Am ersten Spieltag der UEFA Europa League kommt es für die Wiener Austria gleich zu einem richtigen Kracher. Der große italienische Traditionsverein AC Milan... Das ist der (neue) AC Mailand: Abstimmungsprobleme und wenig Automatismen

Am ersten Spieltag der UEFA Europa League kommt es für die Wiener Austria gleich zu einem richtigen Kracher. Der große italienische Traditionsverein AC Milan gastiert im Wiener Prater und kommt mit einer runderneuerten Mannschaft in die österreichische Bundeshauptstadt. Die große Transferoffensive in diesem Sommer warf naturgemäß einen großen Schatten über den Verein und ließ dementsprechend die Ambitionen emporsteigen, weshalb die Ziele hochgesteckt wurden und das Maximum angestrebt wird. Im ersten Teil unseres großen Milan-Specials analysierten wir die Mannschaft von Vincenzo Montella, wobei wir einerseits die Neuzugänge vorstellten und andererseits auch das Spielsystem erklärten. Im zweiten Teil verraten wir euch nun wie die Wiener Austria das Spiel anlegen sollte, um nach 90 Minuten nicht mit leeren Händen dazustehen.

Abstimmungsprobleme und wenig Automatismen

Durch die vielen Neuzugänge, mangelt es Milan im Ballbesitzspiel naturgemäß noch an ausgereiften Automatismen und es sind immer wieder Abstimmungsprobleme zu erkennen. Diese waren auch sowohl beim knappen Heimsieg gegen Cagliari, als auch bei der deutlichen Klatsche gegen Lazio deutlich zu vernehmen. Das liegt vor allem daran, dass man in höheren Zonen das Zentrum kaum einbinden kann, da man es schlecht besetzt oder die Staffelung nicht passt. Dadurch sind die Italiener gezwungen, ihr Augenmerk auf das Flügelspiel zu legen, was sie jedoch klarerweise durchschaubar macht. So haben sowohl Cagliari, als auch Lazio, die Mailänder auf die Seite gelenkt und dann dort isoliert bzw. ihnen die Optionen nach vorne einfach genommen. Dadurch spielte man sich immer wieder auf der Seite fest und musste dann den Rückzug nach hinten antreten, weil der Übergang in andere Zonen und das Positionspiel nicht sauber genug waren.

Das bietet klarerweise auch die große Möglichkeit für die Violetten, den Motor und das Offensivspiel der Rossoneri zum Stottern zu bringen. Man sollte versuchen, eine kompakte, ballorientierte Formation aufrechtzuerhalten, mit geringen Abständen zwischen den Spielern und Mannschaftsteilen, kombiniert mit losen Manndeckungen wie auf Suso oder Kessie zum Beispiel. Das Ziel muss in allererster Linie sein, das Zentrum zu verschließen und den Gegner auf den Flügel zu leiten, um ihn dann dort durch geschicktes Verschieben festzusetzen und zum Rückpass zu zwingen oder bestenfalls für eigene Ballgewinne sorgen. Vor allem die rechte Seite sollte man mit so vielen Spielern wie möglich Überladen, womit man die Mailänder neutralisieren und ihnen somit eine ihrer großen Stärken rauben könnte. Dazu muss die Übergabe der Gegenspieler ebenfalls reibungslos funktionieren und die passende Kommunikation untereinander gegeben sein. Sollte man dies alles sauber umsetzen, würde dies die Möglichkeit auf einen Punktgewinn gegen den großen Favoriten wesentlich erhöhen.

Milan verteidigt eher nicht Catenaccio-like und zeigt Nachlässigkeiten

Widmen wir uns nun der Defensive der Italiener. Die Mailänder verteidigen gegen den Ball aus einer 4-1-4-1 Anordnung heraus, bei der die Kontrolle über den Raum eindeutig im Fokus liegt. Man versucht eine kompakte Formation aufrechtzuerhalten, mit geringen Abständen zwischen den Spielern, um alle relevanten Räume, speziell jene im Zentrum, zu verschließen. In der Horizontale sorgt das dafür, dass man kaum Bälle zwischen die Schnittstelle spielen kann, die „Fenster“ praktisch nur sehr klein sind.

Allerdings wird es brandgefährlich, wenn es doch mal gelingt hinter das Mittelfeld und in den Zwischenlinienraum zu gelangen, da die vertikale/diagonale Kompaktheit nicht immer gegeben ist. Dafür bedarf es allerdings eine außerordentliche Qualität im Passspiel und das richtige Timing, um diese Räume auch bespielen zu können. Grundsätzlich wirkt Milan hier noch am ehesten gefestigt, wenn sie etwas abwartender verteidigen und sich tiefer positionieren. Allerdings hat man auch da immer wieder mit Problemen zu kämpfen. Speziell über die Außenbahnen ist man äußerst anfällig, da vor allem Suso sich gerne die Schritte nach hinten erspart und seine Kollegen dadurch in Bedrängnis bringt. Oft attackiert dann Rechtsverteidiger Conti sehr weit entfernt von seiner Position und hinterlässt dadurch ein Loch, das weitere Kettenreaktionen auslöst und die Defensive in Unordnung bringt. Aber auch Borini zeigt dahingehend Schwächen und offenbart immer wieder taktische Defizite in diesem Bereich.

Jedoch bevorzugt Trainer Montella eine aktivere Spielweise und verlangt immer wieder das frühe Attackieren von seiner Mannschaft. Durch das Pressing versucht man relativ hohe Ballgewinne zu erzwingen, oder zumindest den langen Ball zu forcieren, die für die kopfballstarke Innenverteidigung meist eine leichte Beute darstellen. Das Pressing löst man grundsätzlich in einer 4-4-2 Anordnung aus, wo der höchste Achter (Montolivo/Calhanoglu) auf die Höhe des Stürmers rückt und die Verteidigung anläuft. Dahinter werden von den restlichen Spielern, die Gegner in Manndeckung genommen und zugestellt. Jedoch gilt das nur für das Mittelfeld, die Verteidigung hat immer wieder Probleme beim herausrücken bzw. beim richtigen Timing, wo dann die fehlenden Automatismen wieder einmal zum Vorschein kommen. Möglich jedoch, dass man die letzte Abwehrlinie bewusst nicht zu weit herausrücken lässt, da speziell die Innenverteidigung Tempodefizite aufweist und das bei einer hochstehenden Abwehr einiges an Gefahr birgt.

Dadurch hat man jedoch immer wieder Probleme, für den passenden Zugriff zu sorgen, da die Abwehrreihe nicht immer optimal nachschiebt. Sobald es dem Gegner gelingt, die erste Pressinglinie durch kurze und schnelle Pässe zu umspielen, bieten sich dann dahinter Räume an und mit einer passenden Spielverlagerung kann man die ganze Defensive der Italiener praktisch aufreißen. Diese Praxis sah man speziell im Spiel gegen Cagliari immer wieder, wodurch der Gegner zu vielen gefährlichen Situationen kam und sogar mehr Ballbesitz in der ersten Hälfte verzeichnete, als der favorisierte Gastgeber aus Mailand. Aber nicht nur das Pressing ist mit einigen Problemen behaftet. Das defensive Umschaltspiel ist ebenfalls ausbaufähig und es kommt immer wieder vor, dass sich die Offensivspieler daran nicht konsequent beteiligen und nur gemächlich zurückeilen. Dadurch ist die Restverteidigung gefordert, extrem konzentriert zu agieren und den Gegenangriff so gut es geht abzubremsen bzw. abzuwehren.

Wie kann die Austria den Mailändern im Spiel nach vorne wehtun?

Für die Veilchen bieten sich wie wir sehen einige Ansatzpunkte, um der noch nicht gefestigten Mannschaft von Trainer Montella Probleme in der Defensive zu bereiten. Am interessantesten sind hier wohl die Möglichkeiten, über die Flügel den Italienern Schwierigkeiten zu bereiten, speziell über die rechte Abwehrseite. Durch die mangelnde Defensivarbeit von Suso und dadurch, dass Conti seinen Raum immer wieder öffnet und seine Gegenspieler weit verfolgt, könnte man bei klugen Bewegungen von Pires und Prokop zum Beispiel, diese ausnutzen und dann bespielen. Aber auch im Umschaltspiel bieten sich einige Möglichkeiten. In beiden Fällen wird Pires eine überaus wichtige Rolle zukommen und wohl der entscheidende Mann in der Offensive sein. Wenn man es schafft, seine Qualitäten im Umschaltspiel zu nutzen und er sich etwas freier bewegen darf, um seinen Gegenspieler Conti herauszulocken, könnte dies ein wichtiger Faktor werden, um gefährlich vor das gegnerische Tor zu gelangen.

Ein weiteres Puzzleteil könnte Stürmer Monschein werden. Dadurch, dass die Innenverteidigung der Italiener Tempodefizite aufweist und auch immer wieder hochsteht, kann dieser mit seinem guten Tiefgang die Räume hinter der Abwehr attackieren und versuchen, diese auch auszunutzen. In dem Fall kommt auch Kapitän Holzhauser eine wichtige Rolle zu, da dieser den langen Ball wie kein anderer in Österreich beherrscht und dies auch im vergangenen Jahr eindrucksvoll in der Gruppenphase zeigte.

Grundsätzlich wird es auch interessant werden, wie man sich bei einem möglichen Angriffspressing der Mailänder verhält. Einerseits würden auch da Chancen lauern und man könnte diese Problemzone anbohren. Man würde dann, wenn man es umspielen könnte, weniger hohe Bälle nach vorne schlagen, welche ansonsten gegen die kopfballstarken Verteidiger wohl postwendend zurückkämen. Andererseits bedarf es einer hohen Konzentration, eines sauberen Passspiels und guter Bewegungen, also ein Aufbauspiel auf absolut hohen Niveau, um das Mailänder-Pressing zu umspielen. Klar ist, wenn man den Gegner durch einfache Ballverluste einlädt, wird sich dieser durch seine individuelle Qualität nicht zweimal bitten lassen. Die Frage lautet also, wie viel Risiko darf/sollte man eingehen? Diese Frage wird sich wohl auch das Trainerteam stellen und gut evaluieren, ob dies eine gute Idee wäre oder nicht.

Fazit

Am Donnerstag kommt eine gänzlich runderneuerte Mannschaft des AC Milan in das Happel-Stadion, was bisher in den Spielen auch kaum zu übersehen war. Durch die vielen Einkäufe und hohe Fluktuation im Kader, ist die Mannschaft noch nicht wirklich gefestigt und befindet sich noch eindeutig in der Findungsphase. Dennoch sollte der Schein nicht Trügen und unterschätzen sollte man das Team von Trainer Montella auf keinen Fall. Man verfügt trotz Abstimmungsproblemen bzw. nicht ausgereiften Automatismen über reichlich Qualität in den eigenen Reihen und über viele gute Fußballer, die jeder Mannschaft Probleme bereiten können, was man vor allem in der ersten Viertelstunde gegen Lazio auch durchaus zeigte. Für die Austria kommt der Zeitpunkt des Spiels dennoch wohl genau richtig, da der Gegner noch reichlich Probleme mitschleppt und darin die Chance besteht, diese Findungsphase der Mailänder für einen Punktegewinn auszunutzen. Dafür bedarf es jedoch einer Defensivleistung auf sehr hohem Niveau und es muss eine deutliche Steigerung in dem Bereich erfolgen, um sich die Möglichkeit, den großen Favoriten zu ärgern nicht zu verbauen.

Das Augenmerk sollte also vor allem darauf liegen, die starke rechte Seite des Gegners aus dem Spiel zu nehmen und Spielmacher Suso zu neutralisieren. Selbst muss man über eine gesicherte Defensive heraus Nadelstiche nach vorne im Umschaltspiel setzen und dort dann eine hohe Effizienz aufzuweisen. Wenn das alles gelänge, wären zumindest die Voraussetzungen auf einen Punktegewinn durchaus gegeben. Positiv sollte sein, dass man sich erst im vergangenen Jahr einen durchaus harten Fight gegen die AS Roma lieferte, welcher wohl individuell und als Kollektiv wohl über den AC Milan zu stellen ist.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic

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