Wie der Vater, so der Sohn: Jedenfalls haben Rudi und Thomas Flögel denselben Beruf gewählt und waren in diesem auch ähnlich erfolgreich: Beide heimsten... Anekdote zum Sonntag (189) – Und ständig grüßt der Stronach

Wie der Vater, so der Sohn: Jedenfalls haben Rudi und Thomas Flögel denselben Beruf gewählt und waren in diesem auch ähnlich erfolgreich: Beide heimsten je vier Meistertitel sowie vier Cupsiege ein und kamen fast auf dieselbe Anzahl an ÖFB-Länderspiel-Einsätze. In einem Punkt unterscheidet sich das Vater-Sohn-Gespann jedoch gravierend voneinander: Während Rudi heute als Alt-Legende des SK Rapid gilt, ist Thomas eingefleischter Violetter, der über 300-mal die Schuhe für die Kampfmannschaft der Veilchen schnürte. Tommy hat heute guten Kontakt zur Fanszene der Ostkurve und wirkt als Bindeglied zwischen Anhängern und Verein.

Nur Wenige wissen, dass zunächst auch bei dem älteren Flögel die Sympathie zur Austria groß war: Rudi, der 1939 in Wien geboren wurde, bewunderte als junger Bub den violetten Stürmer Dolfi Huber und drückte daher den Favoritnern die Daumen. Als Flögel Senior jedoch im FAK-Nachwuchs beginnen wollte, hieß es, er sei zu schmächtig und solle es in zwei Jahren noch einmal versuchen. Damit war das Kapitel Austria für Rudi Flögel abgeschlossen ehe es begonnen hatte. Rapid schnappte sich den Mittelfeldmotor und Flögel Senior kickte daraufhin vierzehn Saisonen lang in Hütteldorf.

Ironischerweise fungierte Rudis Idol Dolfi Huber später als Jugendtrainer von Sohn Thomas, der schon als Siebenjähriger ins Juniorenteam der Veilchen kam. „Ich bin vom Herzen her immer schon Violetter.“, sagt der Ex-Schottland-Legionär heute. Tommy, der vom Herrn Papa jedenfalls das technische Talent geerbt hat – wie er beispielsweise mit seinem legendären „Scorpion-Kick“-Tor in der Stadthalle unter Beweis stellte -, spielte sieben Jahre bei den Profis der Austria bevor er nach Schottland wechselte. „Im ersten Jahr musste ich wieder Tritt finden und aus der Komfort-Zone heraus.“, erinnert sich Flögel Junior an seine Anfänge bei Heart of Midlothian. Auf der Insel praktizierte er „Schweinskick“ – wie er es später nannte – und lernte, dass dort auch ein Feintechniker kämpfen und rackern muss. Sein größter Triumph blieb der Sieg über die Glasgow Rangers im Finale des schottischen Cups 1998.

Während Thomas im Edinburgher Schlamm nach Bällen grätschte, heuerte bei seiner Wiener Austria ein gewisser Frank Stronach an. Der milliardenschwere Unternehmer rief das Ziel Champions League-Sieg aus und kündigte an, zu diesem Zweck eine Menge Geld in den Kultklub zu stecken. Anfangs herrschte Vorfreude bei der violetten Anhängerschaft, bei Insidern – wie Trainer Prohaska – schrillten jedoch schnell die Alarmglocken. Paul Scharner, der damals bei den Veilchen unter Vertrag stand, erinnert sich in seiner Biografie an das erste Zusammentreffen mit dem exzentrischen Milliardär: „Das [Stronachs Plan mit der Austria; Anmerkung] war nicht von vornherein Blödsinn, denn Visionäre braucht das Land, aber es wirkte auf mich in vielen Teilen plan- und ahnungslos.“, bringt es Scharner auf den Punkt. Auch Prohaska blies ins gleiche Horn und meinte – nach seiner Entlassung als Trainer – schlicht, der Unternehmer sei kein Fußballfachmann.

Dass dies nicht Stronachs einziges Defizit war, sollte das ganze Land Jahre später erfahren, als der Austro-Kanadier in die Politik einstieg: Frank Stronach eröffnete den Wahlkampf 2012 mit den Worten, er sei sich sicher, dass dies „einer der wichtigsten Tage in der Geschichte Österreichs [sei; Anmerkung]; der Tag [werde; Anmerkung] auch in die Geschichte der Welt eingehen.“ Ganz so kam es dann nicht. Das Profil resümierte charmant, dem Milliardär sei es gelungen, kindliche Zuversicht und Selbstgewissheit zu konservieren. Andere meinten, Stronach sei der Realitätssinn schon länger abhandengekommen. Dies wird auch Thomas Flögel bestätigen können, denn die Austria-Legende erlebte bei ihrer Rückkehr eine Anekdote, die die Skurrilität des gebürtigen Steirers herausstreicht:

2002 unterschrieb Flögel erneut bei der Wiener Austria, nachdem sich Hearts eine Vertragsverlängerung wegen des Rückzugs der BBC aus der schottischen Liga nicht leisten konnte. Vor einem Heimspiel waren die Violetten (wie üblich) in ihrem damaligen Partnerhotel, dem Hilton Vienna Danube, am Handelskai kaserniert. Im obersten Stockwerk des Hotels befand sich der Speisesaal. Flögel, der in der ersten Etage untergebracht war, wollte zum Essen und bestieg zu diesem Zweck den Personenaufzug. Beim ersten Halt – ein Stockwerk später – machte der Kicker große Augen, denn ausgerechnet der Austria-Großsponsor in personam stieg zu. Stronach gab sich bodenständig und amikal: „Servas, griaß di!“, kauderwelschte der Unternehmer und streckte dem FAK-Profi die Hand entgegen. Flögel schüttelte diese und lächelte. Stronach war neugierig und fragte in seiner direkten Art: „Wer bist denn du?“ Der Spieler schmunzelte und stellte sich vor. Stronach nickte. Da hielt der Aufzug schon ein weiteres Mal und zwei andere Austrianer gesellten sich zu den Herren. „Hallo, servus!“, frohlockte Stronach wie zuvor und erkundigte sich auch in diesem Fall nach den Namen der beiden Zugestiegenen. Zu Thomas Flögels Überraschung streckte ihm der violette Mäzen jedoch ein weiteres Mal die Hand entgegen, grüßte und blickte ihn erwartungsvoll an. Verwundert erklärte ihm der Ex-Schottland-Legionär daraufhin, dass er (noch immer) Thomas Flögel heiße. Nachdem sich das Gruß-Vorstellungs-Spielchen beim folgenden und auch bei dem nachfolgenden Halt des Lifts fortsetzen sollte, begann der ÖFB-Teamspieler aber an den kognitiven Fähigkeiten des späteren Todesstrafe-für-Berufskiller-Befürworters zu zweifeln. „Bis zum Dachgeschoss habe ich Stronach ungefähr zehnmal gesagt, wie ich heiße.“, lacht die Austria-Legende. Tatsächlich hatte sich der Milliardär bei jedem Zustieg wieder bei der wachsenden „Reisegesellschaft“ nach den jeweiligen Namen erkundigt und jedes Mal aufs Neue die Hände der Spieler geschüttelt.

Nicht nur „Sir Tam“ – wie Flögel nach seinem Schottland-Abenteuer gerufen wurde – sondern auch seine Kollegen wunderten sich über den skurrilen Auftritt des Fußballfunktionärs. Heute kann man sagen, dass mit dieser Geschichte Stronachs Wirken in Wien X recht anschaulich illustriert wird: Der gebürtige Steirer wusste eben selten, was er tat oder getan hatte. Selbstbewusst hatte Stronach schon am Anfang seines Engagements erklärt: „Ich brauche keine Einflüsterer. Ich hole mir Fakten, dann entscheide ich.“ Die gesamte violette Fußballfamilie atmete schließlich auf, als er das wieder woanders tat.

Marie Samstag, abseits.at

Marie Samstag