Schon mehrmals – beginnend bei der Aviophobie zweier Salzburg-Spieler – wurde in dieser Serie über Flugreisen von Fußballmannschaften berichtet. So soll es auch heute... Anekdote zum Sonntag (195) – Als die Admira „in der Luft hing“

Schon mehrmals – beginnend bei der Aviophobie zweier Salzburg-Spieler – wurde in dieser Serie über Flugreisen von Fußballmannschaften berichtet. So soll es auch heute sein: Wir gehen an Bord einer „Iljuschin“ und beamen uns zurück zum Charterflug Preßburg‑Dnipro (damals: Dnipropetrowsk), den Anfang der 90er die Admira buchte um zum UEFA-Cup‑Heimspiel gegen FK Dnipro in die Ukraine zu reisen. Der Flug klappte problemlos, doch kurz vor der geplanten Ankunftszeit ging die Tür des Cockpits auf und der Pilot – ein bulliger Russe mit grimmigem Gesicht – lief mit flotten Schritten den Gang hinunter. Nachdem sich dieses Schauspiel mehrfach wiederholt hatte, machte sich Unruhe bei den Passagieren breit. Schließlich waren „Iljuschins“ nicht dafür bekannt die sichersten Flugzeuge zu sein. Sogar Schmähbruder und Rapidlegende Herbert „Funki“ Feurer – damals Tormann-Trainer der Südstädter – kam schließlich kein Witz mehr über die Lippen: Kreidebleich saß der Ex-Goalie auf seinem Sitzplatz und starrte vor sich hin.

Endlich machte die Stewardess eine Durchsage: Aufgrund starken Windes in Dnipro könne der Pilot den Landeanflug nicht einleiten und der Flieger müsse daher über dem Flughafen kreisen. Auf den Gesichtern der Reisenden war daraufhin etwas Entspannung zu erkennen; die meisten waren überzeugt, dass der Spuk nach kurzer Zeit vorbei wäre. Tja. Es vergingen 30 Minuten, dann war eine ganze Stunde um. Als schließlich die Zeit eines Fußballmatches ohne Nachspielzeit verstrichen war, waren die Fluggäste nicht nur genervt, sondern erneut beunruhigt. Schließlich war die „Iljuschin“ bei ihren Manövern einige Male durch Turbulenzen ordentlich durchgeschüttelt worden, die Maschine krachte und knackte. Die Stewardess verlautbarte, dass – nachdem sich der Sturm nicht legen wolle – nunmehr eine Zwischenlandung in Kiew eingelegt werden müsse. Rund neun Autostunden vom eigentlichen Ziel entfernt, würde die Crew beratschlagen, wie es weitergehen solle.

Einem Journalisten, der die Admira damals zu diesem internationalen Spiel begleitete, kamen die Geschehnisse spanisch vor: Peter Elstner hegte zunehmenden den Verdacht, der FK Dnipro habe bei der Flugverzögerung seine Finger im Spiel. Insbesondere mit dem außerplanmäßigen Halt in Kiew hatte sich das Pilotenduo bei Elstner verdächtig gemacht. Der Sportreporter ersann eine List: Am Flughafen der ukrainischen Hauptstadt ging er zu einem Münztelefon und ließ sich mit dem UEFA-Hauptquartier in Nyon verbinden. Dort fragte er nach, ob der türkische Schiedsrichter und der schottische Delegierte, der die morgige Partie beobachten sollte, problemlos in Dnipro hätten landen können. Die Chefsekretärin des zuständigen Büros bejahte dies: Beide Herren seien per Flugzeug und ohne Verzögerung nachmittags angekommen. Starker Wind? Fehlanzeige! Elstner war sich nun sicher, dass der „Phantom-Sturm“ über Dnipro in Wirklichkeit eine Finte des ukrainischen Vereins war, um die Spieler des neunfachen österreichischen Meisters um wertvolle Regenerationszeit zu bringen. Später sollte Elstner herausfinden, dass ein Mäzen des gastgebenden Klubs tatsächlich die beiden Piloten des Linienfluges bestochen hatte.

Nach einiger Zeit wurden die Passagiere des Fluges Preßburg‑Dnipro erneut an Bord der uralten „Iljuschin“ gebeten. Der Kapitän versprach einen weiteren Versuch zu unternehmen am geplanten Zielflughafen aufzusetzen, doch nach nur zwanzig Minuten Flugzeit meldete sich der Kapitän in radebrechendem Englisch aus dem Cockpit: „It’s again not possible to land in Dnipro.“ Er verkündete, dass man nun in Krywyj Rih – „nur“ 138 Kilometer von Dnipro entfernt – endgültig halten würde. Am nächsten Tag sollten die Fluggäste mit einem Bus zum ursprünglichen Ziel gebracht werden.

Die Maschine setzte auf einem desolaten Militärflughafen auf und die Crew der „Iljuschin“ machte sich rasch aus dem Staub. Plötzlich waren die Fluggäste, die großteils aus der Kampfmannschaft der Admira, dem Betreuerteam und der Vereinsdelegation, sowie einigen Journalisten und hartgesottenen Schlachtenbummlern bestand, allein. Einzig einen Sicherheitswachmann und eine Putzfrau entdeckte Elstner in der riesigen Flughafenhalle. Die Vereinsführung debattierte lautstark, wie es nun weitergehen solle. Der damalige Admira-Trainer Constantini kochte vor Wut: Er verordnete seinen erschöpften Spielern zunächst eine Pause mit Jause. Glücklicherweise hatte der Zeugwart etwas Proviant eingepackt und somit verdrückten die Spieler im ukrainischen Nirgendwo mitgebrachte Weckerln. Dazu gab es Kaffee und Tee aus der Thermoskanne. So gestärkt improvisierten die Profis eine kleine Aktivierungseinheit mit mitgebrachten Bällen. Währenddessen kundschafteten Feurer und Constantini die Gegend aus und führten alle Reisenden spätabends zu einer nahen Baracke. Mit einem Zuständigen hatte man ausgemacht, diesen Ort als Übernachtungsmöglichkeit nutzen zu dürfen. Spieler und Fans machten es sich in Eisenstockbetten – so gut es ging – gemütlich. Constantini spuckte beinahe Blut: „Was da abgeht, habe ich noch nie an Manipulation erlebt!“, schnaubte der Tiroler. Es sollte aber noch schlimmer kommen:

Als den Österreichern am nächsten Tag von der Flughafenverwaltung statt des Busses wieder ein Flugzeug präsentiert wurde, drehte Constantini fast durch: Er forderte sofort das versprochene Transportmittel, schließlich hatte er von weiteren Zwischenfällen in der Luft genug. Zum Erstaunen aller fuhr prompt ein Bus mit Polizeieskorte vor, der die Mannschaft bis kurz vor Dnipro brachte. Als alle Passagiere froh waren quasi am Ziel zu sein, kam es erneut zu einem verhängnisvollen „Zufall“: Dem Team wurde gemeldet, dass ein Begleitfahrzeug eine Panne habe, weswegen ein Weiterfahren der gesamten Eskorte nicht möglich sei. Constantini riss nun endgültig der Geduldsfaden: Er drohte damit sofort nachhause zu fliegen und sämtliche Vorkommnisse der UEFA zu melden, was eine Überprüfung der Wetterverhältnisse rund um Dnipro zur Folge gehabt hätte. Schließlich gaben die Ukrainer auf und die Admiraner erreichten das gebuchte Hotel, wo sie sich zumindest zu einem Mittagsschläfchen hinlegen konnten.

Letztendlich waren die eingeleiteten Verzögerungen aber zu viel für die Niederösterreicher und am Abend waren sie zu ausgepowert, um der Kontermannschaft des FK Dnipro drei Punkte abzuringen. Die Schwarz-Weiß-Roten kämpften zwar wie die Löwen, brachen aber nach Thomas Zinglers Platzverweis rund zehn Minuten vor Schluss auseinander: Die Ukrainer gewannen ihr Heimspiel mit 1:0 und auch in der Südstadt sollte Dnipro einen 3:2-Sieg einfahren, weshalb das Europacup-Abenteuer der Admira in der Saison 1992/93 schon in der ersten Runde ein Ende fand. Nicht die Niederlagen aber die bösartigen Aktionen, die sich Dnipro einfallen hatten lassen, lagen Constantini und Co. noch lange Zeit im Magen. Im modernen Reiseverkehr sind solche Manipulation heute – zum Glück – kaum mehr möglich.

Marie Samstag