Das 0:0 im Wiener Derby brachte keiner Mannschaft so richtig etwas. Der gefühlte Gewinner war allerdings der FK Austria Wien. Mit zwei Mann weniger... Derbyanalyse: Die zwei Phasen eines kuriosen Duells der Stadtrivalen

Das 0:0 im Wiener Derby brachte keiner Mannschaft so richtig etwas. Der gefühlte Gewinner war allerdings der FK Austria Wien. Mit zwei Mann weniger konnte man die Hütteldorfer 40 Minuten lang vom eigenen Tor fernhalten, ließ kaum Chancen der Grün-Weißen zu und stürzte Rapid damit in eine prekäre Situation.

Wie immer analysieren wir das Duell der Wiener Stadtrivalen im „Double Feature“: Dalibor Babic analysiert zuerst das Spiel der Wiener Austria, Daniel Mandl dann das von Rapid.

Austria ohne Galvao und Fischer zum Umbau gezwungen

Für die Violetten stand in diesem Derby einiges auf dem Spiel und die Ausgangslage war denkbar ungünstig. Da man die letzten beiden Spiele unnötigerweise verlor und seit Anfang August (!) auf einen Sieg wartete, stand man ordentlich unter Druck und drei Punkte waren quasi Pflicht. Für die mental angeschlagenen Austrianer alles andere als optimal, ist die Verunsicherung in der Mannschaft doch das Hauptproblem und jede zusätzliche Belastung wirkt sich nicht gerade förderlich aus. Doch nicht nur das, man musste auch noch mit Galvao den besten Abwehrspieler und mit dem kurzfristig ausgefallenen Fischer zwei Säulen der Mannschaft vorgeben, die es zu ersetzen galt. Daher schraubte Austria-Trainer Wimmer auch etwas an der Balance und brachte neben Meisl und Braunöder auch noch Potzmann neu in die Mannschaft. Der Flügelverteidiger war wohl im Vergleich zu Guenouche die defensiv stabilere Option und sollte den anfälligen Meisl in der Defensivarbeit gegen den dribbelstarken Kühn unterstützen.

Die Systematik im Vergleich zum Spiel in Altach wurde auch leicht angepasst und Gruber bekam mit Huskovic einen Sturmpartner an die Seite gestellt, wodurch das System zu einem 5-2-1-2/3-2-3-2 wurde. Recht prägnant war dabei die erste Pressinglinie, die sich in einer 2-1 oder auch „V“-Staffelung formierte und in der Gruber und Huskovic ganz vorne anzutreffen waren, während Spielmacher Fitz leicht dahinter positioniert wurde. Damit wollte man die beiden Innenverteidiger des Erzrivalen „spiegeln“, während Fitz dahinter den spielstarken „Sechser“ Sattlberger decken sollte. Dabei presste man nicht bedingungslos vorne an, sondern wählte eher einen situativen Ansatz, bei dem man auf den richtigen Moment wartete, um das Pressing auszulösen.

Meist war das ein Pass auf die Außenverteidiger, bei dem dann die beiden Flügelverteidiger der Violetten herausattackierten und aggressiv in den Zweikampf gehen sollten, während die restliche Mannschaft in diese Zone verschob. Hier wollte man die Gäste aus Wien-Hütteldorf festsetzen und für Balleroberungen sorgen. Zunächst hatte man hier aber auf der linken Seite etwas Probleme, da Ranftl beim nach außen Attackieren seine Schwierigkeiten mit dem Timing hatte und einige Male zu spät kam. Das hing auch damit zusammen, dass Rapid Linksverteidiger Auer immer wieder im Spielaufbau „tiefer“ verblieb und auf einer Höhe mit den Innenverteidigern agierte. Dadurch waren die Wege für Ranftl noch etwas weiter und das führte zu Unstimmigkeiten mit den Vorderleuten. Daraus resultierte dann auch etwa die erste gelbe Karte für den violetten Kapitän Holland, der zum taktischen Foul greifen musste, um das zu späte Attackieren von Ranftl auszubügeln.

Nervosität und Hektik prägt das violette Ballbesitzspiel

Nach einer Viertelstunde bekam man diese Thematik jedoch in den Griff und das Anlaufverhalten wurde wieder runder, weshalb man fortan in der Defensive besser formiert war. Hin und wieder hatte man zwar brenzlige Situationen zu lösen, sofern es Rapid gelang durch die Schnittstelle zwischen Halb- und Flügelverteidiger durchzuspielen, oder „Zehner“ Seidl öffnende Pässe schlug, doch war hier in weiterer Folge das defensive Umschalten nach hinten sehr vorbildlich und man ging sehr konzentriert zu Werke. Vor allem gelang es jedoch, das Zentrum von Rapid mit dem starken Sattlberger gut einzudämmen und auch im Gegenpressing oder beim Kampf um die zweiten Bälle das Spielgerät zu erobern. Das einzige Problem war, dass man sich dann im Ballbesitz nicht immer passend verhielt.

Vor allem in der Anfangsphase war die Nervosität deutlich zu spüren und man geriet immer wieder in Hektik. Beispielhaft war hier auch die Szene, als Ranftl beinahe einen fatalen Rückpass in den Lauf von Kühn spielte und Torhüter Früchtl in höchster Not retten musste. Hier wäre die frühe Führung sicherlich hilfreich gewesen, die nur um Haaresbreite – nach Grubers Kopfballverlängerung im wahrsten Sinne des Wortes – aberkannt wurde. Wobei man zynisch anmerken könnte, dass das in Anbetracht der letzten drei Wochen, wo man jeweils früh in Führung ging und dennoch keinen Sieg erringen konnte, wohl sowieso kein Vorteil für die Austria gewesen wäre. Erst nach gut 20 bis 25 Minuten gelang es den „Veilchen“, etwas mehr Ruhe ins Spiel zu bekommen und in einen gewissen Rhythmus zu erlangen. Das lag auch daran, dass Rapid zunehmend abwartender agierte und die Austrianer mit einem tieferen Mittelfeldpressing kommen ließ.

Hier versuchte man speziell auf der linken Seite mit dem Dreieck bestehend aus Potzmann, Fitz und Huskovic Kombinationen zu initiieren und spielerisch ins letzte Drittel zu gelangen. Meist lockte man den Erzrivalen in diese Regionen und versuchte ihn dann auszuspielen, um dann über schnelle Verlagerungen das Duo Ranftl/Gruber ins Spiel zu bringen und gefährliche Hereingaben in den Strafraum zu schlagen, wo der Fokus auf eine gute Strafraumbesetzung lag. Nach einem ähnlichen Muster kam man zur besten Chance im ersten Durchgang, als Ranftl seinen Kollegen Gruber mit einem tollen Pass freispielte und dieser im Eins-gegen-Eins nicht an Torhüter Hedl vorbeikam. Wie man sieht, hin und wieder gelang es auch nach diesem Muster in oder rund um den Strafraum zu gelangen.

Meist waren jedoch entweder die Hereingaben zu ungenau oder es funktionierte der letzte Pass nicht. Hier merkte man schlicht das Fehlen eines klassischen „Zielspielers“ und dessen Präsenz, wodurch Rapid diese Situationen leichter verteidigen konnte, als es noch in der vergangenen Saison der Fall war. Zumindest ließ man in der Defensive auch nicht allzu viel zu, auch wenn Rapid über ihr individuell starkes Offensivtrio immer wieder Gefahr andeutete. Somit ging es mit einem 0:0 in die Kabine.

Intensiver Beginn und unglaubliche zwei Minuten

Nach dem Wiederanpfiff kamen die Austrianer gut aus der Kabine und schraubten die Intensität noch eine Spur weiter nach oben. Man attackierte den Erzrivalen noch höher und versuchte sich durch das aktive (Gegen-)Pressing in der gegnerischen Hälfte festzusetzen. Dadurch erspielte man sich auch einige Standardsituationen und gute Angriffssequenzen. Jedoch deutete auch Rapid ihre Gefährlichkeit speziell in Umschaltsituationen an und es galt hier brenzlige Situationen zu überstehen. Dadurch entwickelte sich ein recht intensiver Schlagabtausch und es wirkte so, als würde die Qualität des Spiels zunehmen. Doch dann sollten zwei entscheidende Minuten dieses Spiel völlig zum Kippen bringen und gravierend verändern.

Zunächst ging Austria-Kapitän Holland völlig kopflos in einen Zweikampf und holte sich seine zweite gelbe Karte ab, weshalb er vom Feld musste. So eine Dummheit darf einem Routinier mit so einer Erfahrung normalerweise nicht passieren. Wenig später erwies auch dessen Nebenmann Braunöder seinem Team einen Bärendienst, kam bei einem Tackling zu spät und traf seinen Gegenspieler Grüll an der Achillessehne, weshalb er mit einer roten Karte ebenso vom Platz musste. Die Austria war plötzlich über 35 Minuten lang nur noch zu neunt! Nicht unerwähnt darf man hier aber auch Offensivspieler Gruber lassen, der nach einem sensationellen Handl-Dribbling eine Drei-gegen-Eins-Situation so lange verzögerte, bis die Rapid-Abwehr wieder formiert war. Aus Verzweiflung probierte er dann einen Abschluss, der allerdings wie Boomerang zurückkam und zu einem gefährlichen Konter führte, den Braunöder irgendwie versuchte zu unterbinden und dabei eine falsche Entscheidung traf.

Eine engmaschige 4-4-Anordnung und ein aufopferungsvoller Kampf

Daher mussten die Violetten das Spiel nun fortan mit acht Feldspielern fortsetzen und das Heil in der Defensive suchen. Austria-Trainer Wimmer musste auch improvisieren und hatte nur noch einen zentralen Mittelfeldspieler auf der Bank, weshalb der universell einsetzbare Potzmann neben den eingewechselten Jukic ins Zentrum rückte, während Meisl stattdessen den Linksverteidiger gab. Man formierte sich zu einem 4-4-System („4-4-0“) und platzierte zwei eng- und tiefstehende Viererketten in der eigenen Hälfte in dem Bestreben, die gefährlichen Zonen so gut es geht zu verteidigen und Rapid aus dem Zwischenlinienraum und dem Strafraum rauszuhalten.

Dabei mussten alle Spieler viel Laufarbeit verrichten, vor allem jedoch die beiden zentralen Mittelfeldspieler Jukic und Potzmann, die eine Mammutaufgabe vor sich hatten. Dank ihrer Dynamik und Laufstärke konnten sie jedoch einerseits immer wieder auf die Gegner herausrücken und Druck ausüben, andererseits aber auch gleichzeitig die Mitspieler absichern und Löcher stopfen, damit die Abwehrkette beschützen. Da auch die Viererkette sehr homogen verschob und das Ab- und Durchsichern funktionierte, blieb nur sehr wenig Raum zwischen den Ketten und der Gegner wurde immer wieder erfolgreich aus den Räumen gedrängt. Die Austria wirkte schlicht stabil und hochkonzentriert.

Daher kommt es auch nicht von ungefähr, dass man in knapp 40 Minuten Unterzahl auch relativ wenige Möglichkeiten zuließ. Ob es daran lag, dass die Austria es so gut verteidigte oder es Rapid schlecht ausspielte, hängt wohl von der jeweiligen Betrachtungsweise ab und die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo in der Mitte.

Was man jedoch sicherlich konstatieren kann ist, dass es die Favoritner mit acht Feldspielern sehr gut machten und nahezu das Maximum aus den Möglichkeiten herausholten. So verstrichen die Minuten und je näher das Spielende rückte, desto weniger hatte man den Eindruck, als könnten die Hütteldorfer noch einen Treffer erzielen. Die beste Möglichkeit vergab der eingewechselte Gale, der von Gruber aus den Augen gelassen wurde und aus kurzer Distanz an Torhüter Früchtl scheiterte. Das sollte die letzte Gelegenheit gewesen sein und die Austrianer brachten das 0:0 tatsächlich über die Zielgerade und bauen damit ihre starke Derbybilanz weiter aus.

Rapid geht erwartungsgemäß ins Derby, überrascht mit der Bank

Bei Rapid war die Derby-Formation und -Aufstellung praktisch schon im Voraus klar. Im 4-2-3-1 und ohne größere Veränderungen wollte Barisic seine Spielidee durchziehen lassen. Maximilian Hofmann startete als „derbyerfahrenerer“ Innenverteidiger anstelle von Kongolo, Moritz Oswald bekam auf der Acht den Vorzug gegenüber Lukas Grgic, der aufgrund seiner kämpferischen Art auch das Potential zum Starter im Wiener Stadtduell gehabt hätte.

Überraschend war vor allem die Besetzung der Rapid-Bank: Von den drei Schwächsten im Cup-Spiel gegen Gurten – Strunz, Greil und Moormann – stand keiner im Matchkader. Auch Torschützenkönig und Schlüsselspieler Guido Burgstaller stand erwartungsgemäß nicht im Matchkader. Jovan Zivkovic muss weiterhin bei der zweiten Mannschaft bleiben und bekommt keine Chance in der „Ersten“, obwohl er von Barisic immer wieder als „Mitglied der Kampfmannschaft“ bezeichnet wird (das er aber offenbar nicht ist). Somit kam Rapid nur mit einem einzigen Angreifer nach Favoriten – und der hieß Mayulu und stand in der Startelf. Die offensiven Wechseloptionen waren mit Gale und Bajic zwei Flügelspieler.

Rapid findet mit guter Staffelung in zerfahrene Partie

Dank einer weitgehend guten Mittelfeldstaffelung schaffte es Rapid Stück für Stück den Weg in eine zunächst zerfahrene Partie zu finden. Die Konstellation mit Sattlberger, Oswald und Seidl – einer 6-8-10-Staffelung mit einem Durchschnittsalter von 20,6 Jahren – funktionierte sehr solide und lebte von der Umsicht Sattlbergers.

Etwas problematisch waren allerdings vor allem in der ersten Halbzeit die Durchschnittspositionen der Außenverteidiger. Kasanwirjo ließ sich zu stark in sein Defensivspielernaturell drücken, spielte sehr tief, sah phasenweise auch im Spielaufbau wie ein dritter Innenverteidiger aus. Auer schob etwas höher, wurde von der Austria aber auch als mögliches Pressingopfer ausgemacht, wodurch er sich in Ballbesitz immer wieder einer engmaschigen Gegnerformation gegenübersah.

Dadurch war der linke Flügel von viel „kleinklein“ und einigen Zweikämpfen geprägt, während die rechte Seite keine guten internen Verbindungen aufwies. Der Abstand zwischen Kasanwirjo und seinem Vordermann war häufig zu groß, weshalb man in keinen guten Spielfluss kam. Um beide Flügelspieler gleichermaßen forcieren zu können, rochierten Grüll und Kühn situativ, wie es schon in den letzten Spielen immer wieder der Fall war. Zählbares brachte dies aber nicht.

Rapid und das „Derby-Ich“ im Aufbau

Obwohl die Hütteldorfer mit einigen Spielern in die Partie gingen, die im Derby noch weitgehend unbedarft sind, sah man den Grün-Weißen den großen Druck, fast eine Art „Derby-Angst“ an. Alle erwarteten gegen die angeschlagene Austria einen Sieg und es war sichtbar, dass Rapid nicht mit großem Selbstverständnis im Spiel auftrat, sondern immer wieder eher darauf bedacht war, keine Fehler zu begehen. Auch das schwache Cup-Spiel gegen Gurten war hier wohl ein mentaler Faktor.

Das Resultat daraus war, dass Rapid oft nicht sauber aufbaute und den langen Ball suchte. Die durchschnittliche Passlänge der Spieler in der Viererkette lag bei allen Spielern jenseits der 20 Meter, aber die Verarbeitung der langen Bälle war mangelhaft. Die Austria hatte defensiv vor allem durch Johannes Handl die Oberhand im Luftspiel – Fally Mayulu konnte einige der schwierigen Zweikämpfe zwar zumindest ansatzweise für sich entscheiden, die Bälle dann aber nach Sicherung nicht mehr sauber weiterverarbeiten, was auch mit seiner zu offenen, undynamischen Körperhaltung und einer mangelhaften Körpersprache zu tun hatte.

Eine passende Statistik: Mayulu kam in insgesamt 101 Spielminuten nur auf zwölf Pässe. Wir erklären später in dieser Analyse, was hierbei das Problem war.

Nicht nur Mayulus Schwächen in diesen Weiterverarbeitungen waren ein Problem, sondern auch, dass Rapid die langen Bälle aus der Abwehr heraus nie nutzen konnte, um daraus resultierende, verlorene Offensivduelle für ein erfolgreiches Gegenpressing zu nutzen. Weil die Austria-Abwehr nach Ballgewinnen recht zielgerichtet durchschob und auch das Mittelfeld meist gut antizipierte, konnten sich vor allem Seidl, aber auch die Flügel Grüll und Kühn nur selten durchsetzen und für klassische Gegenpressingsituationen in hoher Feldposition sorgen.

Das Resultat daraus war eine chancenarme erste Halbzeit in diesem Derby, in der die Austria der Führung grundsätzlich näher war, als die Hütteldorfer. Die Wiener kamen eher aus Zufällen oder Austria-Fehlern heraus zu ihren Möglichkeiten.

Zwei Standards – und aus dem Nichts zwei Rote

Die zweite Hälfte begann beidseitig etwas intensiver. Zunächst hatte die Austria durch Huskovic nach einer Ecke eine gute Kopfballchance und praktisch im Gegenzug durch Querfeld ebenfalls eine Chance nach einem Eckball. Der Ball ging aber nur an die Oberkante der Latte.

Durch Hollands dummes und Braunöders brutales/gefährliches Einsteigen war die Austria wenige Minuten später nur noch zu neunt. Das änderte, wie bereits zuvor beschrieben, die Charakteristik des Spiels, vor allem aber auch das psychologische Momentum zwischen zwei Mannschaften, die zuletzt nicht gerade in Selbstvertrauen gebadet haben.

Für die Austria war nun klar, dass es mit einem „Dreier“ wohl nichts werden wird. Aber der reaktive Zugang zum Spiel könnte für eine defensive „Jetzt erst recht“-Situation sorgen. Es war klar, dass das Stadion und die Mannschaft sich nun an jeder erfolgreichen Defensivaktion aufrichten würden. Rapid hingegen musste gewinnen – das forderte wohl jeder Fan im Stadion und vor dem Fernseher. Alles andere wäre eine bittere Enttäuschung. Und dieser Siegesdruck verkrampfte Rapid zusehends.

„Schau ma mal, dann seh ma schon“

Nach den roten Karten änderte Zoran Barisic vorerst nichts. Rapid spielte im 4-2-3-1 weiter (übrigens bis zum bitteren Ende) und trachtete danach, einfach möglichst schnell eine saubere Aktion zu Ende zu spielen, die für den Führungstreffer und damit wohl eine Vorentscheidung sorgen sollte.

Die Veilchen verschleppten allerdings gerade in der Anfangszeit der Unterzahl clever das Spiel, wodurch nur wenig Fußball gespielt wurde. Durch Fitz kamen die Favoritner sogar zu einer Konterchance, bei der Maximilian Hofmann Glück hatte, nicht mit Rot vom Platz zu fliegen. Rapid fand keine Lösungen gegen den 4-4-Block der Gastgeber und Barisic vollzog nach einer Viertelstunde mit Zwei-Mann-Überzahl den ersten – logischen – Wechsel.

Thorsten Schick kam für Neraysho Kasanwirjo, was Sinn machte. Schick könnte durch seine Routine mehr Ruhe und Präzision ins Spiel bringen, als der häufig wild und unkonventionell agierende Niederländer. Zudem gilt Schick als guter Flankengeber und Standardschütze und ist immer wieder für einen Assist gut. In seinen neun Pflichtspielen in der laufenden Saison bereitete er immerhin schon sechs Tore vor – und gute Assistgeber waren in dieser Situation mindestens genauso gefragt, wie gute Vollstrecker.

Zweidimensionales Rapid-Spiel und wenig Coaching

Von hier weg hatte Rapid noch immer mindestens 20 Minuten Zeit, um einen Lucky Punch zu landen. Die Mannschaft – und auch das Trainerteam – machte den Eindruck, dass man sich nicht stressen will und noch reichlich Zeit hat, geduldig zu einer Lösung zu kommen. Allerdings richtete sich die Austria mit jeder Minute, die von der Uhr gespielt wurde, auf. Die Veilchen mussten nicht mal besonders auf das Stilmittel der Spielverzögerung zurückgreifen, weil Rapid ohnehin kaum gefährlich wurde.

Im Spiel Rapids gegen neun Mann mangelte es an allen Ecken und Enden – und das spürte die Austria. Die beiden dichten Ketten der Veilchen sorgten dafür, dass die Mitte praktisch zu war. Durchbrüche der Hütteldorfer mussten im Zentrum praktisch wie im Rugby erfolgen und das ist natürlich wenig erfolgsversprechend.

In einem anderen Artikel haben wir bereits beschrieben, was Rapid im Ballbesitzspiel hätte tun können, um die recht klare Defensivformation der Austria zu knacken. Im Spiel mit dem Ball war gerade der Mangel an Verlagerungen und Überladungen sicher das größte Problem der Hütteldorfer. Dadurch musste die Austria-Abwehr nur wenig bzw. als Block nur wenige Meter verschieben und konnte Rapid gut zustellen. Die Gäste wiederum kamen durch den Mangel an schnellen Verlagerungen und durch das viel zu langsame und unsichere Passspiel kaum zu Überzahlsituationen an den Flügeln, um Durchbrüche zu kreieren. Zudem wurde auch die Verunsicherung größer und das „nur keinen Fehler machen wollen“ wurde nach und nach markanter.

Passprobleme und schwache Strafraumbesetzung

Hier kommen wir zu den Passproblemen im Spiel der Hütteldorfer zurück. Wie bereits beschrieben, kam Mayulu über die gesamte Spielzeit nur auf zwölf Pässe. Zumindest in der zweiten Halbzeit wäre das auch nicht unbedingt das Problem gewesen, zumal er der Zielspieler war, den es zu finden galt. Er wurde von den Austria-Innenverteidigern aber konsequent zugestellt und war absolut kein Faktor mehr im Spiel.

Eine Option, die sich hier geboten hätte, wäre ein Zurückziehen des Franzosen gewesen – auf die Position, die er auch bei Blau-Weiß Linz bereits häufig spielte. Durch die Größe des Stürmers wäre er wohl im Zehnerraum eine gute Kombinationsoption gewesen, die für herausrückende Austria-Verteidiger schwierig von hinten anzulaufen gewesen wäre. Eines der symptomatischen Probleme Rapids war in dieser Phase auch, dass man nicht mal Freistöße in Strafraumnähe ziehen konnte. Wenn man schon derart zentrumfokussiert agiert, wäre das das Mindeste gewesen – stattdessen machte Mayulu aber auch noch die Einwürfe in Strafraumnähe und fehlte dadurch in der unmittelbaren Gefahrenzone. Abgesehen davon, dass diese Einwürfe nicht mal besonders gut waren, ist das eine taktische Facette, deren Sinnhaftigkeit wohl nur „Standard-Coach“ Hickersberger verstand. Sonst allerdings niemand.

Obwohl die Überzahl schlussendlich 40 Minuten dauerte, kam Rapid als Mannschaft nur auf 406 Pässe – die Austria auf 291. Das was angesichts der numerischen Situation ein viel zu geringer Unterschied. Die Hütteldorfer hätten den Ball deutlich mehr laufen lassen müssen, praktisch wie in einer „Hösche“ über die gesamte Spielfeldbreite. Dadurch wäre die Austria in Bewegung gezwungen worden und es hätten sich im „Handballstil“ zwangsläufig Räume in der Tiefe eröffnet. Stattdessen schoss Rapid aus 25 Metern, schlug ungefährliche Halbfeldflanken, hatte einen viel zu einfachen Fokus auf den Strafraum, in den man praktisch nur mit Hauruckaktionen kommen wollte.

Letzte taktische Anpassungen

Doch natürlich hätte auch diese Hauruckvariante gegen zwei Spieler weniger funktionieren können. Allerdings nur mit den nötigen Anpassungen. Die versuchte der ebenfalls nervöser werdende Barisic in Minute 83 zu machen, indem er Gale und Kerschbaum für Oswald und Kühn brachte. Zwei weitere positionsgetreue Wechsel, mit denen wohl klar war, dass Rapid die Partie im nominellen 4-2-3-1 beenden würde.

Gale war es auch, der die größte Rapid-Chance in Unterzahl vorfand, nachdem Auer – endlich – einen unerwarteten, nicht zu verteidigenden Pass gegen die Rückwärtsbewegung der Austria-Abwehr spielte und der Neuzugang aus Barbados gut diagonal einlief. Seinen nicht ideal gesetzten Schuss konnte Früchtl aber aus kurzer Distanz entschärfen. Es war der einzige wirklich gute Pass, den Rapid in Zwei-Mann-Überzahl in 40 Minuten spielte.

Rapid sah man spätestens ab hier die totale Verunsicherung an. Man wirkte wie gelähmt, versuchte es nicht mal mit der Brechstange, sondern spielte weiter uninspiriert wie das Kaninchen vor der Schlange.

Eine Variante, die hier wohl notwendig gewesen wäre, ist das Vorziehen eines Innenverteidigers auf die Stürmerposition. Der physisch starke Querfeld wäre wohl schon in der Schlussviertelstunde eine Option gewesen, um die Abwehr der Austria zu stressen und für etwas Unordnung und Chaos zu sorgen – vielleicht sogar, um die Chance auf den Lucky Punch zu bekommen. Stattdessen war er auf seiner Stammposition in der Innenverteidigung verschenkt. Diese Position hätte auch problemlos Kerschbaum einnehmen können, vielleicht auch der kämpferische Grgic, der aber gar nicht zu seinem Derbydebüt kam. Querfeld spielte schlussendlich nur in den letzten 90 Sekunden (!) den „Ivanov“ und Rapid beendete die Partie im sauberen, braven 4-2-3-1 – und ohne Tore.

Dabei fiel Rapid auch die Kaderauswahl auf den Kopf – denn um mit der Brechstange und hohen Bällen zu agieren, konnte man niemanden mehr bringen. Man musste damit arbeiten, was man bereits auf dem Platz hatte. Ein Flankenfeuerwerk in der absoluten Schlussphase der Partie blieb aber ohnehin aus. Rapid hatte in der letzten Phase der Partie zudem „nur“ 69% Ballbesitz, was ein Wert ist, den man gegen schwächere Gegner wohl auch gegen elf Spieler zustandebringen würde.

„Nicht gut ausgespielt“

Und so war die mittlere Katastrophe in grün-weiß perfekt. Einmal mehr spielten die Hütteldorfer die „Einstein’sche Definition des Wahnsinns“, also immer dasselbe zu probieren und andere Ergebnisse zu erwarten, zu Ende. Es kamen deutlich zu wenige Impulse von der Trainerbank, die Austria wurde schlichtweg in Ruhe gelassen, anstatt womöglich sogar im Fünf-Minuten-Rhythmus Anpassungen vorzunehmen, um die Veilchen immer wieder vor veränderte Gegebenheiten zu stellen.

Barisic bekrittelte in der Pressekonferenz nach dem Spiel, dass einigen seiner Spieler der Torhunger, die „Torgeilheit“ fehlten. Besonders hungrig wirkte aber auch das, was er machte, definitiv nicht. Die Bankrotterklärung auf dem Platz, wie es die Rapid-Fans nach dem Spiel nannten, war eine ebensolche in der Coaching-Zone. Die Austria wollte den Punkt in einer ungemütlichen Situation unbedingt, Rapid wollte den „Dreier“ nicht um jeden Preis. Die kuriose zweite Halbzeit im Derby war ein Sinnbild für die Mut- und Espritlosigkeit, die sich bei Rapid wie ein roter Faden durch die Saison, eigentlich sogar über Jahre zieht…

Dalibor Babic (Austria) & Daniel Mandl (Rapid), abseits.at

Dalibor Babic