Der SK Rapid entging im Cupspiel in Ried gegen Union Gurten nur knapp einer Blamage. Erst nach einem Stromausfall und einer deutlich verbesserten Verlängerung... Taktikanalyse: Gurten-Spiel zeigt Rapids strukturelle Probleme auf

Der SK Rapid entging im Cupspiel in Ried gegen Union Gurten nur knapp einer Blamage. Erst nach einem Stromausfall und einer deutlich verbesserten Verlängerung setzten sich die Hütteldorfer klar mit 5:2 durch. In der regulären Spielzeit wurden aber wieder strukturelle Probleme offensichtlich.

Anders als einige andere Regionalligisten lieferten die Gurtener Rapid einen heißen Fight und waren sehr konkret in den Zweikämpfen. Rapid-Trainer Barisic rotierte im Vergleich zum letzten Ligaspiel gegen Sturm Graz sieben Spieler in die Startelf, tauschte das gesamte Fünfermittelfeld aus. Das hinterließ Spuren im Spielfluss – aber vor allem in der Arbeit gegen den Ball.

Zu passiv im offensiven Zentrum

Die Hütteldorfer hatten erwartungsgemäß sehr hohe Ballbesitzzahlen, womit der B-Anzug der Grün-Weißen aber nicht viel anfangen konnte. Gurten machte das Zentrum dicht, die Sechser/Achter-Konstellation mit Grgic und Greil fand nur wenige kreative Ansätze und Oliver Strunz, der aus einem Elfmeter für das 1:0 sorgte, war erneut sehr passiv, antizipierte nicht gut nach hinten und so war das Zentrum im letzten Drittel weitgehend abgemeldet. Rapid musste sich auf Flügelaktionen beschränken, dort häufig ins Eins-gegen-Eins gehen, biss sich aber oft an den beherzt kämpfenden und „doppelnden“ Gurtenern die Zähne aus.

Ineffizientes Flügelspiel und Probleme mit Gurtener Kick & Rush

Das Flügelspiel, das auch für das Auseinanderziehen der Gurtener Viererkette sorgen sollte, hatte aber nur wenig positiven Effekt auf das Offensivspiel Rapids. Einerseits weil die Gurtener eine gute Zentrumsstaffelung mitbrachten und Rapid aufgrund der gegen den Ball tiefen Feldposition des Gegners keinen Tiefgang bekam. Flanken wurden zumeist einfach weggeräumt bzw. fielen allgemein zu ungenau aus.

Defensiv hatten die Hütteldorfer mit dem Kick & Rush der Innviertler Probleme und taten sich im Mann-gegen-Mann-Verteidigen sehr schwer. Speziell die schwache Leistung des sonst ausgesprochen sicheren und intensiv agierenden Leopold Querfeld wirft hierbei Fragen auf. Der U21-Teamspieler gewann gegen den Regionalligisten 48% seiner Duelle und ließ sich häufig – vor allem von Zielspieler Wimmleitner, düpieren. Positiv: Die Leistung könnte nach mehreren guten Spielen hintereinander ein wichtiger Schuss vor den Bug für den 19-Jährigen sein.

Kongolo brachte Stabilität

Eine wichtige Rolle nahm hingegen Terence Kongolo ein, der in seinem zweiten Spiel für Rapid in die Rolle eines Abwehrchefs schlüpfte und enorm viele Ballaktionen abspulte. Der Niederländer war dabei weitgehend sicher und der wichtigste Faktor im Übergang vom ersten ins zweite Drittel. Dieser war zwar aufgrund der tiefen Durchschnittsposition nicht besonders schwierig, Kongolo überzeugte aber auch mit gewonnenen Bällen und Rückeroberungen, die Rapid recht schnell wieder in Ballbesitz brachten.

Das Problem mit dem PPDA-Wert

Apropos Ballbesitz und Rückeroberungen: Grundsätzlich ist es verständlich, dass eine Mannschaft bzw. Spieler mit wenig Spielpraxis nicht ideal funktionieren. Allerdings hilft ein klares taktisches Korsett einem uneingespielten Team definitiv bei der Lösungsfindung in schwierigen Lagen. Dieses Konzept war schlichtweg nicht sichtbar und Rapid erreichte in der regulären Spielzeit keinen besonderen PPDA-Wert, was gegen einen Regionalligisten eigentlich erwartet werden sollte.

Der PPDA-Wert zeigt an, wie viele Pässe der Gegner in den 60% der Spielfläche ab dem eigenen Tor vollenden kann, bevor eine Defensivaktion der eigenen Mannschaft stattfindet. Rapid startete in dieser Metrik erwartungsgemäß gut in die Partie, fiel im Laufe der ersten Halbzeit ab und wies im Zeitraum von der 46. bis zur 105. Minute einen PPDA-Wert von 11 auf. Hierbei handelt es sich in einem Duell zwischen einem Bundesligisten und einem Regionalligisten für einen ausgesprochen hohen Wert über einen länger beobachteten Zeitraum.

Pressingprobleme lassen Gurten Lunte riechen

Das zeigt, dass Rapid nicht systematisch presste – weder hoch, noch im „Nach vorne verteidigen“ im Mittelfeld. Wenn krasse Außenseiter im Cup Lunte riechen, richten sie sich schon an einzelnen Aktionen massiv auf und feiern jeden einzelnen angekommenen Pass. Wenn dann im Schnitt elf Pässe gespielt werden können, bevor der Favorit erstmals echten Zugriff bekommt, dann kommt man als Underdog gut im Spiel an.

Das Pressing funktionierte bei Rapid schlichtweg überhaupt nicht. Es gab keine Systematik, einige Offensivkräfte wirkten nahezu „verträumt“. So ist etwa Fally Mayulus größte Schwäche aktuell das Anlaufen und die Reaktionsschnelligkeit in Aktionen gegen den Ball. Häufig konzentriert er sich auf die Offensivaktion und sobald diese misslungen ist, trabt er im Abseits umher und kann daher nicht mehr ins Gegenpressing eingreifen. Er müsste nach misslungenen Aktionen deutlich schneller hinter den Ball kommen und aktiver und intensiver am mannschaftlichen Pressing teilnehmen.

Schwache offensive Dreierreihe mit wenig Unterstützung von Greil

Auch die Dreierreihe dahinter bekam kaum Zugriff. Gale präsentierte sich bei seinem Debüt bemüht, aber bei Strunz und Bajic erkannte man praktisch keinen Unterschied zu den Amateuren aus Gurten. Die fehlende Intensität gegen den Ball in dieser Zone hatte schließlich auch zur Folge, dass die Doppelacht ein zu großes Pensum im „Nach vorne verteidigen“ abspulen musste. Grgic versuchte sich dagegenzustemmen, Greil spielte hingegen körperlos und wich Zweikämpfen einmal mehr aus. Der Achter kam in 89 Minuten nur auf sieben Duelle, von denen er drei gewann.

Diese Passivität im Zentrum sorgt dann natürlich auch gegen einen motivierten Regionalligisten dafür, dass man keinerlei Zugriff auf das Spiel bekommt. Barisic argumentierte nach dem Spiel, dass die Einfachheit im Spiel fehlte. Damit meint der Rapid-Trainer stets die technische Sauberkeit, simple Pässe, um sich durchkombinieren zu können. Es ist ein Argument, das er in der laufenden Saison nach erfolglosen Spielen häufiger heranzog.

Mehr Struktur statt „Einfachheit“

Möglicherweise ist es aber nicht die Einfachheit, die Rapid strukturell fehlt, sondern das genaue Gegenteil. Das Spiel gegen den Ball ist nach wie vor nicht choreografiert und stark von situativen Gegebenheiten geprägt. Es gab keine klare Pressingstruktur, weder im letzten, noch im zweiten Drittel – und wenn es sie doch gab, erfüllten gleich mehrere Offensivspieler ihre Aufgaben definitiv nicht. Ersteres ist ein konzeptionelles Problem, Zweiteres wäre schlichtweg eine Enttäuschung, zumal es eine ideale Möglichkeit für Reservisten gewesen wäre, sich zu beweisen.

Speziell Spielern wie Strunz, Bajic und Greil ist dies eindeutig anzukreiden. Grgic wehrte sich im Rahmen seiner Möglichkeiten, Gale genießt noch „Welpenschutz“, Moormann hatte mit individuell-qualitativen Problemen zu kämpfen, aber auch Mayulu muss derartige Spiele nützen, um sein Spiel „kompletter“ zu machen. Durch seine zwei Tore in der Nachspielzeit kann man nun aber wieder grundsätzlich von einem gelungenen Auftritt sprechen, während die strukturellen Probleme in seinem Spiel in dieser Partie nicht behandelt wurden.

Stromausfall nimmt Gurten den „Zug“

Fehlende Kreativität in der Offensive, pomadiges Spiel gegen den Ball und schlussendlich auch eine schwache Leistung der Abwehr sorgten nach 90 Minuten für ein 2:2 und es brauchte eine längere Unterbrechung durch einen Stromausfall, um Rapid wieder auf Schiene zu bringen. Bei Gurten ging dadurch ein wenig der Zug verloren und die Hütteldorfer nützten dies in der Verlängerung, wie eine Profimannschaft.

Individuelle Klasse entscheidet zugunsten Rapids

Dem vorangegangen waren die Einwechslungen von Matthias Seidl, der mit dem wichtigen 2:2 bereits eine Blamage verhinderte und schließlich auch Grüll und Kühn, die die Spielqualität Rapids hoben und Gurten das zuvor im Zusammenhang mit dem PPDA-Wert beschriebene Momentum wieder nahm. Hier hatte es der Regionalligist plötzlich mit Individualisten zu tun, bei denen sie erkannten, dass man kein „leichtes“ Spiel mehr haben würde.

Diese hohe Abhängigkeit von individueller Klasse kann für Rapid Fluch und Segen sein. Einerseits kann man derartige Unterschiedsspieler aufbieten und somit doch noch für ein Happy End sorgen, andererseits sorgt die mangelnde taktische Linie dafür, dass der insgesamt schwache zweite Anzug nicht nahtlos in deren Rollen schlüpfen kann – ein Problem, das man auch schon nach Einwechslungen in der Bundesliga beobachten konnte. Das Cup-Spiel in Gurten zeigte einmal mehr sehr deutlich, dass Rapid in der taktischen Gesamtheit massiven Aufholbedarf hat und sich aufgrund der stark situativen Herangehensweise an einzelne Aktionen, anstelle einer choreografierter Spielidee viel zu stark von individueller Qualität abhängig ist. Der statistische Beweis dafür: Seidl, Grüll und Kühn sammelten nach ihren Einwechslungen vier Scorerpunkte. Einfach, weil sie so spielen, wie sie spielen. Aber nicht, weil Rapid etwas an seiner Spielstruktur veränderte…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen