Austria nimmt sich dieser mit einem mannorientieren Angriffspressing an und läuft die Tiroler ohne Verzögerung direkt mit einem 4-3-3 aggressiv an.

Die Austrianer wollten von Beginn an demonstrieren, wer der Herr im Haus ist und dass man der WSG keinen Ballbesitz zugestehen möchte. Dementsprechend viele Ressourcen steckte man auch ins Pressing und selbst die eigenen Außenverteidiger schoben weit nach vorne, um die Tiroler kollektiv unter Druck zu setzen und keine Zeit am Ball zu ermöglichen. Im nächsten Bild kann man gut erkennen, dass die „Veilchen“ viele Spieler in die gegnerische Hälfte beorderten:

 

Die Austria rückt mit der gesamten Mannschaft in die gegnerische Hälfte und läuft den Spielaufbau der WSG früh an. Außenverteidiger Martins schiebt ebenfalls nach vorne und sichert durch, wodurch die Gastgeber den Ball gewinnen können.

Die WSG kam mit dem Pressing der Wiener gar nicht zurecht. Die Versuche dieses auszuspielen, endeten zumeist in langen Bällen nach vorne oder schlimmstenfalls sogar in Ballverlusten. Dadurch kam man nicht wirklich in den gewohnten Rhythmus und musste die meiste Zeit in der Defensive verbringen, was man in dieser Ausprägung sicherlich nicht geplant hatte.

Verbessertes violettes Ballbesitzspiel

Das eigene Angriffspressing ermöglichte es der Austria, die Bälle vom Gegner zu erobern und die eigenen Ballbesitzzeiten in die Höhe zu schrauben. Hier war man natürlich gespannt zu sehen, ob und welche Lehren man aus der Auswärtsniederlage in Altach gezogen hat – gab es doch in dem Aspekt einige Probleme. Das entging auch dem violetten Trainerteam nicht, weshalb es einige Anpassungen zu sehen gab. Man wollte hier die spielstarke „Doppelsechs“ bestehend aus Fischer und Braunöder in den Vordergrund rücken, die das Heft in die Hand nehmen sollte. Beide hielten sich durchschnittlich eher tief auf und boten sich konstant als Anspielstation für die Innenverteidiger an, um den Ball in den eigenen Reihen zirkulieren zu lassen und in weiterer Folge nach vorne zu tragen.

Damit versuchte man auch direkt das Problem auf der linken Abwehrseite zu lösen, wo man ja bekanntlich mit Martins einen Rechtsfuß aufgestellt hat, der vom Gegner immer wieder gezielt angepresst wird. Die Lösung war, dass man Martins schlicht weit aufrücken ließ und er Platz machen sollte für die beiden Sechser. Stattdessen kippten sowohl Fischer, als auch Braunöder immer wieder ab, entweder zwischen die Innenverteidiger, oder seitlich hinter die Außenverteidiger. Dieses Aufbaumuster kann man beim nächsten Bild auch gut erkennen:

 

Die Austria im Spielaufbau, die beiden Sechser halten sich tief und im Umkreis der Innenverteidiger auf und in dieser Szene kippt Braunöder zwischen die beiden Innenverteidiger ab. Dadurch können einerseits die beiden Innenverteidiger breiter stehen und andererseits die Außenverteidiger weiter nach vorne schieben.

Diese Adaptionen fruchteten auch von Beginn weg und ermöglichten der Austria eine saubere Ballzirkulation über mehrere Etappen. Man nutzte die Überzahl gegen die beiden Stürmer und die breite Position der eigenen Außenverteidiger, weshalb man die 4-4-2-Formation des Gegners strecken konnte. Die Außenverteidiger suchten dann in weiterer Folge wieder die spielstarken Sechser mit horizontalen Pässen, die dann das Spiel nach vorne trugen. Hier konnte man die spielerischen Qualitäten von Braunöder und Fischer gut in Szene setzen und sehr flüssig nicht nur in die gegnerische Hälfte eindringen, sondern auch in Richtung letztes Drittel vorrücken. Gefährlich wurde es hier vor allem, wenn man Huskovic fand, der mit seiner Präsenz und technischen Beschlagenheit bestach.

Balanceprobleme führen zu gefährlichen WSG-Momenten

Diese Faktoren ermöglichten es der Austria, in der ersten halben Stunde einen dominanten Auftritt hinzulegen. Das giftige Angriffspressing unterband den gegnerischen Spielaufbau, während man im Ballbesitz mit der flüssigen Ballzirkulation, die WSG in Bewegung brachte und sich den Gegner förmlich zurechtlegte.

Ein Chancenfeuerwerk feuerte man zwar nicht ab, da man im letzten Drittel noch etwas zu ungenau agierte, dennoch hatte man das Spiel unter Kontrolle. Das zeigten auch die statistischen Werte, wo man nach 25 Minuten nicht nur auf 66 Prozent Ballbesitz kam, sondern auch eine Mehrheit der Zweikämpfe für sich entscheiden konnte. Gleichzeitig war es aber auch ein schmaler Grat, auf dem sich die Austrianer bewegten.

Durch die beiden „Box-to-Box“-Spieler im Zentrum und das Hochschieben der Außenverteidiger, investierte man viele Ressourcen in das Ballbesitzspiel und ging auch ein gehöriges Risiko ein. Einen klassischen Sechser a la Eric Martel hatte man hier nicht, also war höchste Konzentration gefordert, was besonders die beiden Innenverteidiger in Stresssituationen brachte. Die mussten nämlich einerseits nicht nur sehr hoch stehen, sondern andererseits auch Mann gegen Mann verteidigen, spielt die WSG doch bekanntlich mit zwei Stürmern. Die mutige Herangehensweise der Austria kann man auch beim nächsten Bild erkennen:

 

Die Austria im Ballbesitz, gleich acht (!) Feldspieler befinden sich 30 Meter vor dem gegnerischen Tor. Die beiden Außenverteidiger agieren wie Flügelstürmer, die beiden Sechser sind ebenfalls weit aufgerückt. So entstand bisweilen ein „Handballspiel“. Nicht vergessen: Die WSG hat zwei Stürmer ganz vorne platziert!

Solange das Gegenpressing funktionierte und man die Fehlerquote minimierte, hatte man die absolute Kontrolle und es gab Situationen, die eben einem Handballspiel ähnelten. So eine Szenerie führte dann auch zum Führungstreffer der Austria, als man den Ball über viele Stationen um den Strafraum herum zirkulieren ließ, ehe Fitz mit einer schönen Flanke Zielspieler Tabakovic bediente, der zum 1:0 traf. Doch auch wenn es diese Highlights und die Kontrolle gab, bedeutet es nicht, dass die Austria keine gefährlichen Momente überstehen musste, im Gegenteil.

Der bereits angesprochene schmale Grat führte dazu, dass die erste Großchance die Gäste hatten, was in dieser Szene die Abwehrprobleme der Austria aufzeigte. Die beiden Innenverteidiger Mühl und Galvao waren wie erwähnt stets gefordert, gegen zwei gefährliche Stürmer im Eins-gegen-Eins quasi alleine zu verteidigen und am absoluten Konzentrationslimit zu agieren. Dies gelang ihnen nicht immer und sie wackelten hier und da, da sie nicht ihren besten Tag erwischten, aber auch teilweise von ihren (Abwehr)Kollegen in Stich gelassen worden.

Exemplarisch dafür war eben die erste Chance der WSG durch Rogelj, als Mühl Galvao in Bedrängnis brachte und Martins zu spät kam, wodurch Torhüter Früchtl in höchster Not retten musste. Sieht man sich die Entstehung an, muss man sich vor allem über das Verhalten von Linksverteidiger Martins nur wundern:

 

Die WSG im Ballbesitz, nach einem Outeinwurf für den Gegner (!) steht Martins viel zu weit vorne und eilt nicht zurück in die Abwehrkette (rote Markierung), wodurch Galvao in eine missliche Lage gebracht wird und Rogelj zum Abschluss kommt. Stünde Martins auf seiner gewohnten Position, wäre diese Situation recht einfach zu verteidigen gewesen.

Es war daher teilweise ein Spiel mit dem Feuer, das die Austria praktizierte. So ansehnlich auch das eigene Spiel war, gab es einige Probleme mit der Balance und mit der Konterabsicherung. Hier überrascht es, dass man nicht zumindest einen Außenverteidiger tiefer ließ, um die Innenverteidiger zu unterstützen. Damit hätte man eine Drei-gegen-Zwei-Überzahlsituation gegen die Stürmer gehabt und das Risiko wäre minimiert worden. Da aber gleichzeitig auch die beiden Sechser Fischer und Braunöder eher offensiver denken und es keinen Martel mehr gibt, der die Verteidiger unterstützt und teilweise in die Abwehrkette zurückrückt, bringt man die Innenverteidiger in eine Situation, die über 90 Minuten kaum konstant zu verteidigen ist.

Daher agierte die WSG auch in den Umschaltsituationen immer im gleichen Muster: WSG-Spieler kommt an den Ball, chippt den Ball in den Rücken des violetten Außenverteidigers und in die Tiefe auf den eigenen Stürmer, der eine Eins-gegen-Eins-Situation gegen den gegnerischen Innenverteidiger vorfindet. Ein laufender Ritt auf der Rasierklinge für die Austrianer und verloren die Innenverteidiger das Duell, wurde es brandgefährlich.

So auch bei der letztlich spielverändernden Szene in der 30.Minute, als Linksverteidiger Schulz einen weiteren hohen Ball über die Abwehr spielte, die Abwehr zu hoch stand und Martins erneut Galvao in Stich ließ und nicht auf seiner Position war, weshalb der Brasilianer alleine gegen die beiden Stürmer war und ein Foul beging, was zu seinem Ausschluss führte.

Platzverweis stabilisiert Austria-Defensive

Wäre das Spiel in der gleichen Tonart und mit 11 gegen 11 über 90 Minuten weitergegangen, hätten die Zuschauer vermutlich ein 3:2 oder 4:3 erlebt. So veränderte sich mit dem Platzverweis die Charakteristik des Spiels erheblich. Die Austria stellte auf ein 4-4-1 um und nahm den Torschützen Tabakovic heraus, für den stattdessen der quirlige Huskovic im Konter für Wirbel sorgen sollte. Mit zwei engmaschigen Viererketten und Huskovic davor empfing man die WSG, die nun plötzlich gefordert war, das Spiel zu machen und einen tiefstehenden Gegner zu knacken. In den letzten 15 Minuten des ersten Durchgangs gelang das nicht, weshalb es zur Pause beim 1:0 für die Austria blieb.

Direkt nach dem Wiederanpfiff hatte die WSG jedoch die Großchance durch Prelec, der nach einem Querschläger zum Abschluss kam und am starken Austria-Torhüter Früchtl scheiterte. Quasi im Gegenzug gab es dann den Paukenschlag: Nach einem Traumpass von Braunöder, behielt Offensivspieler Fitz alleine vor dem Tor die Ruhe und erzielte in Unterzahl das wichtige 2:0 für die Gastgeber. Das sollte der Austria nochmal Auftrieb geben. Die Tiroler taten sich auch unheimlich schwer, Lösungen gegen den tiefstehenden Block der „Veilchen“ zu finden. Man spielte viel in die Breite, kam fast gar nicht in den Zwischenlinienraum und versuchte sein Glück mit vielen Halbfeldflanken und langen Bällen, die aber wenig erfolgversprechend waren.

Einen Blackout der Austria-Verteidigung ist es zu verdanken, dass die WSG den Anschlusstreffer erzielte. Nach einem simplen Outeinwurf verschätzte sich Austria-Kapitän Mühl völlig und Stürmer Prica kam freistehend aus wenigen Metern zum Kopfball und traf zum 2:1. Das sollte die Tiroler allerdings nicht beflügeln und bis auf eine gute Möglichkeit von Prica, gab es in der restlichen halben Stunde kaum gefährliche Momente.

WSG-Trainer Silberberger nahm dann auch einen Innenverteidiger vom Platz und ließ Linksverteidiger Schulz ins Zentrum rücken, besser wurde der Spielaufbau dadurch allerdings nicht. Eher vergab die Austria die Möglichkeiten auf die Entscheidung, als zweimal Fischer und Keles das 3:1 auf dem Fuß bzw. Kopf hatten. In der Schlussviertelstunde stellten die Violetten noch auf ein 5-3-1 um, womit man auch den Flügelangriffen der Gäste endgültig den Zahn ziehen konnte und den 2:1-Sieg letztlich über die Zeit brachte.

Fazit

Es gab letztlich eine spannende und speziell für die Austria-Fans nervenaufreibende Partie zu sehen, die viele interessante Aspekte zu bieten hatte. In der ersten halben Stunde dominierten die Violetten das Spielgeschehen mit einem aggressiven Pressing und gutem Ballbesitzspiel, wodurch man auch verdient in Führung ging. Allerdings vernachlässigte man die Konterabsicherung etwas und das Abwehrverhalten war zu wild, wodurch man sich selbst immer wieder in Bedrängnis brachte. Das resultierte letztlich auch in den Platzverweis für Galvao, der das schlechte Abwehrverhalten ausbaden musste. So war es in einigen Situationen ein Spiel mit dem Feuer.

Vielleicht war die Unterzahl aber auch ein Glücksfall für die Austria, denn danach konnte man sich auf das Verteidigen konzentrieren, stand wesentlich tiefer und überließ dem Gegner das Feld. Dadurch stabilisierte sich auch die eigene Defensive merklich und in Wirklichkeit ließ man nach dem Ausschluss in 60 Minuten nur noch wenige Möglichkeiten zu und wenn doch, konnte man sich auf Torhüter Früchtl verlassen. So war es letztlich vielleicht sogar bereits ein gutes Training für die kommende Aufgabe im Europa League-Playoff gegen Fenerbahce, wo davon auszugehen wird, dass man ebenfalls viel Zeit in der Defensive verbringen wird.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic