Das zentrale Mittelfeld ist definitiv die größte Kaderbaustelle beim Rekordmeister aus Wien-Hütteldorf. Sportchef Markus Katzer versucht derzeit – mit begrenzten Mitteln – die Zentrale... Kommentar: Schwab-Rückkehr zu Rapid wäre „Gipfel der Fantasielosigkeit“

Das zentrale Mittelfeld ist definitiv die größte Kaderbaustelle beim Rekordmeister aus Wien-Hütteldorf. Sportchef Markus Katzer versucht derzeit – mit begrenzten Mitteln – die Zentrale umzubauen, Spieler loszuwerden und neue Akteure ins Boot zu holen. Im Zuge dessen tauchte zuletzt in Insiderkreisen regelmäßig ein altbekannter Name auf.

Erst vor zwei Wochen äußerte sich Rapids Sportvorstand Markus Katzer in „Talk & Tore“ auf Sky zu Stefan Schwab. Der PAOK-Legionär sei ein interessanter Spieler, aber aktuell „kein Thema“ für Rapid. Wie gleich mehrere Insider unabhängig voneinander berichten, soll das aber schon jetzt wieder Makulatur sein – der 32-Jährige sei sogar einer der heißesten Kandidaten in Grün-Weiß.

Geht es um die Personalie Schwab übt man sich bei Rapid aber ganz besonders in Understatement, was mehrere Gründe hat. Zwar steht es außer Frage, dass Rapid in der Ära Schwab in absoluten Zahlen erfolgreicher war als jetzt, aber schon in seiner Zeit als Rapid-Kapitän war der Mittelfeldspieler ein kontrovers diskutierter Akteur. Natürlich auch, weil Schwabs Verantwortung in seiner Rapid-Zeit weitgehend enorm groß war.

Umstrittene Personalie mit (zu?) großer Verantwortung

Der gebürtige Saalfeldner, der im September seinen 33. Geburtstag feiern wird, litt in Hütteldorf vor allem unter der Kapitänsschleife. Mannschaftsintern war er eine Integrationsfigur und wichtig für Team und „Kabine“, auf dem Platz dafür häufig nicht konstant und nicht selten aufreizend. Als Schwab 2020 nach Griechenland zu PAOK Saloniki wechselte, sahen dies viele Beobachter als Chance an, das grün-weiße Mittelfeld endlich wieder dynamischer zu gestalten.

Es waren vor allem das mangelnde Tempo, zu riskantes Passspiel, zu wenig Beständigkeit in den „einfachen“ Aktionen, die die Kritik an Schwab über seine gesamte Rapid-Zeit gemessen größer werden ließ. Speziell in den letzten zwei seiner sechs Saisonen wurde er sehr kritisch beurteilt. Pro Saison gab es die eine oder andere Szene, die die Fans mit der Zunge schnalzen ließen – diese standen aber meist nicht in Relation zu den Fehlern und vor allem der Bremsung des Rapid-Mittelfelds. Sowohl mit als auch gegen den Ball waren es vor allem markante Temponachteile, die Schwab immer umstrittener machten.

Schwabs Zeit in Thessaloniki

In seiner ersten Saison in Thessaloniki war Schwab Stammspieler und vermutlich fitter denn je. Das Arbeitsumfeld bei PAOK war ein professionelleres und das gezieltere Training wichtig für den Routinier. Schwab überzeugte auf der Acht, erzielte neun Tore und zehn Assists in 48 Partien, war weitgehend gesetzt.

Doch schon die Saison 2021/22 brachte die Wende. Schwab verlor in einer starken Mannschaft, die bis ins Viertelfinale der UEFA Europa Conference League vorstieß seinen Stammplatz, kam zumeist nur von der Bank. Der slowenische Routinier Jasmin Kurtic, leihweise aus Parma bekommen, spielte ihn weitgehend aus der Mannschaft. In der abgelaufenen Saison 2022/23 änderte sich dies nicht und Schwab war bei PAOK nur noch ein Spieler für die berühmten „Kaderplätze 12 – 15“, für die man eben auch verlässliche Spieler braucht. Zudem veränderte sich seine Position und Schwab rückte sukzessive zurück auf die Sechs. Dabei profitierte Schwab davon, dass Kurtic fast die gesamte Saison aufgrund einer schweren Knieverletzung fehlte.

Die Sechs war kein Nachteil für ihn, zumal er dort weniger Risiko nehmen musste und sich auf eher einfaches Passspiel verlagern konnte. Seine progressiven Passstatistiken wurden besser, weil er das Spiel vor sich hatte und über gute Abnehmer verfügte. Dafür kam er in der gesamten Ligasaison 2022/23 nur auf sechs progressive Läufe mit Ball, von denen fünf in einem Ballverlust endeten.

Wie schon in seiner Rapid-Zeit war er im Zweikampfverhalten solide, zog viele Zweikämpfe, die auf der Sechserposition natürlich statischer geführt worden, als auf der dynamischeren Achterposition. Mehr als 60% seiner Duelle gewann der Salzburger Routinier, allerdings wurde es brenzliger, wenn er in Laufduelle gezwungen wurde. Ein altes Problem, das man bereits aus jüngeren Jahren kannte.

Unterschiede zwischen „Top-Spielen“ und „kleinen Spielen“

Zudem litt in den letzten beiden Jahren auch seine Effizienz. Das ist zumindest in der abgelaufenen Saison mit seiner tieferen Position zu erklären, aber 2021/22 wäre ein höherer Offensivanteil in seinen Aktionen – vor allem angesichts des gut besetzten PAOK-Mittelfelds und der insgesamt mit wenigen Ausnahmen schwächeren Liga – wünschenswert gewesen. In seinen letzten beiden PAOK-Saisonen kam Schwab in 92 Pflichtspielen allerdings nur noch auf neun Tore – wovon sechs aus Elfmetern erzielt wurden. Sein letztes Tor aus dem Spiel heraus erzielte Schwab vor 13 Monaten.

Besonders auffällig: Gerade in der abgelaufenen Saison war Schwab gegen die „Großen Drei“ der griechischen Liga – Meister AEK Athen, Panathinaikos und Olympiakos – kein fixer Starter, sondern kam häufig nur von der Bank. In absoluten Zahlen bedeutet das: Von 1.080 möglichen Spielminuten (ohne Nachspielzeiten) stand Schwab gegen die drei großen Teams nur in 353 auf dem Platz – das entspricht im Schnitt einer halben Stunde pro Spiel. Der Schnitt gegen alle anderen Mannschaft betrug 47,8 Minuten und damit deutlich mehr. Schwab spielte nur in fünf von 36 Ligaspielen durch.

Das wiederum schlägt in eine Kerbe, die sich auch auf Rapid ummünzen ließe: Die Wiener hatten zuletzt vor allem gegen die großen, gut strukturierten Gegner große Schwierigkeiten, zeigten gegen „Kleinere“ dafür teils dominante, gute Leistungen. Gerade die langsam agierenden Zentrumsspieler der Hütteldorfer wurden von Sturm, LASK und Co. immer wieder als klare Pressingopfer auserkoren, was Rapids Aufbau torpedierte und häufig nach außen lenkte, was den Spielfluss massiv beeinträchtigte.

Von aufgewärmten Sachen

Dieses Problem könnte sich mit Schwab im (defensiven) Rapid-Mittelfeld weiterziehen. Das in Saloniki gesehene belegt dies deutlich. Schwab könnte Rapids Mittelfeld gegen die kleineren Gegner durchaus noch stabiler machen, wird gegen die konzeptstärkeren Mannschaften aber für keine Verbesserung sorgen. Im Gegenteil: Die Dynamik in Rapids Zentrum würde noch mehr leiden als bisher, wenngleich die Passqualität mit Schwab auf der Sechs (und nicht auf der Acht) etwas besser werden könnte.

Das wiederum würde Zoran Barisic’ Erklärungen für schlechte Rapid-Spiele entgegenkommen. Der Rapid-Trainer sprach häufig davon, dass man schlichtweg zu ungenau agierte, sich nicht gut durchs Mittelfeld kombinierte. Dass die Begründungen für schlechtere Spiele häufig sehr oberflächlich und teilweise ausweichend ausfielen, bemerken selbst diejenigen, die mit Taktik nicht viel am Hut haben. Dieses angebliche Hauptproblem mit Schwab lösen zu wollen, schießt aber weit am Ziel vorbei.

Barisic ist dafür bekannt, dass er ein „Schwab-Fan“ ist – war er doch auch eine tragende Säule seiner ersten Trainerperiode bei Rapid. Die Top-Saison von Guido Burgstaller macht Rapid wieder eine neue Türe auf, was die Argumentation für „aufgewärmte Sachen“ betrifft. Allerdings hat sich Rapids Angreifer im Ausland enorm weiterentwickelt, ist in völlig andere Sphären vorgestoßen als Schwab. Zu glauben, dass derartige Rückholaktionen aber grundsätzlich von Erfolg geprägt sein werden, etwa aufgrund des Arguments, dass ein Spieler „Rapid kennt“ (eine Argumentation, die man auch bei Funktionärsbesetzungen gerne bemüht), ist eine gefährliche Annahme – und eine, die schon mehrfach nicht aufging.

Analytisch de facto nicht argumentierbar

Dass Schwab bei Barisic hoch im Kurs steht, ist kein Geheimnis. Der Rapid-Trainer ist kein Freund von Neuem, arbeitet gerne mit Spielern zusammen, von denen er weiß, was er zu erwarten hat. Die Gefahr, dass er dadurch Spieler verklärt, ist eine hohe. Sämtliche Leistungsdaten und Aktionsstatistiken zeigen, dass Schwab nicht besser zurückkehren wird, als er vor drei Jahren ging. Also ganz anders, als es zuvor bei Burgstaller der Fall war – und vor allem analytisch im Voraus klar belegbar war (lest den verlinkten Artikel nach).

Rapid hat keine prall gefüllte Kassa, kann sich demnach wohl nicht die Spieler für die Sechser-/Achterposition leisten, die man womöglich gerne (primär) hätte. Aber anstatt einem alternden Schwab aufgrund längst vergangener Leistungen eine Art Rentenvertrag zu geben, müsste man dringend andere Möglichkeiten ausloten. Etwa eine Leihe eines progressiveren, stabileren Spielers zur Überbrückung, bis man in kommenden Transferperioden mehr Möglichkeiten vorfindet, um langfristige Lösungen zu finden. Ein progressiv und sicher agierendes Zentrum mit Zukunftspotential lässt sich schlichtweg nicht um die Personale Schwab aufbauen.

Fantasielosigkeit und keine Übersetzung in die Moderne

Was uns zum eigentlichen, grün-weißen Paradoxon führt: Als Sportchef ist Zoran Barisic verantwortlich für die miserable Zentrumsbesetzung der Vorsaison. Mit Ausnahme eines kleinen Leistungsausschlags zu Beginn seiner neuen Trainerperiode, war offensichtlich, dass auch er „seiner“ Mannschaft keine klare Struktur geben konnte. Kaum ein Spieler, den Barisic verpflichtete, gilt aktuell als unverkäuflich. Im Gegenteil: Sportchef Katzer versucht mehrere dieser Spieler nun wieder anzubringen, um die Gehaltsliste ein wenig aufräumen und vielleicht noch da und dort eine Ablöse zu lukrieren, mit der man sich wieder bewegen kann.

Dass eine solch zentrale Position, wie die, für die nun Schwab wieder ein heißes Thema ist, mit derart wenig analytischer Weitsicht, sondern mit Augenmaßargumenten, besetzt werden könnte, ist der Gipfel der Fantasielosigkeit in Grün-Weiß und in sich selbst ein Sinnbild dafür, wieso andere Klubs den Hütteldorfern derzeit erbarmungslos davonziehen.

Konsolidierung“ als Unwort für Grün-Weiß

Ein ebenfalls etwas oberflächliches Vorabfazit: Die kleineren Gegner könnte Rapid mit einem um Schwab errichteten Mittelfeldzentrum wohl noch etwas besser dominieren. Zu den Großen würde die Schere dadurch aber wohl sogar etwas größer als kleiner werden.

Das Wort „Konsolidierung“ bedeutet wortgemäß „Festigung bzw. Sicherung eines Bestandes“ – und ebendieser Bestand ist aktuell nicht zufriedenstellend. Deshalb müsste Rapid sich trotz der eingeschränkten Handlungsbedingungen kreativer, mit mehr Fantasie und vor allem auf Basis analytischer Grundsätze und Schlussfolgerungen aufstellen. Der einhellige Tenor aller Experten ist, dass „der“ Transfer für das zentrale Mittelfeld unbedingt sitzen muss. Wäre Schwab etwa der Eins-zu-Eins-Ersatz für Roman Kerschbaum und würde noch ein anderer Spieler als „Architekt“ kommen, wäre ein solcher Transfer noch irgendwie argumentierbar. Wenn der PAOK-Legionär aber der Heilsbringer und die konzeptuelle Säule für die tatsächlichen, strukturellen Probleme in Rapids Spiel sein soll, dann müssen sich die Fans damit abfinden, dass sich Rapid auch ab der neuen Saison nicht so entwickeln wird, wie sie es gerne sehen würden.

Vielmehr würde man weiter im eigenen Sud köcheln, die Vorgehensweise dann aber wieder mit der einen oder anderen guten Partie gegen Hartberg, Tirol und Co. als schlüssig argumentieren, während man die stärkeren Gegner aber weiter aus den Augen verliert – und diese Gegner individuell stark redet, ohne ihnen explizit das zu attestieren, was sie primär haben: Deutlich bessere Ideen, mehr Mut zum Risiko und größere analytische und taktische Fähigkeiten.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen