Am siebten Spieltag der österreichischen Bundesliga empfing der TSV Hartberg den FK Austria Wien zu einem interessanten Duell um drei Punkte. Dabei ging es... Analyse: Zwei Austria-Gesichter sorgen für Niederlage in Hartberg

Am siebten Spieltag der österreichischen Bundesliga empfing der TSV Hartberg den FK Austria Wien zu einem interessanten Duell um drei Punkte. Dabei ging es für die Steirer gegen den „Angstgegner“ , verlor man doch zuletzt sechs Spiele am Stück und war dabei zumeist auch die klar unterlegene Mannschaft. Diese Negativserie wollte man daher endlich durchbrechen und gegen die Wiener nach langer Durststrecke wieder anschreiben. Auf der anderen Seite schlitterten die Violetten zuletzt zunehmend in Richtung Krise, wartet man doch schon seit über einen Monat auf einen Sieg. Für beide stand also einiges auf dem Spiel und die Partie sollte auch für reichlich Gesprächsstoff sorgen.

Resolutes Ballbesitzspiel der Hartberger

Die bisherige Saison verlief für beide Teams recht unterschiedlich und fast in die jeweils entgegengesetzten Richtungen, als es von vielen Experten im Vorfeld der Spielzeit angenommen wurde. Während die Austria unter den Erwartungen performt, sieht es beim TSV Hartberg etwas anders aus und man kann mit der bisherigen Saison sehr zufrieden sein. Hätten die Steirer nicht in zwei Spielen jeweils einen Zwei-Tore-Vorsprung leichtfertig hergegeben, würde man sogar noch weiter vorne in der Tabelle anzutreffen sein.

Der Grund für diesen Aufschwung ist ganz klar an der Personalie von Trainer Markus Schopp festzumachen, der mit einem konsequenten Ballbesitzspiel seinem Team ein klares Gesicht mit Wiedererkennungswert gegeben hat. Dadurch pflegt man einerseits einen der attraktivsten Spielweisen in der höchsten Spielklasse, andererseits liegen aber auch Freud und Leid oft eng beieinander.

An guten Tagen schlägt man den WAC klar und deutlich mit 3:0, an schlechten zerschellt man am Gegner und verliert gegen Klagenfurt daheim mit 0:3. Die Hartberger ziehen ihre Spielanlage kompromisslos durch und sind damit in der Lage, jedem Gegner Probleme zu bereiten. Daher war man natürlich im Lager der Austria gespannt, wie man mit dieser Spielanlage umgehen und wie die Lösungen dagegen aussehen würden. Prinzipiell kommt den Wienern der ballbesitzorientierte Stil der Steirer sicherlich entgegen, da man als „Pressingmannschaft“ dadurch reichlich Gelegenheiten bekam, um hohe Ballgewinne zu erzielen. Und dementsprechend lag auch der Fokus des Matchplans auf dem Spiel gegen den Ball.

Austrias Schwerpunkt auf die Pressingformation

Die Steirer setzen in ihrer Grundformation im Ballbesitz auf eine Mischung zwischen 4-3-3/4-2-3-1 und bisweilen verschwimmt hier die Anordnung, je nachdem welchen Schwerpunkt man wählt. Meist bezieht man den Torhüter intensiv ein: Dieser bildet mit den beiden Innenverteidigern eine Dreierkette, während im Zentrum zwei „Sechser“ die Bälle empfangen sollen und als Durchgangsstation nach vorne fungieren. Inklusive der beiden eher tiefstehenden Außenverteidiger, hat man damit eine sehr hohe Präsenz im Aufbauspiel, die ein Gegner erstmal neutralisieren muss.

Austria-Trainer Wimmer entschied sich daher, die Pressingformation etwas anzupassen und gegen den Ball auf ein 3-4-1-2 zu setzen. In der ersten Pressinglinie gab es mit Asllani und Gruber eine klare Doppelspitze, während sich Spielmacher Fitz hinter den beiden positionierte. Unterstützt wurden die Offensivspieler von den beiden Flügelverteidigern Ranftl und Guenouche, die weit aufrückten und die gegnerischen Außenverteidiger hoch anlaufen sollten. So wirkte das 3-4-1-2 eigentlich fast eher wie ein 3-2-3-2, da die beiden auf der gleichen Höhe wie Fitz standen. Die ungefähren Positionierungen kann man am folgenden Bild gut erkennen:

Die Pressingformation der Austria: Die erste Pressinglinie bildet ein „V“, während die beiden Flügelverteidiger ebenfalls weit vorschieben. Sobald der Ball zum Außenverteidiger der Hartberger gespielt wird, rückt Ranftl (roter Pfeil) auf diesen heraus und attackiert diesen.

Aufmerksame Augen werden in dem Bild rasch erkannt haben, dass die Austrianer in Unterzahl sind. Das birgt natürlich gefahren und erhöht die Schwierigkeit für die erste Pressinglinie, hier Zugriff zu bekommen – speziell wenn man im Mittelbock eine Fünf gegen Drei-Situation vorfindet. Hier versteht es Hartberg normalerweise auch außerordentlich gut, über den spielstarken Torhüter Sallinger, vertikal ins Zentrum zu spielen und so die erste Pressinglinie aufzureißen – so wie es die Austria früher mit Patrick Pentz im Tor oftmals tat. Doch die Wiener wurden von Trainer Wimmer sehr gut darauf eingestellt und vorbereitet.

Das Anlaufverhalten im Pressing sah nämlich so aus, dass die beiden Stürmer zunächst die beiden gegnerischen Sechser in den „Deckungsschatten“ nahmen und Fitz dahinter absicherte. Man ließ daher den Dreieraufbau zunächst einmal walten. Damit sollte in erster Linie für Torhüter Sallinger der Passweg in den „Sechserraum“ verstellt werden. Sobald dann ein Innenverteidiger angespielt wurde, rückte der ballnahe Stürmer auf diesen hinaus, während Fitz den ballnahen Sechser übernahm und dieses Herausschieben absicherte. Dadurch blieb dem Innenverteidiger meist nur die Option in die Breite zu spielen und wurde das vertikale Spiel sehr erschwert.

Austria-Trainer Wimmer sicherte die erste Pressinglinie auch noch zusätzlich ab, indem Ranftl z.B. mehr im Raum stand bzw. einrückte und dahinter „Sechser“ Fischer ebenfalls im Raum und auf dem „Sprung“ nach vorne stand, um die erste Pressingwelle zu unterstützen. Dieser vermehrte raumorientierte Ansatz dürfte wohl eine Schlussfolgerung aus den Problemen im Pressingspiel der Austria sein, an denen man in der Länderspielpause arbeitete.

Aggressive Wiener setzen spielstarken Hartbergern zu

Die beschriebenen Aufbau- und Pressingsequenzen diktierten daher auch die Anfangsphase des Spiels und gaben die Richtung für das weitere Spiel vor. Und hier sollte relativ rasch die Austria die Überhand gewinnen und dadurch die Kontrolle in dieser Begegnung übernehmen. Der violette Matchplan ging voll auf und das starke Aufbauspiel der Steirer konnte damit de facto abgewürgt werden. Die Hartberger kamen kaum dazu, den Ball über mehrere Stationen laufen zu lassen, sondern waren oftmals dazu gezwungen, lange Bälle nach vorne zu spielen. Hier hatte man allerdings nicht wie gewöhnlich Zielspieler Entrup (der kurzfristig mit Rückenproblemen ausfiel) im Sturmzentrum, sondern Avdijaj, der natürlich gegen die kopfballstarken Abwehrspieler der Gäste unterlegen war.

Dadurch konnten die Wiener den Rhythmus der Gastgeber oftmals brechen und ließen sie nicht ins Spiel kommen. Mit dem Ball gelang es dann den Violetten eine recht gute Ballzirkulation aufzuziehen und hier machte sich speziell die Rückkehr von Routinier Holland bemerkbar, der mit seiner Ruhe und Übersicht punkten konnte (kam daher auch auf die beste Passquote im Spiel). Auf der linken Seite harmonierten hier speziell Fitz und Guenouche gut miteinander und brachten so Struktur ins Offensivspiel. Man kam in den Anfangsminuten auch zu einigen guten Möglichkeiten und die dritte Torchance konnte man dann auch letztlich zum 1:0 verwerten, als nach einer schönen Kombination der Ball zu Gruber durchrutschte, der die frühe Führung besorgte.

Das sollte den Austrianern in ihrem Auftreten Sicherheit geben und es schien so, als würde man auf Kurs sein. Doch ähnlich wie zuletzt im Heimspiel gegen Klagenfurt, musste man einen Schreckmoment überstehen. Nach einem einfachen Einwurf rutschte der Ball durch und Ranftl ließ seinen Gegenspieler ziehen, weshalb Früchtl zu einer Glanztat gezwungen war und die Führung festhalten musste. Erneut hätte beinahe ein leichtsinniger individueller Fehler die kalte Dusche und den Ausgleich besorgt.

Die Wiener ließen sich davon allerdings zunächst nicht beirren und spielten einfach weiter. Das Pressing blieb auch nach der Führung griffig und sorgte für hohe Bälle des Gegners oder Ballgewinne, während man im Ballbesitz sich in der gegnerischen Hälfte festsetzen konnte und auf das 2:0 spielte. Zwar agierte man hier im letzten Drittel meist zu ungenau oder es war ein Hartberger-Bein dazwischen, jedoch hatte man nach wie vor alles unter Kontrolle und hatte nach gut 30 Minuten alle statistischen Werte zu den eigenen Gunsten. Die beste Chance die Führung auszubauen, vergab Asllani, der den weit vor dem Tor stehenden Sallinger mit einem Lupfer überwinden wollte, der allerdings letztlich zu hoch ausfiel. Alles schien in die richtige Richtung zu gehen, ehe plötzlich das Spiel völlig kippen sollte.

Austria schaufelt sich in zehn Minuten das eigene Grab…

Hatte man bis zur 35. Minute noch alles unter Kontrolle, sollte plötzlich die Verunsicherung um sich greifen und nahezu Panik ausbrechen. Den Beginn dieser Phase verursachte Innenverteidiger Meisl, der bei seinem verunglückten Klärungsversuch den Kopf von Diakite traf und so die große Ausgleichschance einleitete, bei der Martins akrobatisch auf der Linie retten musste. In der gleichen Tonart ging es die nächsten Minuten weiter, nachdem u.a. Martins, Fitz und Fischer einfache Bälle nicht klären konnten und Ballverluste in gefährlichen Zonen verursachten. Damit steckten sich die Spieler untereinander mit Unsicherheiten an und es grassierte die blanke Angst. Durch diese stärkte man die Hartberger und die Steirer konnten sich druckvoll in der Hälfte der Austria festsetzen, die plötzlich keinerlei Entlastung zustande brachte und tief nach hinten zurückfiel.

Als man sich dann das erste Mal wieder etwas freispielen konnte und spielerisch in die gegnerische Hälfte kam, verlor Fitz leichtfertig den Ball, bei dem das Gegenpressing zur Absicherung nicht funktionierte und sich noch dazu Ranftl im Zweikampf äußerst ungeschickt verhielt und auf dem Hosenboden landete, wodurch der gesamte Raum im Zentrum aufgerissen wurde. Prokop spielte anschließend Avdijaj frei und dieser ließ sich diese Chance mit seinem starken rechten Fuß natürlich nicht nehmen und traf ins lange Eck zum 1:1-Ausgleich.

Es hätte sogar noch schlimmer für die Violetten kommen können. Erneut konnte man einen Ball nicht ordentlich klären und so Hartberg einen schnellen Konterangriff vortragen, bei dem Torhüter Früchtl wiederholt in höchster Not gegen Offensivspieler Lang retten musste und seine Mannschaft vor dem 1:2-Rückstand bewahrte. Glücklicherweise für die Gäste pfiff der Schiedsrichter wenig später zur Halbzeit und die Wiener konnten sich wieder neu gruppieren.

…und schütten das Grab mit einem weiteren Fehler endgültig zu

In der Halbzeitpause war nun Austria-Trainer gefordert, eher die richtigen Worte als taktische Anpassungen zu finden, um seine Spieler wiederaufzurichten und mental zu stärken. Daher gab es auch zunächst keine Wechsel und beide Teams setzten das Spiel in den gleichen Formationen fort. Zunächst schien es auch so, als hätten die Gäste die Schlussphase der ersten Halbzeit überwunden und setzten dort fort, wo man in den ersten 35 Minuten anfing. Beinahe hätte man sich auch dafür belohnt, als nach einem schönen Angriff von hinten heraus und anschließender Guenouche-Flanke der Ball zum völlig freistehenden Fitz kam, der aus wenigen Metern den Ball weit über das Tor jagte. Ein Schlüsselmoment in diesem Spiel, wie man im Nachhinein feststellen musste.

Denn wenige Minuten später, fing Hartberg-Torhüter Sallinger einen Flankenball ab und leitete mit einem weiten Abschlag einen schnellen Konter ein, bei dem Ranftl zum wiederholten Male in der Defensive nicht gut aussah und Avdijaj aus den Augen verlor, wodurch Torhüter Früchtl zu einem riskanten Ausflug gezwungen war und sich völlig verschätze, weshalb plötzlich Avdijaj freie Bahn hatte und ins leere Tor zum 2:1 traf. Erneut ist es ein schwerer individueller Fehler, der zu einem Gegentor führt, diesmal vom sonst so sicheren Rückhalt Früchtl, der zuvor noch maßgeblich daran beteiligt war, dass man überhaupt noch im Spiel war.

Das Entsetzen und der Tiefschlag auf die Psyche der Violetten war danach offensichtlich und damit folgte ein weiterer Bruch im Spiel. Dabei war eigentlich alles dafür angerichtet, das Spiel nochmal zu eigenen Gunsten zu drehen, flog doch ein Hartberger durch ein dummes Foulspiel vom Platz und setzte man damit das Spiel für 30 Minuten in Überzahl fort. Doch der Glaube daran schwand von Minute zu Minute und man wirkte schlicht kopf- und hilflos. Man versuchte zwar anzulaufen und das tiefe 4-4-1 der leidenschaftlich verteidigenden Hartberger zu bespielen, doch meist spielte man nur in die Breite und hatte keinen wirklichen Plan, wie man den tiefstehenden Block knacken könnte. Dreiecksbildung und anschließend den freien Mann finden? Fehlanzeige. Durchs Zentrum kam man nicht durch und die Flügel wurden vernachlässigt, weshalb es kaum ein Durchkommen gab und meist nur „Verzweiflungsflanken“ in den Strafraum geschlagen wurden.

Doch nicht nur die Spieler machten keine gute Figur, auch Trainer Wimmer traf im Verlauf einige fragwürdige Entscheidungen. Angefangen mit dem ersten Doppelwechsel, bei dem trotz Überzahl nur positionsgetreu gewechselt wurde und an der Balance (trotz Überzahl) überhaupt nichts geändert wurde, weshalb weiterhin nominell nur drei Offensivspieler auf dem Platz standen. Des Weiteren war auch die Herausnahme von Spielmacher Fitz fragwürdig, war dieser doch an und für sich gut im Spiel, war bis dato an sechs Abschlüssen direkt beteiligt auf dem besten Weg auf über 70 Ballkontakte im Spiel zu kommen – was seinen Einfluss unterstreicht. Generell ist Fitz auch einer der wenigen Spieler im Kader der Austria, die für kreative Momente im Spiel sorgen können. Stattdessen durften etwa Akteure wie Fischer oder Gruber durchspielen, die kaum einen positiven Einfluss auf das Spiel hatten und auch generell keinen guten Tag erwischten.

In der 75. Minute griff der Austria-Trainer dann nach dem letzten Strohhalm und löste sogar die Dreierkette auf, stellte das System nach der Einwechslung von Braunöder auf ein 4-3-3 um und versuchte damit, den Umschwung zu besorgen. Doch zu diesem Zeitpunkt war der entstandene Schaden nicht mehr zu reparieren und der Glaube an den Ausgleich nicht zu erkennen. Die Spieler standen sich gegenseitig eher auf den Füßen und es war kein sauberes Positionsspiel zu sehen, geschweige denn, dass jemand Verantwortung übernahm und sich im Offensivspiel etwas zutraute oder gar riskierte. So kam es letztlich dazu, dass sich die Violetten in über 30 Minuten Überzahl keine einzige (!) Ausgleichschance erspielten. Damit blieb es beim 2:1 der Gastgeber und die Hartberger brachten den Sieg über die Ziellinie und durften anschließend feiern, während es für die Favoritner erstmals in dieser Saison Unmutsbekundungen von den zahlreichen mitgereisten Fans gab und sich der (berechtigte) Frust entlud.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic