Andy Marek war jahrelang mehr als nur der Stadionsprecher des SK Rapid: Begonnen hat der gebürtige Waldviertler zwar ausschließlich als Moderator der Rapid-Heimspiele, er... Anekdote zum Sonntag (172) – Die Farbe Lila

Andy Marek war jahrelang mehr als nur der Stadionsprecher des SK Rapid: Begonnen hat der gebürtige Waldviertler zwar ausschließlich als Moderator der Rapid-Heimspiele, er erweiterte aber seine Aufgaben ab 1998, als er zum „Baumeister“ des grün-weißen Hauses aufstieg und von da an mit seinem Klubservice den Kontakt zwischen Anhängerschaft und Verein regelte.

Marek kümmerte sich von UEFA-Angelegenheiten bis zum Merchandise um sämtliche nicht-sportliche Aspekte des Fußballs. Er war voller Energie und hatte stets ein offenes Ohr für die Fans. Wie ein Duracellhase war der ehemalige Textilunternehmer kaum zu bremsen und bemühte sich seine Aufgaben perfekt zu erfüllen. Aber auch Andy musste akzeptieren, dass selbst einem sehr sorgfältigen Menschen hie und da Fehler unterlaufen. Im Herbst vor vierzehn Jahren passierte ihm ein besonders pikanter faux-pas:

2009 sollte Rapid in der Gruppenphase der Europa League auf Celtic Glasgow treffen. Das Duell mit den Schotten war historisch vorbelastet, schließlich hatte der österreichische Rekordmeister Celtic 1984 im UEFA-Cup-Halbfinale in einem umstrittenen Wiederholungsspiel besiegt und aus dem Bewerb geworfen: Beim Stand von 0:3 im Auswärtsmatch auf der Insel behauptete Rapids Weinhofer von einer Flasche aus dem Publikum getroffen worden zu sein, die UEFA setzte daher ein Entscheidungsspiel an, das Peter Pacult, der 2009 SCR-Trainer war, mit 1:0 zugunsten der Wiener entschied.

Die Schotten und ihre Hardcore-Fans sandten seither auf Rache; sie fühlten sich von ihren – ebenfalls die grün-weißen Farben repräsentierenden – Sportfreunden betrogen. Die Stimmung war also schon vor dem ersten Zusammentreffen seit dem Skandalspiel von vor 25 Jahren geladen. Sehr viele Rapidler:innen wollten sich das Match daher um keinen Preis entgehen lassen, weswegen binnen kürzester Zeit die organisierten Fanreisen ausreserviert waren.

Um alles für das Auswärtsspiel zu regeln, reiste Andy Marek einige Tage vor dem Spiel in die schottische Hauptstadt, um sich mit den Gastgebern zu besprechen und die Unterkünfte zu buchen: Er inspizierte das Stadion, übernahm die von Celtic bereitgestellten Tickets für den Gästesektor und buchte die Hotels für die Mannschaft, den Staff und die mitreisenden Medienvertreter. Danach widmete er sich den Unterkünften für die Fans. Dabei musste sich der gebürtige Niederösterreicher überzeugen, dass Lage und Komfort stimmten. Als nur noch ein Hotel auf seiner To do-Liste stand, rückte die Check in-Zeit des Rapidmitarbeiters jedoch so nahe, dass ihm klar war, dass er das letzte Gästehaus nicht mehr persönlich begutachten konnte. Der Zuständige der beauftragten Hotelagentur beruhigte Marek jedoch: Das Hotel sei den bisher gesehenen Unterkünften ebenbürtig. Außerdem könne sich Andy bei der Rückfahrt zum Flughafen davon überzeugen, dass es gut angebunden sei. Rapids Stadionsprecher war einverstanden. Nachdem er das Hotel vom Taxifenster aus gesehen hatte, ließ er auch dort telefonisch die gewünschte Zimmeranzahl reservieren. Der grün-weiße Niederösterreicher flog gut gelaunt zurück nach Wien – im Glauben, alles sei geregelt.

Am 1. Oktober 2009 hoben mehrere Fanflieger von Wien-Schwechat in Richtung Glasgow ab. Mit dabei natürlich Andy Marek, der nach der Ankunft jene zwei Fanbusse begleitete, die in das von ihm nicht selbst besuchte Hotel, das „Tulip Inn“, fuhren. Vor der Unterkunft angekommen, stapfte der Klubserviceleiter zur Rezeption, um für die über 100 Fans die Zimmerkarten zu besorgen damit diese gleich auf dem Parkplatz verteilt werden konnten.

Marek betrat also die Unterkunft und musste aber gleich schlucken: In der Lobby entdeckte er eine Couch, einen Teppich und ein Bild – alles monochrom in der Farbe des großen Erzrivalen des SK Rapid. Was für ein Empfang! Gleich nachdem er die Karten ausgehändigt bekommen hatte, musste er die Rezeptionistin bitten, diese Gegenstände entfernen zu lassen. Die Schottin rollte zwar mit den Augen, ließ den Möbeltausch aber veranlassen. Andy Marek schwante jedoch Böses: Wenn schon in der Eingangshalle auffällig einfärbige Gegenstände präsentiert würden, konnte man darauf schließen, dass das gesamte Gebäude nach einem einheitlichen Design gestaltet worden war. Er bat die Dame, ihm das nächstgelegenste Doppelzimmer zu zeigen: Die Rezeptionistin öffnete die Tür und Marek war, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen: Das Zimmer (und nicht nur dieses) erstrahlte in kräftigstem Violett. Vom Duschvorhang bis zum Zierpolster war alles in lila Farbe getaucht. Andys Herz hämmerte: Wie sollte er das den mitreisenden Fans erklären? Eine Übernachtung in diesen Zimmern wäre psychische Folter für den grünen Anhang. Mit zitternden Fingern griff der Rapidmitarbeiter zum Handy und rief die Hotelagentur an: Er machte der Agentur klar, dass er sofort ein neues Hotel als Ersatzunterkunft bräuchte. Doch in der schottischen Hauptstadt fand zu diesem Zeitpunkt ein Ärztekongress statt und alle großen Unterkünfte waren ausgebucht: No chance!

Jetzt bliebt Marek nur mehr die Flucht nach vorne: „Ehrlich währt am längsten.“ sagte sich der gebürtige Waldviertler und ging zurück zum Parkplatz. Dort bat er die Anwesenden um Ruhe, erklärte, dass er die Zimmerkarten habe und sogleich austeilen würde, vorher müsse er jedoch noch etwas beichten: „Ich habe den Eindruck, dass ihr mich mögt und meine Arbeit schätzt. Das könnt ihr jetzt unter Beweis stellen.“, eröffnete der damals 47-jährige mit ernster Miene sein Geständnis. In der Folge gab er zu, das Hotel leider nicht persönlich inspiziert zu haben und so nichts von der dominierenden Farbgebung im „Tulip Inn“ gewusst zu haben. Er erklärte nun, dass die Unterkunft wie ein Partnerhotel der Austria aussehe und bat die Fans die von ihnen verhasste Farbe irgendwie zu ignorieren.

Die Anwesenden quittierten die Beichte des kleinlauten Marek mit Gelächter und hämischen Pfiffen. Ernsthaft beschwerte sich jedoch niemand. Stattdessen klopften viele dem Klubserviceleiter tröstend auf die Schulter. Manche forderten Marek auf, sie zumindest auf ein Bier einzuladen, andere erklärten die Bettwäsche abzuziehen oder die Dusche – unter diesen Umständen – unbenutzt zu lassen. Die meisten Rapidler:innen nahmen es jedoch mit Humor. Vorkommnisse dieser Art passieren schließlich immer wieder: Zehn Jahre später mussten beispielsweise rund 100 Schalke-Fans die Heimreise von einer 0:7-Niederlage ihrer Mannschaft in Manchester im offiziellen Mannschaftsflieger des BVB antreten: Doppelbestrafung.

Marie Samstag