Was die Spatzen schon länger von den Dächern pfiffen, ist nun Gewissheit: Der Wiener Austria wurde in der ersten Instanz die Lizenz für die... Kommentar: Der violette Scherbenhaufen

Was die Spatzen schon länger von den Dächern pfiffen, ist nun Gewissheit: Der Wiener Austria wurde in der ersten Instanz die Lizenz für die kommende Bundesliga-Saison verweigert. Dabei kommt diese Entwicklung zwar nicht gänzlich überraschend, dennoch wurde nach der Vorstellung des neuen strategischen Partners die Hoffnung zumindest erweckt, man würde nun in bessere Zeiten aufbrechen. Stattdessen steht man nun vor dem Abgrund und muss innerhalb weniger Tage Unterlagen nachreichen, sonst droht der totale Absturz in die Bedeutungslosigkeit.

Sportlicher (Krisen)Bereich rückt in den Hintergrund

Eigentlich hätte sich dieser Artikel um die Entscheidung von Peter Stöger drehen sollen und welche Auswirkungen der Abgang der Klub-Ikone auf die Zukunft der Violetten hat. Nun rückt aber der sportliche Aspekt bei der Austria wieder einmal in den Hintergrund, stattdessen geht es jetzt um den Fortbestand des Vereins. Dabei hatte der Entschluss von Stöger zweifellos mit dieser zu erwartenden Entscheidung des Senat 5 zu tun und die daraus resultierende mangelnde Perspektive für die Zukunft. Dass es dabei intern schon länger zwischen den Parteien brodelte, konnte man auch am Entschluss von Stöger erkennen, sich nicht an die vereinbarte Kommunikationsstrategie zu halten, sondern spontan den eigenen Abschied zu verkünden. Was bewog Stöger dazu? Angesprochen darauf, dass Markus Kraetschmer vor der Partie im Interview zu Protokoll gab, Stöger „gute Rahmenbedingungen“ für die Zukunft zur Verfügung stellen zu wollen, um ihn vom Verbleib zu überzeugen, platzte Stöger sichtlich der Kragen und er gab seinen Abschied aus dem Affekt heraus doch frühzeitig bekannt. Bei Stöger war schlicht der Punkt erreicht, wo er dieses hinauszögernde und nichtssagende Handeln der violetten Verantwortlichen nicht mehr mittragen konnte und stattdessen Klarheit schaffen wollte – etwas, was er schon lange einforderte und bei seinen Kollegen im Verein vermisste.

Alleine an der Entscheidung hätte man schon ablesen können, dass einiges hinter den Kulissen bei der Austria im Argen liegt. Klarheit oder eine gewisse Transparenz gab es bei den Violetten in den letzten Monaten kaum, sondern stattdessen viele Beschwichtigungen. Man wusste schon länger, dass es um die finanziellen Angelegenheiten des Klubs nicht gut bestellt ist und die anstehende Lizenzvergabe hing seit Monaten wie ein Damoklesschwert über den Verein. Immer wieder wurde man von den Verantwortlichen vertröstet und gab zu Protokoll, die Situation sei zwar angespannt, aber nicht existenziell bedrohlich und man würde allen Verpflichtungen nachkommen. Tatsache ist jedoch, dass die Austria schon länger in den Seilen hing und nur dank einer Erhöhung des Kreditrahmens der Gläubigerbank ihre Liquidität aufrechterhalten konnte. Das was im Argen lag, konnte man auch daran ablesen, dass die Veröffentlichung des Geschäftsberichts monatelang hinausgezögert wurde und das, wie wir nun wissen, aus gutem Grund.

Schon die Wertberichtigung zweier Sponsoren (u.a. aus dem arabischen Raum) in zweistelliger Millionenhöhe warf einige Fragen auf. Wie konnte es dazu kommen, dass man dieses Geld scheinbar verplante, ohne je einen Cent gesehen zu haben. Vom „vorsichtigen Kaufmann“, welchen Markus Kraetschmer immer wieder propagierte, war hier scheinbar wenig zu sehen. Genauso fraglich mutete die fadenscheinige Argumentation an, man könne das Geld schlicht nicht einklagen, da man ansonsten ein schlechtes Bild abwerfen und mögliche Sponsoren vergraulen würde. Wozu schriftliche Verträge dann aufgesetzt und unterschrieben werden, wenn sie nicht durchgesetzt werden, sei mal dahingestellt. Das Tragische an der Sache ist, dass es nicht einmal eine Pandemie gebraucht hätte, um die finanziellen Schwierigkeiten zu erklären. Ohne Covid-19, wäre schon eine Erteilung der Lizenz im vergangenen Jahr eine große Herausforderung gewesen. Für die Verantwortlichen war es daher mehr oder weniger ein Glücksfall wenn man so will, denn ansonsten wäre die Misswirtschaft schon früher aufgeflogen.

Erfolgslose Sponsorensuche und eine leere Brust

Dass die sportliche Talfahrt einen großen Anteil an den finanziellen Problemen hat, ist dabei zweifellos unbestritten. Über die Hülle und Fülle der sportlichen Fehlentscheidungen und der daraus resultierenden finanziellen Belastungen, könnte man ein eigenes Kapitel aufschlagen. Fakt ist jedoch, dass die Finanzplanung immer darauf ausgelegt war, konstant unter den besten drei Mannschaften in der Liga zu liegen, sich für den Europacup zu qualifizieren und einen Zuschauerschnitt von 10.000 Fans zu erreichen. Mit den Möglichkeiten und dem Top-3-Budget, welches man eigentlich zur Verfügung hat, klingt das auch nicht utopisch. Wenn man jedoch einmal in eine Negativspirale gerät, dann kommt man nur schwer da wieder heraus. Die letzten Jahre der Austria sind ein Paradebeispiel dafür, da man laufend die sportlichen Ziele nicht erreichte und daraus negative Effekte resultierten, die sich auch finanziell bemerkbar machten. Kein Europacup, keine teuren Spielerverkäufe, weniger Fans im Stadion und kaum neue Sponsoren. Damit wird jeder Business-Case und eine saubere Finanzplanung erschwert.

Jedoch ist das nur ein Teil der Wahrheit. Fakt ist auch, dass gewisse Kreise der Austria sich nach Größerem sehnten und den ganz großen Coup landen wollten. Geblendet von dem Gazprom-Glücksfall, der sich aufgrund politischer Netzwerke ergab und den Violetten einen Geldregen bescherte, wollte Markus Kraetschmer auf die „Internationalisierung“ setzen und sich auf diesen Markt fokussieren, um neue Gelder zu lukrieren. In dem Kontext wurde dann auch der Beschluss gefasst, offen für den Verkauf von Anteilen an der AG der Austria zu sein und sich einen strategischen Partner ins Boot zu holen. Doch schon dieses Vorhaben stand bereits auf wackligen Beinen, hatte man doch schon Probleme damit, einen Brustsponsor aufzustellen. Wäre der erzviolette Unternehmer und Vizepräsident Raimund Harreither nicht mit BWT kurzfristig eingesprungen, hätte man schon vor mehr als zwei Jahren ohne Brustsponsor auflaufen müssen. Man argumentierte damals, dass man sich nicht unter Wert verkaufen wollte und lieber eine ausführlichere Suche anstrebte, statt kurzfristig das schnelle Geld zu bevorzugen.

De facto gelang es aber seit knapp zwei Jahren nicht, einen passenden Trikotsponsor zu präsentieren und diese Suche abzuschließen. In diesem Zeitraum war mehrmals zu vernehmen, dass man knapp vor einem Abschluss stehe und es sich nur um Wochen handelt, bis man Vollzug melden kann. Jedes Mal wurde man vertröstet und es wurde in weiterer Folge nichts daraus, wofür man dann in den letzten Monaten zumindest den Lockdown oder den Anschlag in Wien verantwortlich machte. Es mutet äußerst eigenwillig an, dass ein Klub der Größe und der Strahlkraft der Austria über Jahre nicht in der Lage ist, einen Trikotsponsor aufzustellen. Ob es daran liegt, dass man sich für einige Angebote schlicht zu Schade war oder es nicht gelingt, einen Sponsor aufzustellen – so oder so wirft dies kein gutes Bild auf die Verantwortlichen ab. Wenn man sich den Aufsichts- und Verwaltungsrat der Violetten ansieht, wären da genügend Leute dabei, die das notwendige Netzwerk und den Einfluss mitbringen müssten. Dieses wird allerdings nicht genutzt und hier Potenzial liegengelassen. Stattdessen fehlen aber diese wichtigen Einnahmen, die auch Einfluss auf das Budget und die finanziellen Planungen hätten.

Strategische Partnerschaft als Zwangslösung?

All das führte dazu, dass der Fokus immer stärker in Richtung Investor oder euphemistisch gesagt auf den „strategischen Partner“ gelegt wurde. Plötzlich war nicht mehr die Rede davon, dass man nur 25 Prozent der Anteile abgeben wolle, sondern auch dafür offen sei 49,9 Prozent zum Verkauf freizugeben. Man setzte sich einen Zeitrahmen von 18 Monaten, bis man einen passenden Partner präsentieren wollte, um auch die eigene Zukunft abzusichern. Mit dem Beginn der Corona-Pandemie wurde dies intensiviert, da die Notwendigkeit bestand, das große Minus von 18 Millionen Euro auszugleichen und man dringend Liquidität und frische Geldmittel brauchte. Lange Zeit tat sich in diesem Bereich nichts, auch wenn man einige (erfolglose) Gespräche führte. Darunter waren verschiedenste Modelle angesiedelt, sowohl eine inländische Variante mit einer Gruppe ähnlich jener der „Freunde des LASK“, aber auch die klassischen Investorenmodelle unter anderem aus dem arabischen Raum. Interessant ist dabei auch, dass in einigen dieser Modelle, Markus Kraetschmer keine Rolle mehr gespielt hätte.

Man entschied sich letztlich für die Insignia-Group, eine Firma, die Dienstleistungen für ein exklusives Klientel zur Verfügung stellt. Bis zum heutigen Tag blickt man in diesem Konstrukt mit der neu geschaffenen GmbH nicht wirklich durch und kann auch kein Urteil fällen, inwieweit dieses Modell Zukunft und Vorteile für den Verein hat. Verkündet wurde bei der Präsentation, dass Insignia gewisse Garantien hinterlegt hat, um die finanzielle Sicherheit für die Violetten zu schaffen. Des Weiteren war die Rede davon, dass man auch finanzielle Mittel bereitstellt und die erste Rate im April fällig ist. Mit diesen Garantien sollte die Lizenz gesichert werden und war auch die Lizenzabgabe immer wieder die von Markus Kraetschmer kommunizierte Deadline, bis zu der man den strategischen Partner vorstellen wollte.

Zur Verwunderung aller will Insignia nun nichts mehr von Verpflichtungen bezüglich der Lizenz wissen und lässt ausrichten, dass dies eine Angelegenheit des Vereins sei. Daher stellt sich immer mehr die Frage, von welchen Bankgarantien bei der Präsentation die Rede war? Inwieweit hat Insignia bislang überhaupt eine Leistung erbracht, abgesehen davon große Versprechungen abzulegen? Wenn diese Sicherheiten bzw. Bankgarantien vorhanden wären, dann wäre die Lizenz wohl auch erteilt worden. Denn die Kernaussage für die Partnerschaft der Austria-Verantwortlichen war, dass man mit diesen Sicherheiten und Garantien beruhigter in das Lizenzverfahren gehen kann. Nun lösen sich die Aussagen wieder einmal in Schall und Rauch auf und was bleibt ist eine lizenzlose Austria, die um ihren 110-jährigen Fortbestand bangt.

Es braucht einen Neuanfang

Stück für Stück wird das Bild über die Situation der Austria klarer und es ist offensichtlich, dass viele Fehler zu dem jetzigen Fiasko geführt haben. Deswegen stehen die Violetten nun auch mit dem Rücken zur Wand und müssen hoffen, dass die nachgereichten Unterlagen, die man bereits vor dem Lizenzentscheid übermittelte, ausreichen, um die Lizenz in der zweiten Instanz zu bekommen. Interne Stimmen sind diesbezüglich zwar positiv gestimmt und man ist sich schon länger darüber im Klaren gewesen, dass die Erteilung der Lizenz in der ersten Instanz eher unwahrscheinlich sei, weshalb man auch lange vor der Entscheidung Vorarbeit leistete und die fehlenden Unterlagen am 8. April nachreichte. Wie verheerend diese Außendarstellung der Austria dennoch gerade ist, kann man nur schwer in Worte fassen. Die Tatsache, dass die WSG Tirol etwa die Lizenz ohne Auflagen erteilt bekam, und das obwohl mit Swarovski der Hauptgeldgeber nicht mehr an Board ist, zeugt davon, wie gravierend diese Entscheidung in der Lizenzfrage ist.

Klar ist jedoch, dass es für die vergangenen Monate und Jahre Konsequenzen geben und jemand zur Verantwortung gezogen werden muss. Daher löste die Ankündigung über die bevorstehende Verlängerung von Markus Kraetschmer einiges an Verwunderung aus, ist doch der „Austria-CEO“ als Hauptentscheidungsträger in vielen Bereichen zuständig und der Kurs der Violetten trägt ganz klar seine Handschrift. Natürlich wäre es zu einfach, Kraetschmer für alle Fehlentwicklungen im Verein die Schuld zu geben. Allerdings war sein Krisenmanagement alles andere als passend und die ständigen Ausflüchte und Widersprüchlichkeiten in der Argumentation sind Grund genug, dieses Kapitel endgültig zu schließen und sich von Kraetschmer zu trennen. Daher regte sich nun auch Widerstand im Verein über diese Verkündung und die Verlängerung wird doch nicht als so fix angesehen. So einfach ist die Sachlage allerdings nicht, ist doch Kraetschmer als Geschäftsführer in die mit Insignia neugegründete GmbH eingezogen und soll dort die Interessen der Austria vertreten und wahren.

Das verkompliziert die Sache ungemein, da sofern man sich von Kraetschmer trennt, plötzlich auch diese Frage geklärt werden muss, wie man mit der GmbH und mit Insignia weiterverfahren würde. Daher mehreren sich auch die Stimmen die zu Protokoll geben, dass Kraetschmer bewusst diese Konstruktion mit Insignia priorisiert und vorangetrieben hat, da es auch eng mit seiner Zukunft im Verein verknüpft und diese damit gesichert wird. Das unterstreicht auch immer mehr die Grabenkämpfe innerhalb des Vereins, die die Person Markus Kraetschmer betreffen. Die Gegner des Austria-Vorstands haben in den letzten Monaten immer mehr an Gewicht gewonnen und daraus resultierte auch die Entscheidung für den neuen Vorstand Gerhard Krisch, der ab dem 1. Mai seine Arbeit aufnehmen wird. Nun brodelt es im Verein noch gewaltiger und eine für Freitag einberufene Aufsichtsratssitzung könnte diesbezüglich sehr brisant werden.

Aber auch Präsident Frank Hensel muss sich selbst hinterfragen und hat seinen Teil dazu beigetragen, dass man im Schlamassel steckt und etwa einen Peter Stöger, der eigentlich dazu tendierte weiterzumachen, vertrieben hat. Hensel soll im Alleingang die Verlängerung von Markus Kraetschmer durchgeboxt haben, zu den gleichen Bezügen wie bisher. Das lässt den Aufsichtsrat nun aufhorchen, der in den letzten Jahren vordergründig durch Lethargie und Passivität auffiel. Gerade in den vergangenen Saisonen hätte es ein größeres kritisches Bewusstsein in den Gremien gebraucht, um gewisse Vorgänge frühzeitig zu erkennen und eventuell zu unterbinden. Allerdings ist dies auch ein heikles Thema und ein schmaler Grat, wie man beim Hamburger SV etwa in den letzten Jahren sehen konnte, wo Machtkämpfe den Verein lähmten.

Wie geht es nun weiter? Bis zum 21. April hat man Zeit, alle erforderlichen Unterlagen nachzureichen und die Lizenzunterlagen zu ergänzen. Eine Entscheidung wird es dann am 28. April geben und dies wird auch der Stichtag für die Austria sein, wo sich die weitere Zukunft entscheiden wird. Würde man auch in der zweiten Instanz die Lizenz nicht erhalten, wären die Chancen verschwindend gering, dass man vor dem neutralen Schiedsgericht Recht bekommt. Man dürfte nämlich kein Beweismaterial mehr nachträglich nachreichen und nur gegen das Urteil des Senat 5 – basierend auf dem vorhandenen Material – Einspruch erheben. Einen Hoffnungsschimmer würde es aber noch geben, denn ein neu geschaffener Paragraph in der Bundesliga ermöglicht es, dass auch nach einem eingeleiteten Konkursverfahren ein Abstieg aus der Bundesliga nicht zwingend ist, sofern das Sanierungsverfahren bis zum 30.06.2022 abgeschlossen ist. Man würde zwar mit sechs Minuspunkten in die neue Saison gehen, dürfte nur ablösefreie Transfers tätigen und nicht im Europacup starten, allerdings würde man zumindest in der höchsten Spielklasse verbleiben.

Diese Option ist allerdings auch nicht einfach umzusetzen, da man nur bis zum 21. April diese Möglichkeit hat und daher in den nächsten Tagen entscheiden muss, ob man diesen Weg gehen will. Da man wie erwähnt optimistisch bezüglich der Erteilung der Lizenz in zweiter Instanz ist, wird dieser Gang wohl vermieden werden, da es auch mit einigen Konsequenzen betreffend des Stadions verbunden wäre. Der Austria stehen jedenfalls überlebenswichtige Tage bevor und man vernimmt, dass durch diese Schocknachricht im Hintergrund auch viel Bewegung hineinkam. Man möchte das Ruder doch noch umreißen. Man kann nur hoffen, dass es dafür nicht schon zu spät ist, denn für den österreichischen Profifußball wäre es eine Katastrophe, einen weiteren prestigeträchtigen Verein, der noch dazu eine große Fanbasis mitbringt, zu verlieren. Daher hagelte es auch aus dem ganzen Land – und selbst aus dem westlichen Stadtgebiet – Unterstützungsbekundungen und die Hoffnung, dass die Wiener Austria doch noch die Kurve kratzt. Diesen Rufen kann man sich nur anschließen und auf das Beste hoffen.

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Dalibor Babic