Das Top-Spiel der Runde zwischen Rapid und dem SK Sturm Graz endete am Sonntagabend mit einem 1:1. Es ist ein Punkt, den Sturm gerne... Taktikanalyse: Rapid verschenkt Sieg gegen müde Sturm-Elf

Das Top-Spiel der Runde zwischen Rapid und dem SK Sturm Graz endete am Sonntagabend mit einem 1:1. Es ist ein Punkt, den Sturm gerne mit nach Graz nimmt, während Rapid einmal mehr mit der eigenen Chancenauswertung hadert. Die Hütteldorfer waren in der zweiten Halbzeit das bessere Team, machten aber den Sack nicht zu.

Beide Trainer nahmen in ihren Startformationen Veränderungen vor, verzichteten aber auf größere Experimente. Zoran Barisic rotierte den wiedergenesenen Maximilian Hofmann anstelle des gesperrten Terence Kongolo in die Startelf, brachte Moritz Oswald statt des leicht verletzten Kerschbaum auf der Acht. Auf der anderen Seite kamen mit Lavalee, Schnegg, Horvat und Wlodarczyk vier Neue in die Startelf.

Schon vor der Partie war klar, dass die Zweikampfführung wohl der zentrale Punkt in diesem Spiel sein würde. Wichtige Facetten waren hier etwa, wie Rapid Sturms Zielspieler Szymon Wlodarczyk zustellen würde oder wie sich das Zentrum der Hütteldorfer gegen den starken Sechser/Achter-Raum der Grazer und den formstarken Kiteishvili behaupten könne.

Gute Zentrumsstaffelung bei Rapid

Bei Rapid zeigte sich das Zentrum mit Oswald statt Kerschbaum im Vergleich zu den letzten Partien verbessert, was auch mit einer konsequenten Verdichtungsstrategie zusammenhing. Die Sechs-Acht-Zehn-Staffelung war mit Sattlberger-Oswald-Seidl zwar recht klar, allerdings waren die Durchschnittspositionen sehr eng beieinander, wodurch es schwer war, die Spieler in formative Schubladen zu stecken. Seidl positionierte sich häufig tief, um mehr Raum vor sich zu haben und im Konter das Spiel schnell zu machen. Aber selbst der erneut sehr starke Sattlberger rückte häufig clever in die höheren Räume vor, um Bälle zu verteilen, oder im Gegenpressing zu helfen.

Eher ein 4-3-3 als ein 4-2-3-1

Die Spielanlage, die Grüll und Kühn auf den Platz brachten, sorgte dafür, dass Rapid im Grunde nur auf dem Papier in einem 4-2-3-1 auflief. Viel mehr war es ein 4-3-3, das man diesmal in grün-weiß sah. Grüll und Kühn spielten praktisch auf einer Höhe mit Solospitze Mayulu, wechselten immer wieder die Seiten, um die gegnerische Ordnung zu stören, agierten sehr zielgerichtet, häufig auch invers.

Konservative Ausrichtung der Außenverteidiger

Abgefedert wurde dies durch die konservative Positionierung der Außenverteidiger, die eher eine absichernde Rolle einnahmen und nur selten richtig hoch schoben. Die Sturm-Außenverteidiger Gazibegovic und Schnegg waren im Vergleich recht deutlich offensiver ausgerichtet. Genutzt wurden sie allerdings kaum und Sturm versuchte insgesamt zu häufig das recht dicht zugestellte Zentrum zu bespielen, anstatt die Flügel zu nützen. Da sowohl Gazibegovic, als auch Schnegg keinen besonderen Tag erwischten und fehleranfällig waren, fehlte Sturm bei den Versuchen, über die Seite zu kommen, ein wenig der Esprit und die Dynamik.

Bärenstarker Querfeld

Und so blieben auch die Zentrumsakteure der Grazer weitgehend blass. Gorenc Stankovic war nicht der dominante Faktor, der er häufig ist und auch der Georgier Otar Kiteishvili konnte seine Topform in diesem Spiel nicht bestätigen und hatte Probleme mit den energisch verteidigenden Rapidlern und der engen Defensivformation der Grün-Weißen. Auf Seiten der Barisic-Elf war vor allem Innenverteidiger Leopold Querfeld ein absolutes Role Model. Der U21-Teamspieler führte seine Zweikämpfe enorm sicher und präzise, war auch im Spielaufbau weitgehend fehlerfrei und stellte Sturm mit seinen genauen Diagonalpässen im Aufbau immer wieder vor Probleme. Diese aufreißenden Pässe zwangen Sturm immer wieder zum Verschieben, was sich in der zweiten Halbzeit schließlich auch in der Frische der Grazer niederschlagen sollte. Die Donnerstagspartie gegen Sporting spürte die Ilzer-Elf sichtlich.

Grazer Fehlerkette führt zum 1:0, aber Sturm antwortet prompt

In der ersten Halbzeit spielte sich alles jedoch noch auf Augenhöhe ab. Rapid ging nach 21 Minuten grundsätzlich verdient in Führung: Ursprung der Aktion, die zum Tor führte, war ein gut geführter Zweikampf von Maximilian Hofmann gegen Sarkaria, nachdem er stark aus dem Abwehrverbund schob, um nach vorne zu verteidigen. Oswald bediente schließlich Grüll mit einem cleveren Pass, der den schwachen Defensivlaufweg von Gazibegovic ausnützte. Seine Hereingabe schloss Seidl sofort ab, Scherpen reagierte unglücklich, Schnegg fabrizierte von Mayulu bedrängt das Eigentor.

Es war also eine Aktion, bei der bei Sturm praktisch gar nichts zusammenpasste. Aber noch waren die Grazer aufmerksam genug, um sofort zurückzuschlagen. Nur vier Minuten später brachte Sturm in der nächsten Offensivaktion sehr viele Spieler vor den Ball, insgesamt acht Mann ins letzte Drittel. Für Rapid war die ursprünglich eher ungefährliche Situation demnach schwer zu verteidigen, weil Sturm so viele mögliche Anspielstationen schaffte. Schlussendlich war es Prass, der nach einem Abschlussversuch von Gorenc Stankovic etwas glücklich an den Ball kam und schön zum 1:1 ins lange Eck traf.

Rapid macht sich mit Kleinigkeiten das Leben schwer

Nach dem Ausgleich durch Prass verlief die restliche erste Halbzeit ausgeglichen, mit wenigen Chancen auf beiden Seiten. Während Sturm die insgesamt hohe Strafraumpräsenz kaum ausnutzen konnte, stand sich Rapid mit kleinen Konzentrationsschwächen und Schlampigkeitsfehlern selbst im Weg. Sei es bei einem ungünstigen Querpass von Kühn, der nicht den besser postierten Grüll, sondern den dahinter wartenden Oswald anspielte, oder auch bei Kleinigkeiten, wie etwa Einwürfen.

Unterbrechung stört Rapids Rhythmus

Rapid stellte diese Fehler in der zweiten Halbzeit – vorerst – ab und kam besser aus der Pause, als die Grazer. Die Hausherren wirkten spielerisch griffiger und näherten sich schließlich auch dem Führungstreffer an. Die beste Chance hatte Seidl nach einem Pass von Grüll, der vom mit der Zeit stärker werdenden Oswald per Diagonalball bedient wurde. Doch eine Unterbrechung aufgrund von zu hoher Rauchentwicklung nach einem Teil der eindrucksvollen Ultras-Geburtstagschoreo, knickte den Rhythmus der Gastgeber. Nach der neunminütigen Pause war Rapid nicht mehr so gut im Spiel drin und Sturm konnte sich stabilisieren – weiterhin ohne besonders gefährlich zu werden. Bereits zum dritten Mal in Folge kam Sturm auf weniger als 1.0xG. Am Ende hieß die xG-Statistik 1.72 : 0.72 für die Wiener, was die Kräfteverhältnisse auch gut widerspiegelte.

Mayulu vergibt ersten Matchball

Denn kurze Zeit später hätte Rapid führen müssen. Zu Beginn der Rapid-Viertelstunde, die aufgrund der langen Unterbrechung und daraus resultierenden Nachspielzeit diesmal eher eine Rapid-Halbestunde war, hätte Fally Mayulu das 2:1 erzielen müssen. Den nicht idealen, aber dennoch verwertbaren Pass von Kühn setzte der junge Franzose aber stümperhaft übers Tor. Rapid eröffnete die Chance einmal mehr über einen guten Longline-Ball am Flügel. Mit diesem Stilmittel nutzte man immer wieder die hohe Feldposition der Außenverteidiger und überspielte diese gut und präzise.

Strunz verstolpert zweiten Matchball

Einen zweiten Matchball fand schließlich auch noch der eingewechselte Oliver Strunz vor, der frei am Elfmeterpunkt zum Abschluss gekommen wäre, den Ball jedoch verstolperte. Diese Aktion fand demnach nicht mal den Einzug in die xG-Statistik des Spiels. Strunz ist definitiv einer der Rapid-Spieler, die langsam wieder liefern sollten. Gerade durch den Ausfall von Guido Burgstaller hat er, ebenso wie Mayulu, immer wieder die Chance, sich zu beweisen. Allerdings fällt er hauptsächlich durch fehlenden Zug, wenig Hunger und technische Fehler auf. Nicht nur, dass Burgstaller bald wieder einsatzfähig sein sollte, macht bei den Amateuren auch Jovan Zivkovic, Rapids aktuell größtes Talent, auf sich aufmerksam und drängt nach oben. Während Mayulu noch etwas Zeit gegeben werden muss, kann man dem immer wieder von Barisic hochgelobten, 23-jährigen Strunz auch schon mal die Rute ins Fenster stellen. Nicht nur wegen der einen, vergebenen Chance in der Nachspielzeit, sondern auch wegen der allgemeinen Körpersprache und fehlenden Intensität in seinem Spiel.

Rapid hadert mit Kaderdichte, Sturm muss EL-Strapazen Tribut zollen

Allgemein konnte Rapid von der Bank nur wenig nachlegen – Patrick Greil kam in 15 Einsatzminuten nur auf zwei Pässe. Beide nach hinten. Einzig Neuzugang Grgic erwies sich als wertvoller Einwechsler. Umso überraschender war es, dass Rapid die Partie dennoch bis zum Ende gut im Griff hatte. Zwar vergab Jon Gorenc Stankovic nach etwa 100 Minuten auch noch die letzte gute Chance für Sturm, aber wohl aufgrund der strapaziösen Woche für Sturm Graz war Rapid dem Sieg schlussendlich näher.

Derby entscheidet darüber, was das Remis „wert“ ist

Dennoch steht unterm Strich wieder nur ein Remis – das vierte im achten Bundesligaspiel für die Wiener. Der Punkteschnitt von 1,25 ist unzufriedenstellend, der siebte Platz zwar nur eine Momentaufnahme, aber auch ein Zeichen dafür, dass eine grundsätzlich nicht schlecht auftretende, wenn auch launenhafte Rapid-Elf, langsam die einfachen Fehler und das naive Spiel abstellen und punkten muss. Der Punkt gegen Sturm ist im Grunde kein schlechtes Ergebnis, aber auch nur dann wertvoll, wenn am kommenden Sonntag das Derby in Wien-Favoriten gewonnen wird…

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen