Am vierten Spieltag der UEFA Champions League gastierte der österreichische Meister Red Bull Salzburg beim italienischen Vizemeister SSC Neapel. Dabei wollten sich die Bullen... Analyse: Salzburg holt in Neapel ein Remis

 Am vierten Spieltag der UEFA Champions League gastierte der österreichische Meister Red Bull Salzburg beim italienischen Vizemeister SSC Neapel. Dabei wollten sich die Bullen nicht nur für die Niederlage im „Hinspiel“ revanchieren, sondern mit einem Punktegewinn die Chance auf das Achtelfinale am Leben erhalten. Dabei erwischten die Salzburger die Italiener zum richtigen Zeitpunkt, befindet sich doch Napoli in einer kleinen Krise und gewann zuletzt nur zwei der sieben gespielten Partien. Daher rechnete man sich einige Möglichkeiten aus und hoffte nicht mit leeren Händen die Heimreise antreten zu müssen.

Salzburg zieht Lehren aus dem Hinspiel

Gegen die im Ballbesitz starken Neapolitaner, tat sich Salzburg im Hinspiel in einigen Situationen sichtlich schwer damit, Zugriff im Pressing zu erhalten und für konstante Ballgewinne zu sorgen. Daher versuchte man klarerweise die passenden Antworten auf diese Probleme zu finden, was zu einigen Umstellungen bei den Bullen führte. So veränderte Trainer Jesse Marsch das Spielsystem und rückte von der Viererkette ab, um auf ein 5-3-2/5-Raute-1 zu setzen. Pongracic rückte als zusätzlicher Innenverteidigung in die Mannschaft, während im Mittelfeld Junuzovic den alleinigen Sechser vor der Abwehr gab. Doch warum entschied sich Marsch für diese Variante?

Prinzipiell stellte man sich damit noch gezielter auf die Stärken von Napoli im Ballbesitz ein und wollte mit diesem System bzw. mit einer verbesserten Aufteilung das eigene Pressing zum Laufen bringen. Durch die Viererkette im Hinspiel, hatte man situativ immer mal wieder Probleme mit der Restverteidigung und damit, dass die beiden Stürmer der Italiener Gleichzahl-Situationen gegen die Innenverteidiger der Salzburger vorfanden. Dem wollte man mit der Adaption des Systems nun zuvorkommen und gegen die beiden flinken Angreifer Lonzano und Mertens eine zusätzliche Absicherung in Form eines weiteren Innenverteidigers haben.

Interessant war darüber hinaus wie man gedachte für Zugriff im Pressing zu sorgen, um den Spielaufbau von Napoli einzudämmen. Die Salzburger entschieden sich dafür, im Mittelfeld eine Raute aufzubieten – mit Minamino und Szoboszlai auf den Halbpositionen und Hwang als hängende Spitze hinter Zielspieler Haaland. De facto war es dadurch oft eine 5-1-3-1 Anordnung, da Sechser Junuzovic tiefer blieb, während Minamino, Hwang und Szoboszlai öfter auf einer Linie standen. Mit dieser Anordnung verfolgte man den folgenden Ansatz: Haaland blieb zunächst oft zwischen den Innenverteidiger, während das Mittelfeld hinter ihm kompakt im Zentrum stand und die Passwege verschloss. Sobald dann der zweite Pass auf den äußeren Innenverteidiger erfolgte, war dies der Pressingauslöser für die Salzburger.

In diesem Fall kappte Haaland die Verbindung zwischen den beiden Innenverteidiger und lief im Bogen den ballführenden Verteidiger an. Sofern Haaland zu weit entfernt war, rückten einer der beiden Halbspieler Minamino oder Szoboszlai aus ihren Positionen nach vorne auf die Innenverteidiger. Elementar wichtig war für Salzburg beim Anlaufverhalten, dass man den Sechserraum des Gegners kontrollierte und versperrte, da man mit dem pressingresistenten Fabian Ruiz im Hinspiel Probleme hatte. So musste die offensive „Dreierreihe“ der Bullen klug agieren, immer Nachschieben und sich an den beiden Sechser des Gegners orientieren. Wenn also z.B. Szoboszlai auf den ballführenden Innenverteidiger herausrückte, schoben Hwang und Minamino nach und kümmerten sich um die beiden Sechser im Zentrum, während Haaland Querpässe auf den anderen Innenverteidiger unterbinden sollte.

Damit auch die Außenverteidiger der Gastgeber wenig Freiheiten bekamen, mussten die beiden Flügelverteidiger der Salzburger nach vorne rücken und das Pressing der Kollegen unterstützen, damit man nicht über die Flügelzonen aufgerissen wurde und das Pressing ins Leere lief. Sechser Junuzovic patrouillierte währenddessen im Zentrum und unterstützte seine Kollegen, indem er entweder nachschob und freie Spieler zustellte, oder als Absicherung bereitstand.

Offensiv hui, defensiv pfui

Wie man sieht, tüftelte das Trainerteam der Salzburger einen ausgeklügelten Matchplan aus und zog damit die Lehren aus dem Hinspiel. Und von Anfang an wirkten die Bullen auch richtig griffig und bekamen rasch Zugriff auf den Gegner. Man erschwerte das flache Herausspielen bei der Spieleröffnung des Gegners sichtlich und konnte dadurch einige Ballgewinne in der gegnerischen Hälfte erringen. Im Umschaltspiel zeigte man sich dann im Anschluss brandgefährlich, da das Trio Minamino, Hwang und Haaland sich gut bewegte, viel rochierte und selbst unter Druck und auf engem Raum Lösungen fand. So kamen die Bullen bereits in der Anfangsphase zu einigen gefährlichen Szenen im letzten Drittel und strahlten Gefahr aus, weshalb u.a. Onguene völlig freistehend zu einer großen Möglichkeit kam. Aus einer dieser Situationen resultierte dann auch ein Elfmeter für Salzburg, da Hwang im Strafraum regelwidrig gestoppt wurde. Den fälligen Strafstoß verwandelte Haaland souverän und brachte damit seien Mannschaft mit 1:0 in Front.

Doch auch wenn man in der Offensive durchaus zu überzeugen wusste und dazu auch noch einige gute Ballgewinne erringen konnte, so war das Spiel der Bullen bei weitem nicht ohne Probleme behaftet. Speziell in der Defensive brannte es einige Male bei den Gästen und Napoli kam zu mehreren guten Einschussmöglichkeiten. Wie passt dies zusammen, obwohl man prinzipiell einen guten Matchplan sich zurechtlegte? Das Problem bei den Salzburgern war, dass weil gerade der Plan aufging und man den flachen Spielaufbau meistens gut kontrollierte, Napoli dadurch gezwungen war, ungewöhnlich viele lange Bälle zu spielen. Allerdings spielte man diese langen Bälle u.a. recht gut die Seitenlinie entlang und brachte so die beweglichen und schnellen Stürmer ins Spiel.

Durch die langen Bälle der Gastgeber, waren die Bullen gezwungen, beim Durchsichern bzw. Verschieben der Abwehrkette aufmerksam zu agieren und schnell genug in Richtung Ball zu verschieben. Das klappte allerdings nicht wirklich optimal und man kam immer wieder zu spät, wodurch sich die technisch starken Offensivspieler durchsetzen konnten und Freiräume kreierten. Das führte zu einigen brenzligen Situationen und zu einer Vielzahl an Abschlüssen, wobei Napoli auch spielerisch über die Flügel gefährliche Situationen kreieren konnte. Das lag daran, dass nach schnellen Verlagerungen Napoli auf den Außenbahnen Eins gegen Eins-Situationen kreieren konnte, was gegen einen dribbelstarken Spieler wie Insigne natürlich ein Problem ist.

So wurde es in der ersten Halbzeit ein abwechslungsreiches Spiel, in dem beide Teams zu ihren Chancen kamen. Napoli erspielte sich allerdings ein klares Übergewicht an guten Möglichkeiten und erzielte kurz vor der Pause auch verdientermaßen den Ausgleichstreffer zum 1:1. Für Salzburg war dies ein bitterer Zeitpunkt, denn man konnte die Führung nicht in die Kabine retten, weshalb es mit einem Unentschieden in die Halbzeitpause ging.

Salzburg rückt von Fünferkette ab

In der Halbzeitpause fühlte sich Salzburg-Trainer Marsch aufgrund der Performance seines Teams dazu veranlasst, doch erheblicher in das Spiel einzugreifen. Man krempelte das System wieder um und rückte von der Fünferkette ab, weshalb man wieder zum 4-4-2 zurückkehrte. Im Mittelfeld blieb man allerdings bei der Raute und zog Hwang wieder in den Sturm, während der eingewechselte Mwepu auf die Halbposition im Zentrum rückte. Mit der Umstellung auf das 4-Raute-2 wollte man wieder engere Abstände beim Durchsichern gewährleisten und allgemein kompakter agieren, um vor allem schnelleren Zugriff auf die Flügelzonen zu erlangen.

Die Umstellung zeigte auch recht flott ihre Wirkung und die Salzburger wirkten nun defensiv wesentlich stabiler als noch zuvor. Dazu rückte man im Ballbesitz gut nach und verteidigte mit der gesamten Mannschaft nach vorne, wodurch man viele Ballgewinne im Gegenpressing errang und die Anzahl der gefährlichen Angriffe des Gegners minimieren und abfangen konnte. Das führte dann auch dazu, dass die Ballbesitzanteile sich anglichen und das Spiel allgemein ausgeglichener wurde.

Im ersten Abschnitt und mit dem forschen Gegenpressing setzte sich Salzburg sogar sehr oft in der gegnerischen Hälfte fest und zwangen Napoli dazu, tief zu verteidigen. Dadurch wurden die Wege nach vorne für die Gastgeber klarerweise weiter und man musste sich mühsamer nach vorne spielen. Salzburg errang dadurch zeitweise die Kontrolle, tat sich allerdings nun schwerer, Lösungen in der Offensive zu finden. Napoli zog sich wie erwähnt zurück und verteidigte mit ihrem kompakten 4-4-2 tief und diszipliniert, wodurch die Räume sehr eng wurden.

Salzburg agierte durch die Umstellung auf die Raute äußerst zentrumfokussiert, was sich einerseits zwar auf die defensive Stabilität positiv auswirkte, allerdings im Offensivspiel zu Problemen führte. Da sich Napoli sehr eng zusammenzog und die Mitte zusätzlich verdichtete, bedurfte es große Genauigkeit und Sauberkeit in den Aktionen, um Durchbrüche zu kreieren. Das gelang Salzburg allerdings nur noch selten, weshalb meistens kurz vor dem Strafraum Endstation für die Angriffe war, da man zu wenig Breite in das eigene Spiel bekam und die Flügelzonen vernachlässigte.

In den letzten 20 Minuten veränderte Salzburg dann den Rhythmus und agierte tiefer und abwartender, wodurch Napoli wieder mehr Ballbesitz verbuchte und für Entlastung sorgte. Man spürte langsam, dass man dem hohen Aufwand Tribut zollte und sich nun vermehrt auf Umschaltmomente verlegte. Zu großen Möglichkeiten kam man allerdings nicht mehr, während Napoli noch zwei Chancen durch den eingewechselten Llorente vorfand. Allerdings spielte auch Napoli nicht mehr wirklich konsequent nach vorne und war scheinbar zufrieden mit dem Remis. Dadurch blieb es letztlich auch beim 1:1 Unentschieden.

Fazit

Die Salzburger wahrten also mit diesem Remis die Chance auf den Einzug in das Achtelfinale. Dabei war das Spiel geprägt von wechselhaften Phasen und war vor allem im ersten Durchgang teilweise ein offener Schlagabtausch, da beide Teams in der Defensive Fehler begingen. Die Bullen wählten mit ihrem Matchplan zwar eine gute Vorgehensweise aus, um die übliche Spielanlage von Napoli einzuengen, jedoch hatte man gegen den Plan B der Italiener große Probleme und ließ dadurch eine Vielzahl an Großchancen des Gegners zu. So fiel letztlich die Expected-Goal-Wertung mit 2,7:0,7 auch recht deutlich zugunsten von Napoli aus, was nicht von ungefähr kam.

Im zweiten Durchgang konnte man allerdings dank der Systemumstellung die defensive Stabilität wieder verbessern. Man bekam die schnellen Spitzen besser verteidigt, da man den Gegner im eigenen Ballbesitz nach hinten drückte und so die Wege nach vorne weiter gestaltete. Das ging allerdings auf Kosten der eigenen Offensive, wodurch man sich kaum Torchancen erspielte und an die guten Aktionen im ersten Durchgang nicht anschließen konnte. So muss man letztlich mit dem 1:1 Unentschieden zufrieden sein und im nächsten Spiel gegen Genk auf einen Sieg hoffen, damit man ein Finale um den Aufstieg am letzten Spieltag gegen Liverpool bekommt.

Dalibor Babic