Die ersten beiden Auswärtsspiele der Frühjahrssaison sollten für Rapid richtungsweisend sein – deutlich mehr noch als das Heimspiel im Cup gegen den SKN St.... Rapid und die Erkenntnisse aus zwei richtungsweisenden Auswärtsspielen

Die ersten beiden Auswärtsspiele der Frühjahrssaison sollten für Rapid richtungsweisend sein – deutlich mehr noch als das Heimspiel im Cup gegen den SKN St. Pölten. Gegen den WAC und Sturm Graz sollte sich in der Fremde herauskristallisieren, ob sich Rapid in den verschiedenen Spielphasen verbessert zeigen würde.

Vorab die Erkenntnis: Rapid wirkt in allen Spielphasen gefestigter, zeigt vor allem am Ball gute Leistungen, ist aber auch gegen den Ball und im defensiven Umschalten solider. Dennoch gibt es noch einige Facetten, die die Hütteldorfer anfällig machen.

Staubiger Sieg, vielversprechendes Remis

Mit vier Punkten aus den beiden schweren Auswärtspartien liegen die Wiener klar im Soll und scheinen für das Derby gerüstet. Während der 2:0-Sieg in Wolfsberg noch schwere Kost war, die aber „staubig“ gewonnen wurde, bewies Rapid in Graz, dass man im Zuge der Wintervorbereitung durchaus weiterkam.

Obwohl Rapid gegen die Grazer zu Beginn nicht ins Spiel kam und ein vermeidbares Gegentor nach einer Standardsituation hinnehmen mussten, konnten sich die Grün-Weißen ins Spiel zurückkämpfen und in der zweiten Hälfte sogar über weite Strecken das Heft in die Hand nehmen. Dies hat mehrere Gründe, derer wir einige genauer erklären werden:

Kaum Abwehrgeplänkel in Ballbesitz

Die Mannschaft von Robert Klauß versucht am Ball sehr aktiv zu sein, was auch die Charakteristik des Spielaufbaus beweist. Das Gespann aus Maximilian Hofmann und dem für den gesperrten Leopold Querfeld eingesprungenen Terence Kongolo funktionierte in vielerlei Hinsicht gut.

Die beiden Routiniers versuchten das Spiel stets anzutreiben und schnell über die erste Pressinglinie der Grazer zu kommen, was auch gut gelang. In der Passmatrix des Spiels war dabei vor allem auffällig, dass Hofmann und Kongolo nur eine sehr geringe Passverbindung zueinander hatten, sich im Aufbau kaum gegenseitig suchten.

Und auch wenn die Kombination auf der linken Seite – Kongolo-Auer, also „in die Breite“ – das insgesamt häufigste Passmuster des Spiels war, war dennoch augenscheinlich, dass sich die Innenverteidiger eher an ihren vorgelagerten Spielern orientierten. Das war bei Kongolo vor allem Grgic, bei Hofmann sogar eher die noch offensiveren Optionen Seidl und Lang. Die Tiefenpässe aus dem Aufbau waren weitgehend gut tempiert und auch präzise.

Dieser Faktor war mitentscheidend dafür, dass Rapid in seinem Ballbesitzspiel nur wenige Leerläufe hatte und im Schnitt pro Minute auch mehr Angriffssituationen als Sturm kreierte (0.45 : 0.34 zugunsten Rapids).

Die Intensität wird angenommen

Auch wenn das Duell zwischen Sturm und Rapid spielerisch kein echter Leckerbissen war, war das Spiel von hoher Pressingintensität in allen Zonen geprägt. Bei Sturm hat das natürlich System und ist bereits über einen langen Zeitraum bestens bewährt. Bei Rapid hingegen war die Frage, ob die insgesamt eher pressingschwache Mannschaft die Intensität der Grazer mitgehen könnte.

Unterm Strich war zu beobachten, dass Sturms Pressing genauer, choreografierter und über die 90 Minuten konstanter war, Rapid allerdings weitgehend mithalten konnte. Mit Ausnahme einer Phase in der ersten Halbzeit, als Rapid keinerlei Druck auf Sturm aufbauen konnte, waren die Wiener im Spiel gegen den Ball durchaus wach und in der letzten halben Stunde sogar die bessere Mannschaft gegen den Ball.

Dies könnte allerdings auch dem Umstand geschuldet sein, dass Sturm nach etwa einer Stunde, kurz bevor Ilzer zu wechseln begann, ein wenig einbrach und die Konzentration nachließ, was sicher auch mit den Strapazen des starken Donnerstagsspiels gegen Slovan Bratislava zusammenhing. Erst in der absoluten Schlussphase wurde der Tabellenzweite wieder wacher.

Besseres Verschieben

Im Spiel mit dem Ball verbesserte sich Rapid vor allem in passiver Hinsicht. Es war erneut auffällig, dass Klauß großen Wert darauf legt, die ballferne Seite zugunsten größerer Stabilität im Zentrum zu vernachlässigen. Besonders stark sichtbar war dies bei Rechtsverteidiger Kasanwirjo, der gut einrückte und so auf einer zentraleren Position ein wichtiger Akteur für Spielverlagerungen wurde. Dass der junge Niederländer noch deutlich zu unpräzise und phasenweise auch gefährlich agiert, steht auf einem anderen Blatt.

Rapid versteht es aber eindeutig, das Spielfeld stärker zu verengen und wirkt in der Breite kompakter als im Herbst. Das könnte auch ein wenig an der Durchschnittsposition von Christoph Lang im Vergleich zu seinem Vorgänger Nicolas Kühn liegen. Durch die etwas defensivere Grundordnung im Mittelfeld und das bereits beschriebene Verschieben bzw. Einrücken, ist es für den Gegner etwas schwieriger geworden, Rapid nach Balleroberungen im zweiten Drittel auszuspielen.

Zwar verlieren die Hütteldorfer noch immer viele Bälle unnötig, aber das Zentrum ist dichter und der Gegner tut sich schwerer, eine strukturierte Ballbesitzsituation für den folgenden Übergang ins letzte Drittel zu schaffen. Man hat den Eindruck, dass Rapid in dieser Zone nun etwas mehr „um Bälle rauft“, wenn es sein muss.

Bärenstarker Grüll

Wenn es in der laufenden Saison einen echten Unterschiedsspieler auf Seiten der Grün-Weißen gibt, dann ist es nicht Torschützenkönig Burgstaller oder aufstrebende Youngster wie Querfeld, Seidl oder Hedl, sondern Marco Grüll. Der künftige Deutschland-Legionär glänzt mit einer unglaublichen Einstellung und hoher Dynamik und ist ein permanenter Unruheherd für den Gegner. Man hat stets den Eindruck, dass sich der Linksaußen nicht zufriedengibt und in jeder Aktion hochkonzentriert und auch sehr konkret in seinen Aktionen zu Werke geht.

Den Salzburger zu ersetzen, wird für Markus Katzer im kommenden Sommer eine wahre Mammutaufgabe. Und auch aktuell wäre ein Ausfall von Grüll wohl schwerwiegender als der von Kapitän Burgstaller, der gegen Sturm zu einem unerwartet frühen Comeback im Angriff kam. Es ist anzunehmen, dass die Austria im Derby eine „Spezialidee“ suchen wird, um Grülls Wege zu beschneiden.

Die Einwechslung Burgstallers ist ein gutes Stichwort für die Spielsituationen, in denen Rapid noch nicht griffig ist. Die offensichtlichsten Probleme analysieren wir nun in weiterer Folge:

Praktisch inexistente erste Pressinglinie

Fally Mayulu ist ein Rätsel. Der hochveranlagte Franzose kommt in seiner ersten Saison bei Rapid bisher auf einen Treffer pro 115 Minuten, traf viermal in der Liga und ebenso oft im Cup. Es ist eine Statistik, auf die bei Rapid schon gestandenere Angreifer nicht kamen.

Zugleich bremst sich der 21-Jährige allerdings aufgrund seiner fast aufreizenden Lethargie gegen den Ball. Man hat den Eindruck, dass er kein Interesse daran hat, ob der Gegner gut aufbauen kann oder nicht, übt praktisch keinen Druck aus, geht da und dort ein paar „Show-Meter“, die aber niemandem etwas bringen. Diese Inaktivität im Pressing abzustellen, steht zwischen Mayulu und einer richtig großen Karriere. Allerdings scheint es auch so, als wäre der 193cm Angreifer „eben so ein Typ“, das lasche Spiel gegen den Ball in seiner DNA. Er ist womöglich eines der interessantesten Beobachtungsobjekte des Rapid-Kaders und man darf gespannt sein, ob Trainer Klauß mittel- bis langfristig mehr aus ihm herauskitzeln kann.

Aktuell ist das Anlaufverhalten Mayulus aber eindeutig mangelhaft und schadet dem Team. In einem Auswärtsspiel gegen Sturm fällt dies weniger ins Gewicht, weil man den spielstarken Grazern ohnehin mit etwas tieferem Pressing entgegnen wollte, aber gegen den Großteil der Bundesliga-Gegner wird Mayulus Dynamik höher werden müssen. Mit Guido Burgstaller, der seinen Vertrag bei Rapid voraussichtlich bis 2025 verlängern wird, hätte er bereits einen guten Lehrmeister als Mitspieler…

Präzision und Klarheit

Rapid verbesserte zwar generell das Stellungsspiel, ist in einigen Aktionen aber noch zu fahrig. Sowohl in der Entscheidungsfindung, als auch in der konkreten Ausführung der Aktionen.

Das seit jeher typische Beispiel ist hier Jonas Auer, der möglicherweise eines der größten Talente im Kader ist, sich aber immer wieder selbst im Weg steht, weil er (vor allem kleine) Entscheidungen falsch trifft. Sein Pendant auf der rechten Abwehrseite, Neraysho Kasanwirjo, hat ähnliche Probleme, agiert unter Bedrängnis aber sogar noch wilder als Auer, was in der Nachspielzeit gegen Sturm beinahe noch einen Gegentreffer einleitete.

Die beiden sind aber nur Sinnbilder für die „Klarheit“ im Spiel, die Rapid noch finden muss. Auch wenn Rapid kompakter und spielerisch solider wird, fehlt noch das „Selbstverständnis“ im Spiel, das schließlich eine echte Klassemannschaft ausmacht. Eine Facette, die hier nicht unerwähnt bleiben darf, sind Aufdrehbewegungen im Sechser/Achter-Raum. Daran fehlt es den Wienern noch und so initiiert man zwar viele Angriffe, wird aber noch nicht im Minutentakt gefährlich, sondern bremst immer wieder ein wenig ab. Was etwa Seidl im Zehnerraum instinktiv macht, fehlt den defensiveren, zentralen Mittelfeldspielern Rapids ein wenig aus einem Sicherheitsgedanken heraus. Das trifft nicht nur auf das schwere Spiel bei Sturm zu, sondern ist ein generelles Problem.

Dennoch darf hierbei nicht übersehen werden, dass bei Rapid immer noch weitgehend dieselben Spieler am Werk sind, wie im Herbst oder auch in der Vorsaison. Das Spielermaterial der Hütteldorfer ist gut, aber nicht sehr gut und so bewegt man sich auch in einem individuell zu betrachtenden Rahmen, den nur Markus Katzer in der nächsten Transferzeit auf ein neues Level heben kann.

Verbesserungen nun konstant auf Schiene bringen

Rapid zeigt sich in einigen Faktoren also verbessert und machte unter Klauß bisher keine nennenswerten, neuen Baustellen auf. Die Verbesserungen zu bestätigen und vor allem die Klarheit in den eigenen Aktionen – sowohl mit, als auch gegen den Ball – konstanter auf Schiene zu bringen, wird in der verbleibenden Saison (und damit auch im Kampf um die Meistergruppe in den nächsten drei Runden) zwischen Erfolg und Misserfolg entscheiden.

Gerade im bevorstehenden Derby, in dem sich wohl alle Rapid-Fans gegen eine ersatzgeschwächte Austria den ersten Heimsieg im Weststadion erhoffen bis erwarten, müssen die Konzentrationsschwächen abgestellt werden und jeder Akteur muss läuferisch an seine Grenzen gehen. Wie das Derby gewonnen wird, ist ohnehin längst allen egal. Es braucht also kein Feuerwerk, sondern nur selbstreflektierte Besinnung bei Einzelnen und in gruppentaktischen Aspekten.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen