Zum Auftakt der neuen Spielzeit bescherte die Losfee der Wiener Austria ein kleines Wiener Derby im ÖFB-Cup und somit eine angenehm kurze Anreise.... Erkenntnisse aus dem ersten Pflichtspiel der „neuen“ Austria

 

Zum Auftakt der neuen Spielzeit bescherte die Losfee der Wiener Austria ein kleines Wiener Derby im ÖFB-Cup und somit eine angenehm kurze Anreise. So gastierte man am Sportclubplatz in Wien-Hernals und traf dabei auf den Wiener Stadtligisten Austria XIII, der dieses Los natürlich bejubelte und dem Spiel entgegenfieberte. Dabei waren die violetten Fans gespannt, wie sich der Rekordcupsieger nach der ersten vollen Vorbereitung unter Trainer Thomas Letsch präsentieren wird und welche Fortschritte man im Spiel bereits erkennen kann. Zwar hielt sich gegen den unterklassigen Gegner die Gegenwehr in Grenzen und man gewann letztlich auf einem schwer zu bespielenden Platz souverän mit 4:0, dennoch konnte man aufgrund des Spiels einige Erkenntnisse sammeln, auf die wir nun näher eingehen wollen.

Neues System, Flügelspieler ade

Was sich bereits in der Vorbereitung angedeutet hatte, nahm im ersten Pflichtspiel der Saison seine Fortsetzung. Der Trainer der Veilchen Thomas Letsch setzt nun auf eine neue und ungewohnte 4-3-1-2-Grundordnung, in der man die Mannschaft der Violetten in Zukunft wohl meistens zu sehen bekommt. Dieses System praktizierte in der vergangenen Saison vor allem Red Bull Salzburg sehr erfolgreich und dominierte damit nicht nur die Liga, sondern bereitete auch vielen internationalen Gegnern in dieser Ordnung große Probleme.

Die Vorzüge dieser Formation sind dabei recht klar: Durch das massive zentrale Mittelfeld und den beiden Stürmern wird versucht, das Zentrum dicht zu machen und den Gegner auf den Flügel zu leiten. In weiterer Folge rücken dann die beiden Achter oft aus ihrer Position heraus und attackieren den Außenverteidiger, während der Rest nachschiebt und versucht die Räume eng zu machen. Dadurch hat man einerseits in Ballnähe sehr viele Spieler, andererseits sind die Abstände klein und man versucht aus einem kompakten Block heraus zu verteidigen.

Im Ballbesitzspiel rücken die beiden Außenverteidiger weiter auf, geben konstant Breite und sie werden auf dem Flügel gelegentlich auch von ausweichenden Stürmern unterstützt, während sich der Rest quasi im Zentrum tummelt. Dadurch hat man auch nach Ballverlust relativ kurze Abstände und kann daher sofort ins Gegenpressing gehen und Zugriff herstellen.

Das 4-3-1-2-System ist jedenfalls sehr anspruchsvoll, da einerseits spiel- und laufstarke Außenverteidiger gefragt sind, die eine Seite auch alleine bearbeiten können, aber auch flexible Achter, die viel Laufarbeit zu verrichten haben und ausweichende Stürmer, die im Positionsspiel umsichtig agieren müssen. Die Gefahr besteht nämlich, dass durch den hohen Zentrumsfokus der Gegner mit vielen Spielern eben diese Region verschließt und die Austria auf den Flügel zwingt. In solchen Situationen wird es dann spannend zu sehen sein, welche Lösungen Trainer Letsch findet und ob er flexibel genug sein wird, um passend darauf zu reagieren, oder ob man stur alles durch das Zentrum spielen will.

Red Bull Salzburg ist nämlich nicht aufgrund des 4-3-1-2-Systems so stark, sondern weil man diese Anordnung passend interpretiert und ausführt. Man hat nicht nur die genau richtigen Spielertypen für dieses System (starke Außenverteidiger, flexible Achter und ausweichende Stürmer), sondern ist auch in der Lage im Spiel Anpassungen vorzunehmen und die Ausrichtung zu verändern, indem man zum Beispiel mehr über die Flügel angreift und dort Überzahl herstellt.

Ob die Austria dazu auch in der Lage sein wird, bleibt abzuwarten. Rechtsverteidiger Klein spielte zwar eine gute Vorbereitung und scheint langsam seinen Rhythmus gefunden zu haben, allerdings wirkt sein Pendant Salamon alles andere als sattelfest und hat zum Teil große Probleme mit der neuen Aufgabe, die Seite alleine zu beackern. Daher suchen die Veilchen auch sehr aktiv nach einem neuen Linksverteidiger, der wohl auch in Kürze vorgestellt wird.

Interessant wird auch zu sehen sein, wie sich Matic und Grünwald in ihre Rollen einfügen werden. Beide haben ihren bevorzugten Aktionsradius normalerweise im halblinken Mittelfeld, jedoch musste zuletzt Kapitän Grünwald auf die halbrechte Position ausweichen und sich dort mit den ungewohnten Umständen vertraut machen. Im Cup funktionierte dies recht gut, man wird sehen, wie es in der Meisterschaft ablaufen wird. Jedoch kann man von beiden nicht erwarten, dass sie auf den Flügel ausweichen und auch mal Gegenspieler überdribbeln, so wie es bei Salzburg mit Berisha oder Haidara zum Teil der Fall war.

Mit den beiden Stürmern Edomwonyi und Turgeman dürfte man die passenden Angreifer geholt haben, die sich gerne fallen lassen und immer wieder ausweichen können. Turgeman zeigte auch in diesem Cupspiel eine gute Leistung und war an den ersten beiden Treffern direkt beteiligt. Ein verheißungsvoller Auftakt also. Einen Plan B hat Letsch auch noch in petto und ließ verlautbaren, dass man gegebenenfalls auch auf eine Fünferkette umstellen könnte.

Schnellere Ballzirkulation und mehr Vertikalität im Spielaufbau

Bei der Austria sind die Zeiten endgültig vorbei, wo man mittels eines gemächlichen und behutsamen Spielaufbau versuchte, den Gegner zu knacken und zu zermürben. Unter Letsch versucht man nun sichtlich wesentlich zügiger nach vorne zu spielen und den Ball auch schneller in den eigenen Reihen zirkulieren zu lassen. Mit Madl und Neuzugang Igor verfügt man über spielstarke Innenverteidiger, die mit ihren scharfen Pässen auch kleine Passfenster anspielen können und dadurch in der Lage sind auch mal mehrere Gegenspieler auf einen Schlag zu überspielen. Das erleichtert natürlich den Spielaufbau und man geht dadurch auch mehr Risiko ein, was aber natürlich auch immer ein zweischneidiges Schwert ist – Stichwort Ballverluste.

Solange jedoch das Gegenpressing funktioniert, sind auch Fehler im Spielaufbau verschmerzbar. Verbesserungen braucht man jedoch in Punkto Diagonalität im eigenen Spiel, um auch in diese Richtung eine zusätzliche Anspielstation zu schaffen, was auch Salzburg meist sehr gut umzusetzen weiß. In der Hinsicht hatte man gegen den unterklassigen Gegner noch Probleme und konnte so die gegnerische Formation nur gemächlich aufreißen.

Problemzone defensives Mittelfeld und das Fragezeichen um Serbest

Nachdem man die vergangene Saison große Probleme auf der Position des defensiven Mittelfeldspielers hatte und mit Serbest de facto auch nur ein nomineller Sechser zur Verfügung stand, war man in Wien-Favoriten froh, mit James Jeggo endlich eine weitere Option in den eigenen Reihen begrüßen zu können, der noch dazu in der vergangenen Saison in der Liga zu den Besten auf seiner Position zählte.

Auch in der Vorbereitung konnte der Australier den Vorschusslorbeeren gerecht werden und trat nicht nur sehr zweikampfstark auf, sondern bestach auch durch seine Ballsicherheit und sein gutes Bewegungsspiel. Zum Leidwesen der Austria verletzte sich Jeggo kurz vor Saisonstart schwer und wird bis tief in den Herbst hinein nicht zur Verfügung stehen.

Ersetzen soll ihn mit Ebner ein weiterer Neuzugang, der vor der Jeggo-Verletzung meist halbrechts im Zentrum zum Einsatz kam und nun auf die Sechs rückt. Jedoch hat der ehemalige Admiraner noch große Probleme auf der Position und findet sich nicht wirklich gut zurecht. Gegen Dortmund sorgten seine technischen Defizite dafür, dass er einen Schlag auf sein lädiertes Knie abbekam und ausgewechselt werden musste.

Gegen Austria XIII kehrte er zwar wieder zurück, jedoch wurden auch im Cup gegen diesen schwachen Gegner einige Probleme sichtbar. Ebner hatte Schwierigkeiten mit seiner Positionsfindung und seinem Timing bei seinem Bewegungsspiel, weshalb er oft nur unzureichend anspielbar war und das Spiel dadurch die meiste Zeit an ihm vorbeilief.

Das ist vor allem in einer Ballbesitzmannschaft wie der Austria ein Problem, da die Position des Sechsers eine essentielle ist und man hier einen spielstarken Mann braucht, der für zusätzliche Verbindungen nach vorne sorgt und das gesamte Gebilde zusammenhält. Man sah ihm sichtlich an, dass er die Position nicht regelmäßig spielt und von seinem Naturell her kein Sechser wie Jeggo ist.

Mit Serbest stünde an und für sich eine starke Alternative zur Verfügung, der schon bewiesen hat, dass er diese Position sehr gut ausfüllen kann. Jedoch hegt der türkische Nationalspieler nach wie vor Abwanderungsgedanken und möchte gerne den nächsten Schritt in seiner Karriere vollziehen. Da sich die Austria mit den interessierten Vereinen bislang auf keine Ablösesumme einigen konnte, hängt die Personalie Serbest nach wie vor in der Luft und Thomas Letsch scheint deswegen auch nicht auf den Mittelfeldspieler setzen zu wollen.

Die Veilchen werden sich daher etwas einfallen lassen müssen, denn gegen destruktive Gegner kann man sich eine spielschwache Option auf dieser wichtigen Position eigentlich nicht erlauben und wäre es auch eine Verschwendung von Ressourcen. Daher braucht es auch so schnell wie möglich Klarheit bei der Personalie Serbest, um dahingehend auch planen zu können und gegebenenfalls vielleicht auch nochmal auf dem Transfermarkt tätig zu werden.

Als Optionen stünden mit Hahn und Demaku zwei junge Spieler bereit. Man könnte auch eine Systemumstellung in Betracht ziehen. Für die Ansprüche der Austria wird der brav kämpfende Thomas Ebner auf der Position jedenfalls eher zu wenig sein.

Verbessertes Spiel gegen den Ball

Augenscheinlich sah man in den Testspielen und im Cupspiel, dass die Veilchen in der Vorbereitung am Spiel gegen den Ball feilten und viel Trainingsarbeit investierten. Dies scheint sich auch bezahlt zu machen, denn die Abläufe wirken nun etwas flüssiger und die Spieler setzen nach Ballverlust sofort nach und versuchen ins Gegenpressing zu kommen, um den Ball so rasch wie möglich wieder zu erobern.

Auch grundsätzlich presst man nun nicht mehr ständig ganz vorne, sondern variiert die Pressinghöhe und zieht sich auch mal etwas tiefer zurück. Dadurch lässt sich die Mannschaft nicht mehr so einfach ausspielen, wie es noch in der Rückrunde unter Letsch oft der Fall war, wo man ein ums andere Mal quasi ins offene Messer rannte.

Gegen Dortmund sah das Ganze recht ordentlich aus, der Viertligist aus Wien-Hütteldorf war dahingehend klarerweise keine echte Prüfung. Interessant wird es daher erst am kommenden Freitag beim Bundesliga-Start gegen Wacker Innsbruck und die Spiele danach, um zu sehen, wie weit fortgeschritten das Spiel gegen den Ball und ob die Mannschaft in der Hinsicht gereift ist. Denn wenn man in Zukunft offensiv, dominant und risikoreich auftreten möchte, muss das Spiel gegen den Ball natürlich dementsprechend geölt sein und reibungslos funktionieren, um nicht bei jedem Ballverlust ins Wanken zu kommen.

Es wird also weiterhin spannend zu sehen sein, wie sich die Austria mit dem neuen System und der adaptierten Spielweise zurechtfinden wird. Zweifellos sind einige Verbesserung nach der Vorbereitung bereits wahrnehmbar, allerdings gibt es auch noch einige zum Teil strategische Fragezeichen, für die man noch Lösungen erarbeiten muss.

Das Spiel am Freitag gegen Wacker Innsbruck wird dafür ein erster guter Gradmesser werden und für die Veilchen wäre es unheimlich wichtig mit einem Erfolgserlebnis in die Bundesliga-Saison zu starten, um endgültig zu demonstrieren, dass eine neue Austria auf dem Feld steht und die vergangene Saison abgehakt ist.

Dalibor Babic, abseits.at

Dalibor Babic

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