Wie so oft am „Deadline Day“ des Transferfensters überschlugen sich auch heute die Ereignisse. Zunächst betonte Markus Katzer in einem Interview, dass die Forderungen... Spieleranalyse: Das ist Rapid-Neuzugang Neraysho Kasanwirjo!

Wie so oft am „Deadline Day“ des Transferfensters überschlugen sich auch heute die Ereignisse. Zunächst betonte Markus Katzer in einem Interview, dass die Forderungen von Feyenoord Rotterdam für den flexiblen Defensivspieler Neraysho Kasanwirjo „unrealistisch“ sind – nun fixierte Rapid aber doch die Leihe des 21-Jährigen!

Rapid leiht den 21-jährigen Niederländer mit surinamischen Wurzeln für ein Jahr aus, besitzt allerdings keine Kaufoption. Diese war schließlich von Feyenoord doch zu hoch angesetzt. Für Rapids aktuelle Probleme ist Kasanwirjo allerdings eine ideale Kurzzeitlösung: Der 185cm große Amsterdamer kann sowohl als Innenverteidiger, als auch als Rechtsverteidiger eingesetzt werden.

Mehrere Defensivspieler auf Katzers Liste

Zuletzt war Rapid an mehreren Abwehrspielern dran. Die Innen- und die Rechtsverteidigung waren die neuralgischen Punkte, die man in Hütteldorf besser besetzt sehen wollte. Marvin Senaya von Strasbourg war etwa ein Kandidat für die Rechtsverteidigung – die Franzosen wollten den 22-Jährigen aber offenbar nur ungern gehen lassen. Für die Innenverteidigung war der 29-jährige Terence Kongolo ein heißer Kandidat. Der Fulham-Legionär wäre als Ersatz für den verletzten Nenad Cvetkovic gedacht gewesen, allerdings war der Niederländer in den letzten Jahren mehrmals schwerer verletzt und somit hätte die Verpflichtung wohl auch ein gewisses Risiko mit sich gebracht.

UPDATE (23:50 Uhr): Rapid nimmt trotzdem Risiko. Keine Stunde vor Ende der Transferzeit wurde auch die Verpflichtung von Terence Kongolo bekanntgegeben. Eine ausführliche Spielerinfo über den 29-jährigen Niederländer findet ihr hier.

Der ehemalige niederländische Juniorenteamspieler Neraysho Kasanwirjo ist somit quasi eine Neuverpflichtung für zwei verschiedene Positionen. Im Laufe seiner Karriere kam der 21-Jährige in etwa 70% der Spiele als Innenverteidiger und in 30% als Rechtsverteidiger zum Einsatz, half da und dort sogar im defensiven Mittelfeld aus.

Ajax-Juwel und U17-Europameister

Kasanwirjo kommt aus der Jugend von Ajax Amsterdam, wo er bis zur zweiten Mannschaft alle Klassen durchlief. Mit der U19 der Amsterdamer wurde er 2019 Juniorenmeister und Cupsieger, im selben Jahr wurde er mit der Niederlande U17-Europameister, unter anderem mit hochtalentierten Mitspielern, wie Naci Ünüvar, Brian Brobbey, Mohamed Taabouni oder Devyne Rensch. Kasanwirjo war in dieser erfolgreichen Mannschaft dritter Innenverteidiger, lief aber auch da und dort als Kapitän auf. Im selben Jahr debütierte er zudem 17-jährig für die zweite Mannschaft von Ajax Amsterdam.

Bis zum Sommer 2021 bestritt der Neo-Rapidler 38 Spiele für die zweite Mannschaft von Ajax, saß zudem in der Kampfmannschaft viermal auf der Bank, kam aber auf keine Einsätze. Weil der Weg in die „Erste“ des Rekordmeisters praktisch nicht realisierbar war, wechselte Kasanwirjo im Juli 2021 ablösefrei nach Groningen, wo er auf Anhieb zum Stammspieler avancierte. In der Saison 2021/22 kam er hauptsächlich als Innenverteidiger, aber auch im defensiven Mittelfeld zum Einsatz, im Herbst 2022 wechselte er auf die rechte Abwehrseite. Unterm Strich kam der laufstarke und kämpferische Defensivspieler auf 52 Einsätze, in denen er drei Tore und einen Assist beisteuerte.

Schwieriger Stand nach Wechsel zu Feyenoord

Erst im vergangenen Jänner schlug schließlich Feyenoord Rotterdam zu, das eine zusätzliche Alternative für die rechte Abwehrseite benötigte. Der Meister ließ sich den Transfer zwei Millionen Euro kosten. Mit Lutsharel Geertruida spielte bei Feyenoord ebenfalls ein etatmäßiger Innenverteidiger auf rechts. Erst im Sommer holte man als zusätzliche Alternative Bart Nieuwkoop, der vom belgischen Top-Klub Union Saint-Gilloise zurückkehrte. Aufgrund dieses Transfers hatte Kasanwirjo noch schlechtere Aussichten auf Einsätze für Feyenoord.

So kam der Defensivmann, der bei Feyenoord einen Vertrag bis 2027 besitzt und wohl auch eher als Langzeitprojekt gedacht ist, bisher nur auf sieben Pflichtspieleinsätze für den Meister, bei dem die Konkurrenz zuletzt ausgesprochen groß war. Fünfmal kam er als Rechtsverteidiger zum Einsatz, je einmal als Innenverteidiger und im defensiven Mittelfeld. In der neuen, laufenden Saison saß er nur dreimal auf der Bank der Rotterdamer und spielte noch nicht.

Gute Balance aus kurzen und langen Bällen

Kasanwirjo ist ein ausgesprochen vielseitiger Spieler, was schon alleine seine Einsätze auf verschiedenen Positionen beweisen. Grundsätzlich wurde er als Innenverteidiger ausgebildet und im Teenager-Alter hatte er körperliche Vorteile gegenüber zahlreichen Gegenspielern, weshalb diese Position anfänglich für ihn prädestiniert war. Durchaus überraschend war dennoch, wie gut er diese Position auch in seiner ersten Saison in der Eredivisie für den FC Groningen abspulte.

Der junge Niederländer spielte sich beim Mittelständler sofort in die erste Mannschaft und spielte seine Partien relativ schnörkellos herunter. Speziell im tiefen Verteidigen hat Kasanwirjo klare Vorzüge und auch im Aufbauspiel ist seine Balance aus kurzen und langen Pässen gut. Lange Pässe aus der Verteidigung heraus sind durchaus als Stärken des 21-Jährigen zu bezeichnen. Kasanwirjo verfügt über ein hohes Maß an Passgenauigkeit, auch über weitere Distanzen, kann diese Stärke aber eindeutig am besten aus einer Halbposition heraus ausspielen. Auch als Außenverteidiger versucht er immer wieder lange Bälle hinter die gegnerische Kette zu platzieren, um Tiefenläufer in Szene zu setzen, allerdings gelingt ihm das aus der halbrechten Aufbauposition am besten.

Passunterschiede bei verschiedenen Körperhaltungen

Ein wichtiger Passabnehmer für Kasanwirjo – sofern dieser in der Innenverteidigung aufläuft – ist zumeist der vorgelagerte, nach rechts pendelnde Sechser/Achter. Das wäre bei Rapid aktuell Roman Kerschbaum, später vielleicht Lukas Grgic, sofern dieser Kerschbaum aus der Mannschaft spielen kann. Auf die linke Offensivseite orientiert sich Kasanwirjo eher in Form von Wechsel- und Diagonalpässen, die naturgemäß ungenauer ausfallen, weil sie komplizierter zu spielen und auch anzunehmen sind. Progressivpässe aus dem Spielaufbau heraus passieren bei ihm demnach bei offener Körperhaltung sehr einfach und geradeaus, bei Verlagerungssituationen aber wesentlich riskanter und direkter.

Dem ist zu entnehmen, dass Kasanwirjo nicht selten direkt auf den „Grüll-Flügel“ verlagern will und verhältnismäßig selten den vorgelagerten und nach links versetzten Sechser, als zumeist Sattlberger, als „Zwischenstation“ wählt. Anders verhält es sich allerdings, wenn Sattlberger abkippt. In diesem Fall sucht Kasanwirjo eher den einfachen Pass und sofort Neupositionierung, um weniger Risiko im Aufbau zu nehmen.

Unterschiede zu Cvetkovic

Was nicht von ungefähr kommt ist, dass Kasanwirjo für einen Verteidiger ausgesprochen viele Bälle ins letzte Drittel spielt. Durchschnittlich kam er in den letzten 1 ½ Jahren auf 14,6 progressive Pässe pro Spiel und durchschnittlich 7.87 davon kamen ins letzte Drittel. Die Statistik ist aber ein wenig verfälscht, weil Kasanwirjo bekanntlich auch als Rechtsverteidiger und teilweise als Sechser eingesetzt wurde.

Der größte Unterschied zu Nenad Cvetkovic, den er in der Innenverteidigung ersetzen soll, ist, dass Kasanwirjo nur selten zu Dribblings ansetzt, um die Ordnung des gegnerischen Pressings zu stören. Diese spektakuläre Spielweise, die Cvetkovic in Ballbesitz auszeichnet, wäre eher etwas, was man von Terence Kongolo erwarten darf. Kasanwirjo arbeite im Aufbau eindeutig eher mit seinem Pass-, als mit seinem Laufspiel.

Weiters ist Kasanwirjo mit seinen 185cm zehn Zentimeter kleiner als Nenad Cvetkovic und demnach im Kopfballspiel nicht so eine Macht wie der Serbe. Dies könnte zu einem der größten Unterschiede gegen den Ball werden. Zugleich ist Kasanwirjo allerdings ein guter, statischer Zweikämpfer, der aufgrund seiner Grundschnelligkeit auch nur schwer zu überlaufen ist. Gerade in defensiven Strafraumüberladungen ist er ein wertvoller Innenverteidiger, der durchaus viel wegräumt. Demnach ist der bei Ajax ausgebildete Niederländer gerade gegen stärkere Gegner als Innenverteidiger sinnvoll.

Auch als „Sechser“ einsetzbar

Ebenfalls eher in den schwierigeren Spielen kam Kasanwirjo auch immer wieder seiner Nebenposition im defensiven Mittelfeld zum Einsatz, wo er vor allem eine stabilisierende Position einnahm. Hier ist sein Passspiel weniger progressiv, als wenn er das Spiel als Innenverteidiger vor sich hat und zumeist spielt er Sicherheitspässe. Seine Laufstärke und allgemeine körperliche Präsenz ist jedoch wertvoll, wenn man den Sechserraum physisch überlagern möchte. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass er diese Position bei Rapid häufig bekleiden wird.

Ajax-Gen als Außenverteidiger

Deutlich wahrscheinlicher ist, dass man Kasanwirjo auch als Rechtsverteidiger sehen wird. Die vielseitige Ausbildung bei Ajax Amsterdam und die allgemein sehr offensive Ausrichtung des gesamten Vereins sorgen dafür, dass man den Spieler auf der rechten Seite kaum wiedererkennt. Während der Rapid-Neuzugang in der Innenverteidigung weniger aus dem Laufspiel in die höheren Zonen kommt, weist er als Rechtsverteidiger eine sehr hohe Grundposition auf. Seine Spiele in Groningen zeigten, dass er auf dieser Position vor allem gegen tiefer stehende Mannschaften sehr wertvoll sein kann.

Kasanwirjo ist allerdings keineswegs ein Dribbler, der das Eins-gegen-Eins im Sprint sucht, sondern positioniert sich hoch, bietet eine Anspielstation und ermöglicht seinem jeweiligen Vordermann einzurücken. Gleichzeitig ist aber auch Kasanwirjo aufgrund seines Naturells als Zentrumsspieler ebenfalls einer, der gerne auf die Halbposition pendelt und Offensivaktionen dort ausspielt. Das bringt gewisse Vorteile mit sich, weil die gegnerische Ordnung gestört wird und sowohl Kasanwirjo, als auch sein Vordermann häufig übergeben werden müssen. Gleichzeitig wird damit das Zentrum überladen, während mit der rechten Außenbahn eine „ungefährlichere Zone“ häufiger entblößt wird.

Ein weiterer Vorteil, der sich durch das Einrücken ergibt, ist die höhere Zentrumspräsenz im Gegenpressing. Allerdings ist dies eine Facette, bei der Kasanwirjo vor allem in der Offensive noch Verbesserungspotential hat. Die allermeisten seiner Gegenpressingmomente hat er im zweiten Drittel, gefolgt vom ersten Drittel. Die untenstehende Grafik zeigt allerdings die Umtriebigkeit des Niederländers gut auf.

Alle Screenshots von Wyscout S.p.a.

Ein weiterer Punkt, der noch verbessert werden kann, ist die Passgenauigkeit im letzten Drittel, wie die folgende Grafik zeigt. In den Passmustern ist hier gut sichtbar, dass Kasanwirjo stark einrückend agiert und nicht die Grundlinie sucht. Häufig versucht er auch Spielverlagerungen, die wie zuvor im Innenverteidiger-Teil beschrieben, natürlich riskanter sind und mehr Fehler nach sich ziehen. Zudem ist auch sichtbar, dass er als Rechtsverteidiger aus tieferen Positionen heraus, häufig weite Long-Line-Bälle hinter die gegnerische Abwehr versucht.

Zudem ist hier auch gut sichtbar, dass Kasanwirjo, anders als zum Beispiel Jonas Auer auf links, kein Spieler ist, der Flankengelegenheiten sucht. Im Schnitt schlägt er weniger als zwei Flanken pro 90 Minuten. Viel mehr spielt er die Offensivaktionen aus und sucht selbst den Weg zur Mitte.

Diese Positionsuntreue, speziell im letzten Drittel bzw. im Übergang vom zweiten ins dritte Drittel kann vorteilhaft sein – speziell gegen Mannschaften, die eine schwache defensive Ordnung aufweisen oder allgemein individuell unterlegen sind. Gegen stärkere Gegner ist die Herangehensweise allerdings riskant, auch wegen der teilweise mangelnden Passgenauigkeit.

Wichtiger Kaderbaustein mit klaren Stärken, aber auch Verbesserungspotential

Kasanwirjo ist also als relativ schnörkellos agierender Rechtsverteidiger zu bezeichnen, der kaum Dribblings sucht und auch nicht zwingend flanken möchte. Viel mehr möchte der Spieler seine Aktionen sauber und unkompliziert zu Ende spielen und bei Ballverlusten eher wieder schnell hinter den Ball kommen, anstatt sofort ins Gegenpressing zu gehen.

Der Last-Minute-Transfer der Hütteldorfer ist ein perfekt ausgebildeter Spieler, der auf mehreren Positionen zum Einsatz kommen kann, überall Vorzüge, aber auch Verbesserungspotential mitbringt, der aber für die gesamte Kadersituation der Wiener sehr wertvoll sein wird. Was das letzte Jahr zeigte ist, dass Kasanwirjo vor allem Spiele braucht, um an die Leistungen seiner Groningen-Zeit anzuknüpfen. Die wird er bei Rapid allerdings mit Sicherheit bekommen – sei es als Innen- oder als Rechtsverteidiger.

Trivia: Nerayshos Spitzname ist „Nana“ und sein Nachname Kasanwirjo wird genauso ausgesprochen, wie man ihn schreibt.

Daniel Mandl, abseits.at

Daniel Mandl Chefredakteur

Gründer von abseits.at und austriansoccerboard.at | Geboren 1984 in Wien | Liebt Fußball seit dem Kindesalter, lernte schon als "Gschropp" sämtliche Kicker und ihre Statistiken auswendig | Steht auf ausgefallene Reisen und lernt in seiner Freizeit neue Sprachen