Am morgigen Dienstag beginnen die Playoffs der österreichischen Bundesliga. Innerhalb von nicht einmal fünf Wochen werden die restlichen zehn Runden ausgespielt. Danach wird ein... Kommentar: Warum das LASK-Urteil eine Themenverfehlung darstellt

Am morgigen Dienstag beginnen die Playoffs der österreichischen Bundesliga. Innerhalb von nicht einmal fünf Wochen werden die restlichen zehn Runden ausgespielt. Danach wird ein Team absteigen und ein anderes an der Tabellenspitze stehen. Ob das Team, das am 5.Juli ganz oben steht auch österreichischer Meister sein wird, ist – Stand jetzt – nicht mit Sicherheit zu sagen. Grund dafür ist das Urteil gegen den LASK, das eine klassische Themenverfehlung und einen moralischen Tiefpunkt in der jüngeren Bundesligageschichte darstellt.

Zuerst fassen wir die Abfolge der Ereignisse zusammen:

– Die Bundesligaklubs einigten sich in Zusammenarbeit mit der Regierung über einen Fahrplan zum Wiederbeginn der Bundesligasaison, um die verbleibenden zehn Runden fertig zu spielen. Unter anderem wurde beschlossen, dass bis 15.Mai ausschließlich Kleingruppentrainings erlaubt sind.

– Nachdem Gerüchte über verbotene Mannschaftstrainings des LASK aufkamen, wurde von Unbekannten eine Webcam installiert, die den LASK in flagranti bei einem Mannschaftstraining aufnahm.

– Der LASK hängte für dieses, gegen die Beschlüsse verstoßende Vorhaben einen Sichtschutz um sein Stadion und engagierte Security-Personal.

– Es kommt schließlich zu einer gemeinsamen Presseaussendung der elf anderen Bundesligaklubs im selben Wortlaut. Der LASK wird beim Senat 1 angezeigt und äußert sich am Tag der Presseaussendung auf kurzangebundene und sonderbare Art und Weise zu den Vorwürfen.

– Einen Tag später beruft der LASK eine Pressekonferenz ein, um zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Dabei entschuldigen sich die Verantwortlichen zwar, allerdings verstrickt man sich in Widersprüche und gibt mehrere Mannschaftstrainings zu und bestätigt (irrtümlich?), dass man diese Vorgehensweise bereits seit einigen Wochen verfolgt. Die Körpersprache und Mimik von Jürgen Werner und Siegmund Gruber spricht Bände und geht im Internet viral.

Der Senat 1 benötigt schließlich zwei Sitzungen, um das initiale Strafmaß für den LASK zu beschließen. Den Linzern werden sechs Punkte abgezogen und obendrein gibt es eine Geldstrafe in Höhe von 75.000 Euro. Im Vorfeld des Urteils ist man auf Bundesligaseite bereits etwas besorgt, dass der Instanzenweg zu lange dauern könnte, um die Saison flüssig fertigzuspielen und hoffte vor allem auf die Einsicht und Akzeptanz des LASK, was Vorstand Christian Ebenbauer zuletzt (nach dem erstinstanzlichen Urteil) auch bekräftigte. Der LASK beschreitet aufgrund des seiner Meinung nach unverhältnismäßigen Urteils aber dennoch den Instanzenweg und legte Protest ein.

Unmittelbar nachdem der LASK zum Punktabzug verdonnert wurde, preschte man mit einer Presseaussendung vor und gab bekannt, dass man mit einem Abzug von zwölf Punkten bestraft wird. Wohlgemerkt VOR der Punkteteilung, was ja praktisch, die bisher ausgespielten Punkte betrachtend auch stimmen würde. Konjunktiv – denn würde die Bundesligasaison, etwa wegen einer zweiten COVID-19-Welle abgebrochen und der Tabellenstand nach 22 Runden gewertet werden, so betrüge der Punktabzug für den LASK dennoch nur sechs Punkte. Die Aussendung mit den „12 Punkten vor Abzug“ war also schlichtweg eine Irreführung der Öffentlichkeit, um das Urteil härter erscheinen zu lassen. Einige Medien berichteten daraufhin von zwölf Punkten Abzug, relativierten aber bald wieder, nachdem sie etwas genauer hinsahen. In internationalen Medien scheinen aber bis heute da und dort zwölf Punkte auf. Der LASK hat mit seiner Kommunikationsstrategie also offenbar erreicht, was er wollte. Schließlich will man ja auch der UEFA zeigen, dass man gerade die volle Breitseite vom Senat 1 bekam.

Der LASK legte also Protest ein und könnte bis zum Ständigen Neutralen Schiedsgericht gehen, um die Strafe anzufechten. Dieses tagt aber erst nach Saisonende und könnte somit im Nachhinein (!) meisterschaftsentscheidend sein. Extrapikant: In der letzten Runde trifft der LASK auf den Titelkonkurrenten aus Salzburg. Würde der LASK den Instanzenweg ausreizen, wäre dies kein klassisches Endspiel um den Titel. Das echte Finale wäre dann die Sitzung von einigen Herren und einer Dame am „Grünen Tisch“.

Die Reaktionen auf das Urteil fielen unterschiedlich aus. Ziemlich einig ist man sich bei der Geldstrafe: 75.000 Euro sind für den in Europa erfolgreichen LASK aktuell eine Kleinigkeit. Natürlich handelt es sich um viel Geld, aber auch in Corona-Zeiten ist diese Strafe für den LASK problemlos zu stemmen. Der LASK kann sich allerdings einen Teil der Strafe ersparen und alternativ nur 50.000 Euro an einen ÖFB-Hilfsfonds für heimische Vereine überweisen. Kein Mensch versteht, wieso man dem LASK für diese Option gleich 25.000 Euro erlässt und damit sogar eine aufgelegte Option zur Imagepolitur ermöglicht. Es ist schwer nachzuvollziehen, wie der Senat 1 auf die Idee kam, dass man die ohnehin relativ niedrige Geldstrafe noch einmal verringert, wenn sie zweckgebunden für kleinere Klubs bezahlt wird.

Zum Vergleich: Der SK Rapid bekam im Frühjahr 2018 eine Geldstrafe von 100.000 Euro plus Sektorsperre aufgebrummt, weil sich die Fans der Hütteldorfer im Derby danebenbenahmen. Und ja: Diese Strafe war in ihrer Höhe gerechtfertigt. Ausgelöst wurde die Strafe aber durch Fans, die nicht vom Verein zu irgendwelchen Vergehen angestiftet wurden, sondern sich zu impulsiven Blödheiten hinreißen ließen, wie es auf der ganzen Welt im Fußball immer wieder der Fall ist. Die Austria bekam 2019 nach „Pyromissbrauch“ in Pasching eine teilbedingte Strafe von 19.300 Euro aufgebrummt und musste bis zum Ende des Grunddurchgangs die Ordnerzahl bei Auswärtsspielen verdoppeln. Inklusive der zusätzlichen Personalkosten kommt man damit wohl auf dieselbe Geldstrafe, wie sie der LASK nun bekam. Auch hier: Die Verfehlungen gingen von den Fans aus.

Die Sache beim LASK ist aber eine völlig andere: Hier wurden Abmachungen und auch Regierungsbeschlüsse kühl kalkuliert gebrochen. Ausgehend von den Verantwortlichen des Vereins und nicht irgendwelchen Grüppchen innerhalb der Mannschaft oder gar von den Fans. Nun könnte man argumentieren, dass hierfür ohnehin sechs Punkte (die der LASK wie gesagt anfangs sicherheitshalber als „zwölf Punkte“ deklarierte) abgezogen wurden. Und tatsächlich: Betrachtet man die Relation eines erstinstanzlichen Abzugs von sechs Punkten und vier (zugegebenen) Mannschaftstrainings, so ist das Strafmaß für den LASK durchaus hart. Gehen wir davon aus, dass die eingebrachten Proteste des LASK eine Minderung der Strafe zur Folge haben werden, so kann man vermutlich von etwa einem Punkt Strafe pro (zugegebenem) Training ausgehen.

Der LASK hat durch seine längere Zeit im Mannschaftstraining definitiv einen gewissen Vorteil, was mannschafts- und gruppentaktische Automatismen betrifft (gerade wenn man so spielt wie der LASK!), aber der konkrete Vorteil ist dennoch kaum in Punkten zu beziffern, weshalb man die Strafe schon mal so akzeptieren kann – egal, ob es am Ende drei, vier oder sechs Punkte sind. Übrigens: Der Stadtrivale des LASK, Blau-Weiß Linz, bekam wegen einer verpassten Frist zur Einreichung der Lizenzauflagen drei Punkte (erstinstanzlich waren es noch vier Punkte) Abzug aufgebrummt.

Und weil wir dauernd von Punkten sprechen: Der wirklich springende Punkt ist ein völlig anderer! Das durch den Senat 1 ausgesprochene Urteil gegen den LASK ist juristisch höchstwahrscheinlich vertretbar und fair, allerdings eine in seiner Gesamtheit an Lächerlichkeit kaum zu überbietende Themenverfehlung. Der moralische Verstoß des LASK, die Missachtung jeglicher Solidarität und die auf allerhand Verschleierungen und Irreführungen aufgebaute Kommunikationsweise, die man nach Bekanntwerden der Trainings an den Tag legte, flossen schlichtweg nicht in dieses Urteil ein. Ebenso wenig, dass man die Verstöße offensichtlich plante, womit wir wieder den Planen um Stadion und den Security-Mitarbeitern wären. Der LASK wurde also für seine Tat an sich (wohl gerecht) bestraft, nicht aber für die potentielle Folgenschwere der Intention an sich!

In Nicht-Corona-Zeiten wäre der Aufschrei unter den denkenden Fußballfans in Österreich vermutlich etwas geringer. In der herausfordernden Zeit von Lockdowns, Geisterspielen und dem Damoklesschwert eines Ligaabbruchs sieht das aber anders aus. Denn gerade jetzt hat der LASK mit seinem Handeln in Kauf genommen (!), dass die Meisterschaft doch noch abgebrochen wird, weil sich die Regierung zurecht gefrotzelt fühlen könnte und das wiederum hätte bei einigen anderen Bundesligaklubs Insolvenzen zur Folge gehabt. Von der 2.Liga, die dann wohl ebenfalls abgeblasen worden wäre, ganz zu schweigen. Dort ist nicht mal jetzt sicher, ob irgendein Stein auf dem anderen bleibt. Der LASK hat also in vollem Bewusstsein die Fußballlandschaft Österreichs ernsthaft gefährdet, nachdem man in den letzten Jahren immer wieder betonte, wie sauber und solidarisch man selbst sei. Das floss in das Urteil nicht ein und genau deshalb handelt es sich de facto um ein „typisch österreichisches“ Witzurteil.

Wie geht’s jetzt also weiter? Der LASK legte gegen das de jure harte Urteil Protest ein und freut sich darüber, dass die Bewertung der Sachlage de facto nicht in vollem Ausmaß erfolgte. Christian Ebenbauers Hoffnung auf einen schnellen Abschluss des Instanzenwegs, um die Meisterschaft rechtzeitig und rein sportlich beenden zu können, ist im Grunde auch nur ein Vorteil für den LASK. Dieser könnte nämlich ohne Weiteres bis zum Ständigen Neutralen Schiedsgericht weiterprotestieren, denn ist der Ruf erst mal ruiniert eh schon wissen. Das Resultat könnte so aussehen, dass man sich beim Senat 1 sagt: „Geben wir ihnen halt zwei der sechs Punkte wieder zurück, das werden’s akzeptieren und die Sache ist erledigt.“ – eine Themenverfehlung bleibt’s trotzdem.

Der LASK kommt für eine juristisch betrachtet recht einfach zu bestrafende Tat, gleichzeitig aber eine de facto ungeahndete schwere Unsportlichkeit zumindest vorerst mit einem blauen Auge davon und darf – mit ordentlichem Trainingsvorsprung – weiter um den Titel mitspielen. Ausgesessen ist die Sache für die Linzer aber noch nicht, denn würde sich in den Landesverbänden eine Mehrheit finden, die den LASK nicht für die Teilnahme am nächstjährigen Europacup empfehlen will, könnte auch noch eine verspätete „ÖFB-Strafe“ auf die Schwarz-Weißen zukommen. Die Bundesliga wiederum will die Langfassung des Urteils abwarten und behält sich danach vor, Einzelpersonen anzuzeigen. Dies wiederum wäre eine absolute Notwendigkeit und Schadensbegrenzung auf der „Gerechtigkeitsskala“.

Skandalös ist das Urteil vor allem als Symbol an andere Vereine, denn offensichtlich werden moralische Verstöße und die Missachtung ligainterner Solidarität schlichtweg nicht sanktioniert. Man darf also davon ausgehen, dass sich der nächste Verein, der aus Eigennutzen gegen Agreements verstößt das LASK-Urteil als Präzedenzfall heranziehen wird. Dass die Gesprächsbasis zwischen den Bundesligaklubs in Zukunft eine andere sein wird und die Wogen in der Liga noch für lange Zeit hochgehen werden, ist natürlich auch naheliegend.

Fairerweise – und weil es sich hier um einen Kommentar handelt – muss aber auch festgehalten werden, dass der genaue Wortlaut der Urteilsverkündung nicht öffentlich bekannt ist. Wäre aber die Unsportlichkeit des LASK bzw. die Gemeingefährdung von „Corona-Gate“ doch in dieses Urteil eingeflossen, dann würde das insofern etwas ändern, dass der Senat 1 ausnahmslos rücktrittsreif ist. Und wie es um Rücktrittstraditionen in Österreich bestellt ist, weiß man ja.

Kommentar von Daniel Mandl

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Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen