In acht Tagen startet für den SK Rapid die neue Saison mit dem Cup-Auswärtsspiel in Allerheiligen. Immer wieder wird betont, dass man in Hütteldorf... Rapid vor dem Saisonstart: Asse im Ärmel oder allgemeine Verblendung?

In acht Tagen startet für den SK Rapid die neue Saison mit dem Cup-Auswärtsspiel in Allerheiligen. Immer wieder wird betont, dass man in Hütteldorf zuversichtlich und gut für die bevorstehenden Aufgaben vorbereitet ist. Dass man aber – einmal mehr – kurz vor Saisonstart noch lang nicht mit den Planungen fertig ist, ist offensichtlich.

Rapids neuer Sportchef Zoran Barisic ist nun seit 55 Tagen im Amt. Viele Grundlagen für die Bewertung seiner bisherigen Arbeit gibt es aber bis dato noch nicht: Die beiden Neuzugänge Fountas und Schick gingen noch auf die Kappe seines Vorgängers Fredy Bickel. Barisic sorgte bisher lediglich für eine Entschlackung des Kaders.

Problemkinder abgegeben

Die überfällige Vertragsauflösung mit Ivan Mocinic wurde ebenso durchgesetzt, wie Andrija Pavlovic‘ Leihe zu APOEL Nikosia. Der Serbe stand nicht in Kühbauers Gunst, weil er härtere Trainingseinheiten scheute wie der Teufel das Weihwasser und immer wieder sehr schnell seine anschließenden Wehwehchen für eine Pause nutzte. Aussagen, wonach er nach Zypern wechselt, um international spielen zu können, erledigten sein Standing in der Rapid-Community endgültig. Der Stürmer, der in seinem Antrittsinterview versprach „um jeden Ball zu kämpfen“, hat definitiv auch nach seiner Leihe keinen Auftrag mehr in Hütteldorf.

Weitere „Mentalitätsentschlackung“

Mit Deni Alar und Andrei Ivan wurden zwei weitere Spieler mit Mentalitätsproblemen abgegeben: Alar zieht es nach Bulgarien zu Levski Sofia, ebenso vorerst leihweise, Ivan kehrt nach Krasnodar zurück und braucht eine Leistungsexplosion, um sich beim russischen Topklub durchzusetzen. Eine weitere Leihe – die des 20-jährigen Innenverteidigers Patrick Obermüller nach Hartberg – erscheint sinnvoll. Alex Sobczyk wurde fix abgegeben und wechselt zu Spartak Trnava.

Bolingoli wechselt den Klub, aber nicht die Farben

Immerhin einen Millionenabgang konnte Rapid bisher verbuchen: Boli Bolingoli wechselte um kolportierte 3,3 Millionen Euro zu Celtic Glasgow und gab bei den Schotten bereits sein Debüt in der Champions-League-Qualifikation. Der Abgang des Belgiers war vorhersehbar, Bolingolis Entscheidung nach Schottland und nicht in die englische Premier League zu wechseln, clever. Im letzten Test gegen den FK Jablonec wurde Bolingoli durch Neuzugang Schick ersetzt, der eigentlich für die rechte Seite eingeplant war, wo wiederum Müldür überzeugen konnte.

3-5-2 als „Hauptsystem“

Trainer Kühbauer forcierte in der bisherigen Vorbereitung das moderne 3-5-2-System mit offensiv ausgerichteten Flügelverteidigern. Angesichts der Souveränität von Grahovac auf der Sechs ist das System derzeit im Detail als 3-1-4-2 zu bezeichnen. Das in den vergangenen Jahren praktizierte 4-2-3-1-System wurde in der Vorbereitung – zumindest in den Testspielen – weitgehend vernachlässigt, was etwas verwundert. Gerade was gruppentaktische Abläufe und Pressing betrifft, wurde diese Formation noch lange nicht perfektioniert. Dennoch wird immer wieder betont, dass beide Systeme zum Einsatz kommen sollen. Der massive Fokus auf das 3-5-2-System in der Vorbereitung spricht allerdings nicht dafür – es dürfte sich hier tatsächlich um Rapids „Hauptsystem“ handeln, ansonsten hätte man das 4-2-3-1 mehreren Stresstests unterzogen. Dass dieses nämlich auch noch nicht funktionierte, zeigt schlichtweg der Ausgang der vergangenen Saison.

Neuer Stürmer demnächst, aber…

Im 3-5-2 hat Rapid nun aber zumindest zwei personelle Probleme. Aliou Badji ist der einzige „echte“ Stürmer im Rapid-Kader. Schobesberger und Fountas könnten die tiefgehende Rolle neben ihm einnehmen, sind aber jeweils keine Ideallösungen für diese Position. Arase zeigte sich im Trainingslager verbessert, ist aber weiterhin „der Junge, der angreifen soll“ und noch kein potentieller Leistungsträger. Ein neuer Stürmer soll zeitnah kommen und Rapid im Angriff dynamischer und unberechenbarer machen. Es soll ein Angreifer sein, der neben Badji funktioniert und auch anstelle des Senegalesen in einem 4-2-3-1 spielen könnte. Die Stürmersuche Rapids beherrscht derzeit die Medienwelt, sobald es um Grün-Weiß geht. Die deutlich größere Baustelle Rapids wird aber von der Öffentlichkeit vernachlässigt.

…Bolingoli als systematisch schwerwiegendster Abgang

Wenn Rapid nämlich tatsächlich ein 3-5-2-System perfektionieren will, ist Bolingolis bisher ersatzloser Abgang so ziemlich das schwerwiegendste, was passieren konnte und es ist äußerst verwunderlich, dass diese Personalie noch nicht ersetzt wurde. Jeder Verein arbeitet im Scouting mit „Schattenmannschaften“, also mit Listen, die für jede Position genau definieren, wer die nächsten Wunschspieler als Ersatz für einen Abgang wären. Die Position eines Flügelverteidigers ist für das 3-5-2 derartig essentiell und wichtig, dass gerade hier eine Menge Namen stehen müssten. Neun Tage nach Bolingolis Abgang nach Glasgow herrscht aber immer noch Stille über seinen Ersatz.

Die Öffentlichkeit tappt im Dunkeln

Dies ist auch durchaus ein neuer Pluspunkt, den Zoran Barisic als Sportchef aufbaute. Im Gegensatz zu Fredy Bickel, der die Öffentlichkeit fast schon offensiv über den Status von Verhandlungen informierte, dringt unter Barisic nichts an die Öffentlichkeit. Sehr wünschenswert, sehr lobenswert – es kann kein Nachteil für Rapid sein und wird sicher auch positive Auswirkungen auf den Preis eines Spielers haben. Somit ist auch schwer einzuschätzen, wie es um einen neuen Flügelverteidiger anstelle von Bolingoli steht: Zwischen „das perfekte Ass im Ärmel haben“ und „komplett verzweifelt sein“ scheint alles möglich…

Neuer Flügelverteidiger sollte höhere Priorität haben

Gegen eine perfekte Lösung im Talon spricht aber, dass Bolingoli bereits vor neun Tagen wechselte und sein Abgang auch davor bereits einige Tage abzusehen war. Celtic machte es umgekehrt: Die Hoops holten erst Bolingoli, ehe man seinen Jungstar Kieran Tierney in Verhandlungen mit seinen Interessenten Arsenal und Napoli eintreten ließ – und bei dem beträgt die kolportierte Ablösesumme knapp 20 Millionen. Bei Rapid wird Bolingoli derzeit mit bestehendem Spielermaterial ersetzt: Schick musste nach links ausweichen, obwohl er davor in der Vorbereitung rechts eine gute Figur machte. Die Flügelverteidigerpositionen können nun durch Schick, Müldür, Potzmann, Thurnwald, Auer, notfalls auch Fountas abgedeckt werden, wobei Schick und Müldür in der aktuellen Lage jeweils nicht auf ihrer Idealposition spielen würden. Gerade im Zuge einer Umstellung auf eine Dreierkette und zwei Flügelverteidiger wäre der notwendige Bolingoli-Ersatz eine Art Königstransfer. Aber trotzdem ist eher noch der Stürmer in aller Munde, obwohl dieser eigentlich die zweithöchste Priorität sein müsste.

Auswirkungen auf die Dreierkette

Die Verpflichtung eines Flügelverteidigers anstelle von Bolingoli hat auch auf andere Mannschaftsteile weitreichende Auswirkungen. Etwa auf die Innenverteidigung: Wenn Schick auf seiner etatmäßigen Position als rechter Verteidiger auflaufen kann, würde Müldür auf die rechte Position der Innenverteidigung rutschen. Dies würde wohl eine der stärksten rechten Seiten der Bundesliga kreieren, auch weil Müldür die Aufbaustärke der Dreierkette massiv verbessern würde, aber stattdessen muss Schick ausweichen, um Bolingolis Abgang zu kompensieren. Die Transferzeit läuft noch bis Anfang September, aber – zur Erinnerung – in acht Tagen steht Rapids Pflichtspielauftakt an. In 13 Tagen kommt Red Bull Salzburg nach Hütteldorf und immer wieder hört man, dass dieses Spiel zu einem guten Zeitpunkt kommt, weil Salzburg nach den vielen Abgängen und dem Trainerwechsel womöglich noch nicht ideal eingespielt ist. Ähnliches trifft aber voraussichtlich auf Rapid zu, auch wenn sich bei den Hütteldorfern am Kader deutlich weniger tat.

Kaum sichtbare Verbesserungen am Kader

Rapids Kader ist – Stand jetzt – geringfügig schwächer als der in der Vorsaison. Man verlor Qualität, ist aber mit dem Einkaufprogramm noch nicht fertig. Womöglich noch lange nicht, denn auch Personalien wie Murg, Ljubicic oder Müldür werden noch lange in der Schwebe sein, solange größere Klubs in der laufenden Transferzeit nach Spielern suchen. Kurz vor Saisonbeginn gibt es allerdings noch Lücken im Grundstock. Viele Rapid-Fans bekritteln das Timing, hätten gerne ebendiesen fertigen Grundstock bereits im Trainingslager gesehen, um dann in weiterer Folge nur noch Abgang gegen Zugang zu wechseln und nicht derart grundlegende Parts wie die Einbindung eines neuen linken Flügelverteidigers in den laufenden Spielbetrieb fallenzulassen.

Mentalitätsschwache Spieler abgegeben – aber doch noch nicht zu 100% fertig

Somit ist die einzige echte Errungenschaft der laufenden Transferzeit die weitgehende Beseitigung des Mentalitätsproblems, bedingt durch den Abgang von Alar, Ivan und Co. Wirklich fertig ist man zwar noch nicht, aber es ist doch eine deutliche Richtung zu erkennen. Für Mateo Barac wurde noch kein Abnehmer gefunden, allerdings ist der Kroate aufgrund der neuen Dreierkette momentan auch noch recht wichtig für die Kaderdichte. Weil Richard Windbichler nach Australien wechselte, ist Barac notgedrungen noch ein Thema, aber alleine das Interesse an Windbichler zeigt, dass man auf dieser Position mit den Überlegungen noch nicht fertig ist. Top-Talent Leo Greiml ist Teil des erweiterten Kaders, spielte im Trainingslager regelmäßig, lacht vom Mannschaftsfoto, scheint auf der Website der Hütteldorfer aber nicht im Bereich „Profis“ auf.

Kommunikationsdiskrepanz in Wunschs Rolle

Übrigens genauso wie Nicholas Wunsch und Yusuf Demir. Bei Letzterem ist klar, dass er langsam an die Kampfmannschaft herangeführt werden soll, bei Wunsch ist es allerdings unklar, wieso er nicht auf allen Kanälen als vollwertiges Kadermitglied ausgewiesen wird. Immerhin „nützte“ Barisic seinen Schützling Wunsch vor kurzem in einem Interview über Innsbrucks Jungstar Matthäus Taferner – mittlerweile zu Dynamo Dresden gewechselt – um das mangelnde Interesse am jungen Tiroler zu bekräftigen. Man könne diesen Spieler nicht Wunsch vorsetzen. Eben jenem Wunsch, der zuletzt zwar dabei sein durfte, dann aber offenbar doch nicht zu 100%.

Meister? Warum nicht! Oder: Warum schon…?

Allgemein gibt es von Vereinsseite derzeit die eine oder andere „Verblendung“ um die aktuelle Situation. So fragten Taxiarchis Fountas und Mario Sonnleitner in Interviews (sich selbst), wieso eigentlich nicht der Titel gelingen sollte. Das ist für Rapid-Fans natürlich schön zu hören und im Einklang mit dem Selbstverständnis des Vereins, aber angesichts der vergangenen Saison und der vermeintlich mangelhaften Kaderplanung fernab jeder Realität. Exklusive der Nachwuchshoffnungen verfügt Rapid derzeit gerademal über 17 fitte Feldspieler…

Krammer von Trainingseindrücken begeistert

Im Trainingslager in Bad Zell meldete sich auch der scheidende Rapid-Präsident Michael Krammer zu Wort, gab ein Interview für Rapid-TV. Dabei zeigte er sich begeistert vom intensiven Training und dem Nachdruck im Pressing und Umschaltspiel. Krammer versprach den Fans, dass viel Gutes auf sie zukommt. Bei anderen Gelegenheiten betonte er auch immer wieder, dass das Frühjahr schon richtig gut war und der Weg eindeutig stimmt. Bei Sturm Graz, das sich am Ende der vergangenen Saison gegen Rapid für Europa qualifizierte, sah man das für sich selbst anders

Trainings sind nun mal etwas anderes als Pflichtspiele

Training und Spiel sind zwei Paar Schuhe. Auch unter Djuricin wurde das hochprofessionelle Training unter dem Einsatz modernster Methoden gelobt. Kaum pfiff ein Schiedsrichter vor Publikum an, waren aber wieder die mentalen Blockaden in den Köpfen der Spieler. Positiv zu sein, ist im Fußball das Um und Auf – so vieles spielt sich im Kopf ab und die Rapid-Spieler brauchen nach der verkorksten letzten Saison Selbstvertrauen wie einen Bissen Brot. Aber die Grundlage für diese Ansagen ist falsch – man geht schließlich auch nicht mit guten Testspielergebnissen hausieren.

Bald geht’s los – und es gibt eine Menge Fragezeichen

Für die Öffentlichkeit ist es also eine etwas seltsame Situation, die sich kurz vor Rapids Saisonstart darlegt. Die einen sprechen vom Titel, die anderen versprechen Verbesserungen, so ziemlich alle im Verein sind sich – zumindest nach außen hin – einig, dass das Frühjahr abgesehen vom Ausgang richtig gut verlief. Gleichzeitig dringt nicht nach außen, was Barisic konkret plant und ob man die essentielle Position des linken Flügelverteidigers für das neue System so ernstnimmt, wie sie genommen werden sollte. Entweder ist man sich bei Rapid ob der kommenden Personalentscheidungen so sicher, dass man einen deutlichen Schritt nach vorne machen wird und lacht sich über die öffentliche Unwissenheit ins Fäustchen, oder es hat sich auch über den Sommer nichts an der völlig übertriebenen Selbsteinschätzung geändert.

Was man im Herbst nicht sagen sollte…

Die Doppelbelastung fällt aufgrund des Verpassens des Europacups weg und bietet in der neuen Saison keine Ausrede für schwache Leistungen. Aber auch eine andere Aussage sollte man in Hütteldorf im Laufe der Herbstsaison tunlichst vermeiden, um die Stimmung nicht wieder aufkochen zu lassen: Falls Neuerwerbungen für die Positionen des Stürmers und des linken Flügelverteidigers kommen, darf ihre kurze Zeit im Klub keine Ausrede für Abstimmungsprobleme sein. Man wusste, dass Bolingoli gehen könnte und, dass Pavlovic nicht mehr ins Konzept passt. Darauf hätte man bereits längst reagieren können – nicht erst nach dem Trainingslager. Aber auch hier die Wiederholung der Grundaussage: Kaum jemand weiß, wie hoch Barisic derzeit pokert und was die kommende Woche bringen wird…

Rapids aktuell mögliche Aufstellungen im 3-5-2 und 4-2-3-1. Verletzungen und mögliche Neuverpflichtungen nicht berücksichtigt:

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen

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